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Kahlan nahm ihr Gesicht in die Hände und zwang sie, ihr in die Augen zu sehen. »Es ist alles wieder in Ordnung, Cara. Die Ratten sind fort. Sie sind verschwunden. Ihr seid in Sicherheit. Richard hat Euch geheilt. Alles wieder in Ordnung.«

»Ratten«, murmelte Cara. »Nehmt sie von mir runter, bitte, bitte…«

Kahlan nahm sie in die Arme. »Sie sind fort, Cara. Ich bin Eure Schwester des Strafers. Ich brauche Euch. Bitte, Cara, kommt wieder zu Euch.«

Die andere brachte nur ein unverständliches Gestammel hervor.

»Cara«, schluchzte Kahlan, »Richard stirbt, wenn Ihr mir nicht helft. Die Burg hat Tausende von Räumen. Ich muß wissen, wo Ihr ihn untergebracht hattet. Bitte, Cara, Richard hat Euch geholfen. Er ist jetzt auf Eure Hilfe angewiesen – sonst stirbt er. Wir haben keine Zeit. Richard braucht Euch.«

Caras Augen fanden ihr Ziel, so als erwachte sie aus dem Schlaf. »Richard?«

Kahlan wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »Ja, Richard. So beeilt Euch doch. Ich brauche den Gürtel, den Richard sonst immer trägt. Ich brauche ihn, oder er stirbt.«

Cara nahm ihre Hände herunter und rieb sich die Handgelenke, die an den ehemals wunden Stellen jetzt unversehrt waren. Sie befühlte ihren Bauch. Sogar die alten Narben waren verschwunden.

»Ich bin geheilt«, wunderte sie sich leise. »Lord Rahl hat mich geheilt.«

»Ja! Cara, bitte. Richard liegt im Sterben. Das Buch habe ich, aber ich brauche die Dinge, die er in seinem Gürtel bei sich trägt.«

Unvermittelt setzte Cara sich auf und zog ihren roten Lederanzug über ihre Brust. Sie schloß zwei der Knöpfe, damit er hielt.

»Seinen Gürtel! Ja. Ihr bleibt hier bei Lord Rahl. Ich werde ihn holen.«

»Beeilt Euch!«

Cara erhob sich, noch ein wenig schwankend, fand dann ihr Gleichgewicht wieder und verließ eilig den Raum. Kahlan drückte das tiefschwarze Buch an ihren Körper. Sie beugte sich über Richard. Sein Atem ging sehr schwach. Sie wußte, jeder dieser Atemzüge konnte sein letzter sein. Er hatte ihnen, Kahlan und Cara, seine ganzen Kräfte überlassen.

»Gütige Seelen, helft ihm. Laßt ihm nur noch ein bißchen Zeit. Bitte. Er hat so viel durchgemacht. Bitte, schenkt ihm ein wenig Zeit, bis ich dieses widerwärtige Buch vernichten kann.«

Kahlan beugte sich über ihn und gab ihm einen Kuß auf die Lippen. »Halte durch, Richard. Halte für mich durch, bitte. Falls du mich hören kannst: Ich habe das Buch. Ich weiß jetzt, wie man es vernichten kann. Bitte, halte einfach durch.«

Auf einer sauberen Stelle etwas näher bei der Tür kniete Kahlan nieder und schlug das Buch auf der dritten Seite auf, um bereit zu sein, sobald Cara zurückkehrte.

Sie starrte in das Traumbild einer völlig öden Landschaft. Da war zu Dünen aufgewehter Sand, der sich bis in die Ferne des von dem Buch ausgehenden Trugbildes erstreckte. Kahlan versenkte ihren Blick in diese Ödnis und sah Runen im Sand – zu geometrischen Mustern angeordnete Linien.

Ihr Blick wurde von dem wirbelnden und kreisenden Linienmuster aufgesogen. Dort, in den Runen, war ein Licht. Es leuchtete flackernd in allen Farben daraus hervor und schien sie zu sich zu rufen.

»Mutter Konfessor!« gellte Cara und rüttelte Kahlan an den Schultern. »Habt Ihr mich nicht gehört! Ich habe den Gürtel von Lord Rahl!«

Kahlan schüttelte blinzelnd den Kopf, versuchte ihre Gedanken wieder zu ordnen. Sie riß den Gürtel an sich und löste den Knochenstift, mit der die Lasche der Tasche befestigt war, in der Richard den Zauberersand aufbewahrte. Drinnen fand sie den Lederbeutel mit weißem Sand.

Mit Cara im Rücken, die ihr die Hand auf die Schulter gelegt hatte, warf Kahlan eine Prise weißen Sand in das Buch.

Die Farbe schien zu brodeln und zu kreisen, sich zu überschlagen und in sich zu verschlingen. Kahlan riß den Blick los, suchte ein weiteres Mal in der Tasche und zog den anderen Lederbeutel hervor, in dem sich der schwarze Zauberersand befand. Vorsichtig zog sie das obere Ende mit zwei Fingern auseinander. Sie sah den tiefschwarzen Sand in seinem Innern.

Besorgt hielt Kahlan inne. Da war noch etwas, irgend etwas regte sich ganz hinten in ihrem Verstand.

Die Worte. Nathan hatte gesagt, man müsse die Worte sprechen, die drei Grußformeln, bevor man den schwarzen Sand benutzte. Drei Worte. Bloß, wie lauteten sie?

Sie fielen ihr nicht ein. In Gedanken rannte sie hinter ihnen her, aber immer wieder verschwanden sie hinter einer dunklen Ecke, und sobald sie um dieselbe Ecke bog, waren sie abermals bereits davon. Ihre Gedanken steckten in einem Sumpf aus Angst fest, in dem man nur mühselig stapfend vorwärtskam. Verzweifelt zermarterte sie sich das Hirn, aber die Worte wollten ihr nicht einfallen.

Richard hatte sie sich in die Handfläche geschrieben. Kahlan drehte sich um, wollte sie ihm aus der Hand lesen und erstarrte.

Drefan, der dort, wo er zusammengebrochen war, am Brunnen der Sliph lehnte, hatte das Schwert, indem er sich an einen letzten Lebensnerv klammerte, zum Schlag erhoben. Richard lag in Reichweite unmittelbar vor ihm auf dem Boden. Drefan würde ihn töten.

»Nein!« kreischte Kahlan.

Doch das Schwert senkte sich bereits herab. Ein mattes, irres Lachen wehte durch die Luft.

Kahlan reckte die geballte Faust nach vorn und rief den blauen Blitz herbei, um Richard zu beschützen. Nichts geschah. Man hatte ihr den Zugriff auf ihre Kraft unmöglich gemacht.

Cara hatte sich bereits in Bewegung gesetzt, um sich auf Drefan zu werfen, doch sie war zu weit entfernt. Sie würde es nicht schaffen. Das Schwert hatte halb sein Ziel erreicht.

Ein silbriger Arm senkte sich von oben herab, packte Drefans Arm und hielt ihn fest. Kahlan hielt den Atem an.

Ein weiterer flüssiger Silberarm wand sich um Drefans Kopf. »Atme«, gurrte die Sliph mit einer Stimme, die die Befriedigung bestialischer Lust verhieß, mit einer Stimme, die reine Wonne versprach. »Ich möchte, daß du mich zufriedenstellst. Atme

Drefans Brust hob sich, als er die Sliph einatmete.

Er wurde ganz ruhig, hielt die Sliph in seinen Lungen fest. Dann ließ die Sliph ihn los, und er fiel zur Seite um. Er atmete aus und stieß die Sliph, die er eingeatmet hatte, wieder aus.

Sie lief ihm aus Mund und Nase, jedoch nicht silbern, sondern rot.

Kahlan spürte, wie etwas in ihrem Innern auseinanderging, das tiefgreifende Gefühl, daß sich etwas löste, und urplötzlich war sie wieder eins mit ihrer Kraft: Dieses köstliche Gefühl in ihrem Innern entlockte ihr ein euphorisches Stöhnen.

Drefan war tot. Bis daß der Tod euch scheidet. So hatten die Worte gelautet.

Ihr Eid war erfüllt. Die Winde hatten ihr die Kraft zurückgegeben.

Kahlan wurde aus ihrer Benommenheit gerissen, als sie Richard nach Luft schnappen hörte. Erneut von Panik ergriffen, eilte sie zu ihm hinüber und ergriff seine rechte Hand, auf die Richard die Nachricht gekritzelt hatte. Sie bog seine Finger auseinander.

Die Worte waren verschwunden. Drefans Blut hatte die Schrift verwischt, als Richard ihn zurückgehalten hatte.

Kahlan schrie vor Wut und Verzweiflung. Sie kroch zurück zu dem aufgeschlagenen Buch. Sie konnte sich einfach nicht an die Worte erinnern. Verzweifelt zermarterte sie sich den Verstand. Sosehr sie sich auch abmühte, die Worte wollten ihr nicht einfallen.

Was sollte sie nur tun?

Vielleicht sollte sie trotzdem einfach ein schwarzes Sandkorn hinzufügen.

Nein, sie war nicht so unklug, den Rat eines Zauberers wie Nathan zu mißachten.

Sie preßte sich die Handballen an die Schläfen, als wollte sie die Worte herauspressen. Cara kniete nieder und packte sie bei den Schultern.

»Was ist, Mutter Konfessor? Ihr müßt Euch beeilen. Lord Rahl atmet kaum noch. So beeilt Euch doch!«

Die Tränen liefen ihr übers Gesicht. »Ich weiß die Worte nicht mehr. Ach, Cara, ich kann mich einfach nicht erinnern. Nathan hat sie mir gesagt, aber ich kann mich nicht mehr an sie erinnern.«

Kahlan schleppte sich auf allen vieren wieder hinüber zu Richard. Sie streichelte ihm das Gesicht.