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»Bitte, Richard. Wach doch auf. Ich muß sie wissen. Bitte, Richard, wie lauten sie? Die drei Worte?«

Ächzend vor Anstrengung versuchte er, Luft zu holen. Er würde nicht mehr aufwachen. Er würde nicht überleben.

Kahlan eilte zum Buch zurück. Sie schnappte sich den Lederbeutel mit dem schwarzen Sand. Sie würde es ohne die Worte wagen müssen. Vielleicht würde es auch so gelingen. Es mußte!

Sie konnte sich nicht überwinden, die Hände zu bewegen. So unklug war sie nicht. Es würde nur gelingen, wenn sie die Worte sprach. Sonst nicht, soviel war ihr klar. Sie war mit Zauberern und Magie aufgewachsen und war nicht so überheblich, Nathans Anweisungen in den Wind zu schlagen. Ohne die Worte würde es nicht klappen.

Sie ließ sich mit einem Aufschrei nach vorne fallen und trommelte mit den Fäusten auf den Boden. »Ich kann mich nicht an die Worte erinnern. Ich kann es nicht!«

Cara legte einen Arm um sie, zwang sie, sich aufzurichten, und nahm sie behutsam in den Arm. »Beruhigt Euch doch. Tief durchatmen. Gut. Jetzt ausatmen. Und noch einmal. Jetzt stellt Euch diesen Nathan in Gedanken vor. Stellt ihn Euch vor, wie er die Worte zu Euch spricht und wie glücklich Ihr wart, daß Ihr Richard das Leben retten könnt.«

Kahlan versuchte es. Sie gab sich solche Mühe, daß sie hätte schreien mögen.

»Ich kann mich nicht an sie erinnern«, weinte sie. »Richard wird sterben, weil mir drei blöde Worte nicht einfallen. Ich kann mich einfach nicht an die drei Grußformeln erinnern.«

»Die drei Grußformeln?« fragte Cara erstaunt. »Meint Ihr vielleicht Reechani, Sentrosi, Vasi? Diese drei Grußformeln?«

Kahlan starrte sie fassungslos an. »Das sind sie. Die drei Grußformeln. Reechani, Sentrosi, Vasi.

Reechani! Sentrosi! Vasi! Ich erinnere mich! Danke, Cara, jetzt erinnere ich mich wieder!«

Mit Daumen und Zeigefinger fischte Kahlan ein einzelnes Korn des schwarzen Sandes heraus.

»Reechani, Sentrosi, Vasi«, wiederholte sie zur Sicherheit noch einmal.

Dann warf sie das schwarze Sandkorn ins Buch.

Die beiden hielten den Atem an.

Im Raum setzte ein Summen ein, das allmählich immer lauter wurde. Die Luft schien zu tanzen und zu vibrieren. Ein wirbelndes, sich überschlagendes, pulsierendes, an- und abschwellendes Licht in allen Farben leuchtete flackernd auf. Mit dem Summen wurde es immer heller, bis Kahlan schließlich die Augen abwenden mußte.

Lichtstrahlen schwenkten über die steinernen Wände hinweg. Cara hielt sich die Hand vors Gesicht. Kahlan folgte ihrem Beispiel. Das Licht war so grell, daß es nicht reichte, sich einfach abzuwenden.

Und dann setzte eine Dunkelheit ein wie die tiefe Schwärze des Steins der Nacht oder des Bucheinbandes und sog Licht und Farben zurück ins Buch. Sie entzog dem Raum alles Licht, bis er schließlich in Dunkelheit versank.

Aus der Tiefe dieser völligen Finsternis drang ein so entsetzliches Stöhnen, daß Kahlan froh war, nicht erkennen zu können, woher es stammte. Die Klagelaute der Seelen füllten den Raum, breiteten sich in blinder, irrer Raserei aus, sirrten durch die Luft – verloren, wie von Sinnen, wild.

Der Klang eines fernen Lachens, das Kahlan nur zu gut kannte, verhallte zu einem Klagelaut, der bis in die Ewigkeit zu reichen schien.

Als der Schein der Kerzen wieder aufleuchtete, war das Buch verschwunden, und nur ein Aschefleck verriet, wo es gelegen hatte.

Kahlan und Cara liefen hinüber zu Richard. Er schlug die Augen auf. Zwar sah er noch nicht gesund aus, wirkte aber munterer. Sein Atem ging kräftiger und gleichmäßig.

»Was ist passiert?« fragte er. »Ich bekomme wieder Luft. Mein Kopf dröhnt nicht mehr.«

»Die Mutter Konfessor hat Euch gerettet«, verkündete Cara. »Wie ich Euch schon oft erklärt habe, Frauen sind stärker als Männer.«

»Cara«, fragte Kahlan leise, »woher kanntet Ihr die drei Grußformeln?«

Cara zuckte die Achseln. »Der Legat Rishi kannte die Worte, genau wie die Nachricht von den Winden. Als Ihr von den drei ›Grußformeln‹ spracht, sind sie mir, genau wie die anderen Nachrichten von den Winden, einfach über seine Magie zugefallen.«

Erleichtert legte Kahlan ihre Stirn in stummer Dankbarkeit an Caras Schulter. Die Mord-Sith streichelte der Mutter Konfessor mit demselben stummen Mitgefühl den Rücken.

Richard blinzelte, kniff die Augen zusammen und wollte den Kopf wieder klar bekommen. Als er sich aufrichtete, beugte sich Kahlan zu ihm und wollte ihn in den Arm nehmen, aber Cara hielt sie zurück.

»Bitte, Mutter Konfessor, darf ich zuerst? Ich fürchte, wenn Ihr erst einmal anfangt, bekomme ich wahrscheinlich keine Gelegenheit mehr dazu.«

Kahlan mußte schmunzeln. »Da habt Ihr nicht ganz unrecht. Nur zu.«

Während Cara die Arme um Richard schlang und leise, persönliche, von Herzen kommende Worte in sein Ohr flüsterte, stand Kahlan auf und wandte sich an die Sliph.

»Ich kann dir nicht genug danken, Sliph. Du hast Richard gerettet. Du bist eine echte Freundin, und ich werde dich mein Leben lang in Ehren halten.«

Das silbrige Gesicht verzog sich zu einem zufriedenen Lächeln. Sie blickte hinunter auf Drefans leblosen Körper.

»Er besaß keine Magie, aber er benutzte seine Begabung dazu, die Blutung zu stoppen, damit er lange genug weiterleben konnte, um den Herrn und Meister umzubringen. Es bedeutet den Tod, wenn man mich einatmet, ohne Magie zu besitzen. Ich bin froh, daß ich ihn auf eine Reise mitnehmen konnte, eine Reise in die Welt der Toten.«

Richard erhob sich auf wackeligen Beinen und schlang Kahlan einen Arm um die Hüften. »Ich möchte mich ebenfalls bei dir bedanken, Sliph. Ich habe keine Ahnung, was ich jemals für dich werde tun können, aber wenn es in meiner Macht steht, brauchst du es nur zu sagen.«

Die Sliph lächelte. »Ich danke Euch, mein Herr und Meister. Es würde mich sehr freuen, wenn du wieder mit mir reisen würdest. Es wird dir gefallen.«

Richards Augen hatten jetzt wieder ihren alten Glanz. »Ja, wir wollen reisen. Ich werde mich vorher etwas ausruhen müssen, bis ich mich ganz erholt habe und wieder bei Kräften bin, aber dann werden wir reisen, das verspreche ich.«

Kahlan ergriff Caras Hand. »Geht es Euch gut? Ich meine, ist wirklich alles in Ordnung … in jeder Hinsicht?«

Cara nickte, einen gehetzten Blick in den Augen. »Die Geister der Vergangenheit verfolgen mich noch immer, aber es geht mir gut. Danke, Schwester, daß Ihr mir geholfen habt. Es geschieht nicht oft, daß eine Mord-Sith auf die Hilfe eines anderen vertrauen kann, aber bei Richard als Lord Rahl und Euch als Mutter Konfessor scheint alles möglich.«

Cara blickte hinüber zu Richard. »Als Ihr die Mutter Konfessor geheilt habt, sah es aus, als würdet Ihr glühen, als hätte Euch dabei eine Seele zur Seite gestanden.«

»Ich denke, die Guten Seelen haben mir geholfen. Davon bin ich fest überzeugt.«

»Ich habe die Seele wiedererkannt. Es war Raina.«

Richard nickte. »Ich hatte auch das Gefühl, es sei Raina gewesen. Als ich in der Welt der Seelen war, erzählte Denna mir, Raina habe ihren Frieden gefunden und wisse, daß wir sie lieben.«

»Ich glaube, wir sollten gehen und Berdine erzählen, was passiert ist«, schlug Cara vor.

Richard legte ihr seinen anderen Arm um die Hüfte, und alle machten sich auf in Richtung Tür.

»Ja, das denke ich auch.«

68

Mehrere Tage darauf – Richard hatte sich fast wieder vollständig erholt – ritt Tristan Bashkars Onkel, König Jorin Bashkar, König von Jara, an der Spitze seiner Kompanie aus königlichen Lanzenträgern in Aydindril ein. Auf der Spitze einer jeden der einhundert Lanzen steckte ein Schädel.

Von einem Fenster aus verfolgte Kahlan, wie die Lanzen unter den wachsamen Blicken der d'Haranischen Soldaten in einer pfeilgeraden Doppelreihe parallel zum Eingang des Palastes der Konfessoren aufgepflanzt wurden. Staatsflaggen flatterten an Stangen, die vom ersten Paar sich gegenüberstehender jaranischer Soldaten gehalten wurden. Jorin Bashkar, gefolgt von seinem Sternendeuter Jevas Kadar, wartete ab, bis sich die Lanzenträger mit ihren in der Sonne blitzenden Uniformen perfekt ausgerichtet hatten, dann marschierte er entschlossenen Schritts in königlicher Manier zwischen den Schädelreihen hindurch auf den Eingang zu.