Jeder aus dem Dorf drängte nach vorn, um das neue Paar zu beglückwünschen. Kahlan hatte Angst, erdrückt zu werden. Die Menschen brachten Speisen und Blumen und aufrichtige, einfache Geschenke aller Art.
Schließlich fanden die Feierlichkeiten vor der Hochzeitsplattform ihre Fortsetzung. Kahlan versuchte, mit jedem gleichzeitig zu sprechen, als sich plötzlich – Richard erkundigte sich gerade bei einem von Chandalens Jägern nach der Schlacht, deren Zeugen sie geworden waren – sein goldenes Cape blähte.
Es war vollkommen windstill.
Richard richtete sich auf. Sein Raubvogelblick wanderte über die Köpfe der Menschen hinweg, die sich vor der Hochzeitsplattform versammelt hatten. Instinktiv griff er nach seinem Schwert. Es war nicht da.
Die Menschen im Hintergrund verstummten. Zedd und Ann stellten sich neben Richard und Kahlan. Den Strafer in der Faust, wollte Cara sich zwischen ihnen hindurch nach vorn drängen. Richard schob sie sanft zurück.
Das gesamte Dorf verstummte, als die Menge sich für die beiden nahenden Gestalten teilte.
Während die beiden einsamen Gestalten, eine groß, die andere klein, näher kamen, erkannte Kahlan, daß es sich um Shota und ihren Begleiter Samuel handelte.
Blendend aussehend wie immer, erklomm die Hexe entschlossenen Schritts die Plattform, ohne auch nur einen einzigen Moment lang ihre mandelförmigen Augen von Kahlan zu lassen.
Shota ergriff Kahlans Hand und gab ihr einen Kuß auf die Wange.
»Ich bin gekommen, um Euch zu beglückwünschen, Mutter Konfessor, sowohl für Eure Leistung als auch zu Eurer Hochzeit.«
Alle Vorsicht in den Wind schlagend, schloß Kahlan sie in die Arme. »Danke, daß Ihr gekommen seid, Shota.«
Lächelnd blickte die Hexe Richard in die Augen, während sie ihm mit einem rotlackierten Fingernagel über das Kinn strich. »Hart erkämpft, Richard. Hart erkämpft. Und wohlverdient.«
Kahlan wandte sich der schweigenden Versammlung zu. Sie wußte, die Schlammenschen fürchteten die Hexe so sehr, daß sie es sogar vermieden, ihren Namen auszusprechen. Kahlan hatte Verständnis dafür. Ihr war es früher beinahe ebenso ergangen.
»Shota ist gekommen, um uns ihre besten Glückwünsche zur Hochzeit zu überbringen. Auch hat sie uns in unserem Kampf unterstützt. Sie ist eine Freundin, und ich hoffe, ihr werdet sie zu eurem Fest willkommen heißen, denn das hat sie verdient. Außerdem entspricht es meinem Wunsch.«
Kahlan wandte sich zu ihr um. »Ich habe ihnen erklärt –«
Shota hob lächelnd eine Hand. »Ich weiß, was Ihr ihnen erklärt habt, Mutter Konfessor.«
Der Vogelmann trat vor. »Willkommen in unserem Zuhause, Shota.«
»Danke, Vogelmann. Mein Wort darauf, daß ich an diesem Tag kein Unheil über euch bringen werde.«
Shota sah zu Zedd hinüber. »Waffenstillstand für einen Tag?«
Zedd lächelte verschmitzt. »Waffenstillstand.«
Samuel hob seinen langen Arm und angelte nach der geschnitzten Knochenpfeife des Vogelmannes, die dieser um den Hals trug.
»Meins! Gib her!«
Shota verpaßte ihm eine Kopfnuß. »Reiß dich zusammen, Samuel!«
Der Vogelmann schmunzelte. Er zog den Riemen mit der Pfeife über den Kopf und hielt ihn Samuel hin.
»Ein Geschenk für einen Freund der Schlammenschen.«
Behutsam ergriff Samuel die Pfeife. Ein Grinsen teilte sein Gesicht, bis man seine üblen, spitzen Zähne sah.
»Vielen Dank, Vogelmann«, sagte Shota.
Samuel blies in die lautlose Pfeife. Er schien zu seinem größten Gefallen den Ton hören zu können. Verhaltenes Gelächter ging durch die Menge, und die Gespräche wurden fortgesetzt. Zu Kahlans Erleichterung tauchten als Reaktion auf die lautlose Pfeife keine Geier auf. Glücklicherweise wußte Samuel nicht, wie man die einzelnen Vögel rief. Grinsend hängte er sich sein Geschenk um den Hals. Dann nahm er Shota wieder bei der Hand.
Die musterte Richard und Kahlan aus ihren alles in Bann ziehenden Augen. In diesem Moment vergaßen sie alle anderen. Bei diesem Blick waren die drei so gut wie alleine.
»Glaubt nicht, keiner von Euch, ich hätte, weil ich Euch gratuliere, vergessen, was ich Euch versprochen habe.«
Kahlan schluckte. »Shota –«
Die Augen der Hexe waren gleichzeitig wunderschön und furchteinflößend, als sie sie mit erhobenem Finger zum Schweigen brachte.
»Ihr habt Euch beide diese wunderbare Hochzeit verdient. Ich freue mich für Euch beide. Ich werde Eure Gelübde in Ehren halten und Euch, aus Respekt für das, was Ihr für mich getan habt, auf jede Weise unterstützen – vorausgesetzt, Ihr Vergeßt meine Warnung nicht. Ich werde nicht zulassen, daß ein aus dieser Vereinigung hervorgegangenes männliches Kind überlebt. Ich rate Euch, in diesem Punkt nicht an meinen Worten zu zweifeln.«
Richards Blick wurde hitziger. »Ich lasse nicht zu, daß jemand uns droht, Shota –«
Wieder hob sie den Finger, diesmal, um Richard zu beschwichtigen.
»Das war keine Drohung. Sondern ein Versprechen. Ich tue dies nicht aus Feindseligkeit einem von Euch beiden gegenüber, sondern aus Sorge um alle die anderen Menschen dieser Welt. Uns allen steht ein langer Kampf bevor. Ich werde nicht zulassen, daß irgend etwas, das Ihr in diese Welt setzt, unsere Siegeschance schmälert. Jagang ist schon Kummer genug.«
Aus irgendeinem Grund versagte Kahlan die Stimme. Richard schienen ebenfalls die Worte zu fehlen. Kahlan glaubte Shota. Böswilligkeit war nicht der Grund für ihr Handeln.
Die Hexe nahm Kahlans Hand und legte etwas hinein. »Dies ist mein Geschenk an Euch beide. Ich tue dies aus Liebe zu Euch und zu allen anderen.« Sie lächelte ein eigenartiges Lächeln. »Seltsame Worte aus dem Mund einer Hexe, nicht wahr?«
»Nein, Shota«, erwiderte Kahlan. »Ich weiß nicht, ob ich Euch glauben soll, was Ihr uns über einen etwaigen Sohn erzählt, aber ich weiß, daß Ihr es nicht aus Haß sagt.«
»Gut. Tragt dieses Geschenk stets bei Euch, dann wird alles gut werden. Merkt Euch meine Worte gut – nehmt es niemals ab, wenn Ihr zusammen seid, dann werdet Ihr stets glücklich sein. Mißachtet Ihr meine Bitte, bekommt Ihr die Folgen meines Versprechens zu spüren.« Sie sah Richard in die Augen. »Besser, Ihr bekämpft den Hüter als mich.«
Kahlan öffnete die Hand und fand eine zierliche Halskette vor. An der goldenen Kette hing ein kleiner, dunkler Stein.
»Warum? Was ist das?«
Shota legte Kahlan einen Finger unter das Kinn und sah ihr in die Augen. »Solange Ihr den Stein tragt, werdet Ihr keine Kinder bekommen.«
Richards Stimme klang seltsam sanft. »Aber wenn wir –«
Shota brachte ihn abermals mit erhobenem Finger zum Schweigen. »Ihr beide liebt Euch. Erfreut Euch an dieser Liebe und aneinander. Ihr habt hart darum gekämpft, zusammenzusein. Genießt Euer Zusammensein und Eure Liebe. Jetzt habt Ihr beide einander, so wie Ihr es Euch immer gewünscht habt. Gebt das nicht sinnlos auf.«
Richard und Kahlan nickten. Aus irgendeinem Grund verspürte Kahlan keinen Zorn. Sie spürte lediglich Erleichterung darüber, daß Shota ihre Hochzeit nicht vereiteln würde. Es war fast wie in einem Traum, wie der förmliche Vertragsabschluß über einen unbekannten, entlegenen Landstrich, auf den zwei Länder Anspruch erhoben, wie die Übereinkünfte im Ratssaal, bei denen sie so häufig den Vorsitz gehabt hatte. Gefühle schienen nicht beteiligt. Es war schlicht eine Abmachung.
Shota machte kehrt und wollte gehen.
»Shota«, rief Richard ihr hinterher. Sie drehte sich um. »Wollt Ihr nicht bleiben? Ihr habt einen weiten Weg hinter Euch.«
»Richtig«, meinte Kahlan. »Wir wären wirklich sehr erfreut, wenn Ihr bleiben würdet.«
Ihr Hexenlächeln lächelnd, verfolgte Shota aufmerksam, wie Kahlan das Kettchen um ihren Hals befestigte.
»Eure Frage ist mir Freude genug, aber die Reise ist lang, und wir müssen aufbrechen.«
Kahlan sprang die Stufen hinunter und besorgte sich einen Stapel Tavafladen. Sie wickelte das Brot in ein Tischtuch. Am Fuß der Stufen hatte sie Shota eingeholt.