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Es funktionierte nicht. Das Essen lockte bloß noch mehr Ratten an, ganze Horden, und wenn es dann aufgefressen war … Danach aß ich stets mein Abendbrot bis zum letzten Krümel, sobald die Schlange es brachte.

Manchmal verhöhnte sie mich dann. Sie sagte: ›Zögere nicht, Cara, sonst fressen dir die Ratten alles weg.‹ Ich wußte, was sie mit ›Zögere nicht‹ meinte. Das war ihre Art, mich daran zu erinnern, welchen Preis mein Zögern mich und meine Eltern gekostet hatte. Während sie meine Mutter vor meinen Augen zu Tode folterten, sagte die Schlange: ›Siehst du, was passiert, weil du gezögert hast, Cara? Weil du zu ängstlich warst?‹ Man brachte uns bei, Darken Rahl sei ›Vater Rahl‹. Wir hätten keinen Vater außer ihm. Als ich zum dritten Mal gebrochen wurde, als sie mir befahlen, meinen richtigen Vater zu Tode zu foltern, forderte mich die Schlange auf, nicht zu zögern. Ich tat es nicht. Mein Vater flehte um Gnade. ›Cari, bitte‹, weinte er. ›Cari, erspar dir, das zu werden, was sie von dir verlangen.‹ Ich aber zögerte keinen Augenblick. Danach war Darken Rahl mein einziger Vater.«

Cara hielt ihren Strafer in die Höhe und starrte darauf, während sie ihn durch die Finger laufen ließ. »Dadurch verdiente ich mir meinen Strafer. Den Strafer, mit dem sie mich ausgebildet hatten. Ich verdiente mir den Namen Mord-Sith.«

Cara blickte Kahlan nun wieder in die Augen, wie aus großer Ferne und nicht nur über die zwei Schritte hinweg, die sie voneinander trennten. Von jenseits des Wahnsinns. Eines Wahnsinns, den andere ihr eingepflanzt hatten. Kahlan kam sich vor, als verwandelte das, was sie in den Tiefen dieser blauen Augen erblickte, auch sie in Stein.

»Ich war eine Schlange. Ich stand im Sonnenlicht, beugte mich über junge Mädchen und nahm ihnen das Messer aus der Hand, wenn sie zögerten, weil sie niemandem weh tun wollten.«

Kahlan hatte Schlangen nie ausstehen können. Jetzt fand sie sie noch ekelhafter.

Tränen liefen ihr über die Wangen und hinterließen dabei feuchte Spuren. »Das tut mir leid, Cara«, sagte sie leise. Ihr drehte sich der Magen um. Sie hätte nichts lieber getan, als die Arme um diese Frau in rotem Leder zu schlingen, aber sie war zu keiner Bewegung fähig.

Die Fackeln knisterten. In der Ferne hörte man gedämpfte Gesprächsfetzen der Wachen. Leises Gelächter hallte ihnen durch den Gang entgegen. Wasser, das aus der steinernen Decke schwitzte, plätscherte nicht weit entfernt in eine kleine, grüne Pfütze. Kahlan konnte ihr eigenes Herz in den Ohren pochen hören.

»Lord Rahl hat uns davon befreit.«

Kahlan mußte daran denken, wie Richard ihr erzählt hatte, daß er beim Anblick der zwei anderen Mord-Sith, die beim Verfüttern der Samenkörner an die Backenhörnchen angefangen hatten herumzualbern, fast in Tränen ausgebrochen sei. Nun verstand sie. Richard hatte den Wahnsinn begriffen. Kahlan wußte nicht, ob diese Frauen jemals wieder daraus zurückkehren würden, aber wenn sie eine Chance hatten, dann nur wegen ihm.

Die eiserne Härte kehrte in Caras verbitterten Gesichtsausdruck zurück. »Gehen wir und finden wir heraus, was Marlin Lord Rahl antun wollte. Aber erwartet nicht von mir, daß ich sanft mit ihm umspringe, wenn er zögert zu gestehen.«

Ein d'Haranischer Soldat entriegelte die Eisentür unter Unterkommandant Collins wachsamen Blicken und trat zurück, als sei das verrostete Schloß alles, was die Menschen im Palast vor der finsteren Magie dort unten in der Grube schützte. Zwei weitere kräftige Soldaten zogen mühelos die schwere Leiter herbei.

Bevor Kahlan die Tür öffnen konnte, hörte sie Stimmen und Schritte näher kommen. Alle drehten sich um und sahen den Gang hinauf.

Es war Nadine in Begleitung von vier Soldaten.

Nadine rieb sich die Hände, als wollte sie sie wärmen, während sie mitten unter die kräftigen, in Leder gekleideten Soldaten trat.

Kahlan erwiderte das strahlende Lächeln der Frau nicht.

»Was habt Ihr hier unten verloren?«

»Nun, Ihr sagtet, ich sei Euer Gast. So schön Eure Gemächer auch sind, ich wollte mich ein wenig umsehen. Ich bat die Wachen, mir den Weg nach hier unten zu zeigen, weil ich diesen Mörder sehen wollte.«

»Ich habe gesagt, Ihr sollt in Eurem Zimmer bleiben. Ich wollte nicht, daß Ihr nach hier unten kommt.«

Nadine legte ihre zarte Stirn in Falten. »Ich bin es ein wenig leid, wie eine Hinterwäldlerin behandelt zu werden.« Sie reckte die feine Nase in die Höhe. »Ich bin Heilerin. Wo ich herkomme, werde ich respektiert. Die Menschen hören auf mich, wenn ich etwas sage. Wenn ich jemandem etwas auftrage, führt er es auch aus. Sage ich einem Ratsmitglied, er soll dreimal täglich einen Trank zu sich nehmen und das Bett hüten, dann trinkt er sehr wohl dreimal täglich im Bett seine Medizin, bis ich ihm mitteile, daß er es verlassen darf.«

»Es interessiert mich nicht, wer springt, wenn Ihr den Mund aufmacht«, entgegnete Kahlan. »Hier hört Ihr auf mein Kommando. Habt Ihr das begriffen?«

Nadine preßte die Lippen aufeinander und stemmte die Fäuste in die Hüften. »Jetzt hört mal gut zu. Ich habe gefroren, ich hatte Hunger und war verängstigt. Menschen, die ich nicht kenne, hielten mich zum Narren. Ich habe mich um meine eigenen Angelegenheiten gekümmert und mein eigenes Leben gelebt, bis ich dann auf diese sinnlose Reise geschickt wurde, nur um in einem Palast zu landen, wo die Menschen mich dafür, daß ich ihnen helfen will, wie eine Aussätzige behandeln. Menschen, die ich nicht kenne, brüllen mich an, und ein Junge, mit dem ich zusammen aufgewachsen bin, demütigt mich.

Ich dachte, ich würde diesen Mann heiraten, aber diesen Teppich hat man mir unter den Füßen weggerissen. Er will nicht mich, sondern Euch. Wäre Richard nicht gewesen, dann wäre ich jetzt Tommys Frau. Statt dessen mußte Tommy Rita Wellington heiraten. Wäre Richard nicht gewesen, dann wäre ich diejenige, die ständig ein blaues Auge hat. Ich würde barfuß in seiner Hütte hocken und müßte die Brut dieses schweinsgesichtigen, brutalen Kerls austragen.

Tommy hat sich über mich lustig gemacht, weil ich Kräuter mische, um Menschen zu heilen. Er sagte, es sei idiotisch, wenn ein Mädchen Kräuter mischt. Er meint, wenn mein Vater jemanden wollte, der in seinem Laden arbeitet und der mit Kräutern hantiert, die die Kranken benötigen, hätte er einen Jungen bekommen sollen. Ohne Richard hätte ich keine Chance gehabt, Heilerin zu werden.

Nur weil ich nicht seine Frau werde, heißt das nicht, daß er mir gleichgültig ist. Ich bin mit ihm aufgewachsen. Er ist trotz allem ein Junge aus meiner Heimat. Wir kümmern uns umeinander, als wären wir eine Familie, auch wenn das so vielleicht nicht stimmt. Ich habe ein Recht, zu erfahren, wer dieser Mann aus Eurer Welt ist, der den Jungen aus meiner Heimat töten will, dem ich so viel zu verdanken habe!«

Kahlan war nicht in der Stimmung, sich lange zu streiten. Sie war auch nicht in der Stimmung, der Frau den Anblick dessen, was sie zu Gesicht bekommen würde, zu ersparen.

Sie sah prüfend in Nadines braune Augen und versuchte herauszufinden, ob es stimmte, was Cara gesagt hatte, daß nämlich Nadine noch immer hinter Richard her war. Wenn, dann war es für Kahlan allein durch einen Blick nicht festzustellen.

»Ihr wollt den Mann sehen, der Richard und mich töten will?« Kahlan packte den Hebel und warf die Tür auf. »Also schön. Der Wunsch soll Euch erfüllt werden.«

Sie gab den Männern ein Zeichen, die daraufhin die Leiter durch die Türöffnung hinab in die Dunkelheit schoben, wo sie mit einem dumpfen Schlag landete. Kahlan riß eine Fackel aus einer Halterung und drückte sie Cara in die Hand.

»Dann wollen wir Nadine mal zeigen, worauf sie so erpicht ist.«

Cara überzeugte sich, daß Kahlans Entschlossenheit durch nichts zu erschüttern war, dann begann sie die Leiter hinabzusteigen.

Kahlan hielt ihr einladend den Arm hin. »Willkommen in meiner Welt, Nadine. Willkommen in Richards Welt.«