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Außerdem waren die Gänge feuchter. Stellenweise lief das Wasser an den Wänden herunter und floß in kleine, mit Fliesen ausgekleidete Tropflöcher an der Seite des Fußbodens, der zu den Seiten leicht abfiel, damit das Wasser in die Abflußrinnen geleitet wurde. Einige der Abflußrinnen waren mit Unrat verstopft, so daß sich flache Pfützen hatten bilden können.

Ratten benutzten die gefliesten Abflußrinnen als Tunnelgänge. Sie stoben quiekend auseinander, sobald Geräusch und Licht näherkamen. Einige huschten in die Abflußrinnen, andere liefen weiter nach vorne. Kahlan mußte wieder an Cara denken und fragte sich, ob sie wohl noch lebte. Es schien einfach zu grausam, daß sie sterben sollte, bevor sie Gelegenheit bekam, das Leben zu genießen – ohne den Wahnsinn, der wie ein Schatten auf ihr lag.

Nach etlichen Abzweigungen war Kahlans Begleitung auf Nadine und zwei Soldaten geschrumpft. Der Gang war so schmal, daß sie im Gänsemarsch weitergehen mußten. Die niedrige Gewölbedecke zwang sie, sich zu ducken.

Kahlan sah nirgends Blut – wahrscheinlich benutzte Jagang die Kontrolle über Marlins Verstand, um zu verhindern, daß er weiter blutete – aber an mehreren Stellen entdeckte sie im schlimmen Dreck an den Wänden waagerechte Spuren. In dem niedrigen und engen Durchgang dürfte es schwer sein, die nahen Wände nicht zu streifen. Kahlan kam häufiger an die Wände, als ihr lieb war. Jedesmal, wenn sie mit der Hand auf der Schulter gegen die schmierigen Mauern stieß, schoß ein scharfer Schmerz durch ihren Körper. Marlin – Jagang – mußte durch denselben Gang gekommen sein und die Wand ebenfalls gestreift haben.

Sie empfand sowohl ein leicht berauschendes Gefühl der Erleichterung, daß sie ihm tatsächlich auf der Spur war, als auch eine schreckliche Angst bei dem Gedanken, ihn womöglich einzuholen.

Der gewölbte Durchgang wurde noch einmal schmaler und niedriger. Sie mußten tief in die Hocke gehen, um ihren Weg fortsetzen zu können. Die Flammen der Fackeln züngelten am Mauerwerk dicht über ihren Köpfen, und der Rauch kroch in Schwaden unter der Decke entlang und brannte ihnen in den Augen.

Dann begann der Gang steil abzufallen. Alle rutschten mehr als einmal aus und fielen hin. Nadine schürfte sich den Ellenbogen auf, als sie stürzte und dabei gleichzeitig versuchte, die Fackel nicht loszulassen. Kahlan wurde langsamer, blieb jedoch nicht stehen, während einer der Soldaten Nadine auf die Beine half. Die drei hatten sie rasch wieder eingeholt.

Weiter vorne hörte Kahlan Wasser rauschen.

Der enge Gang weitete sich zu einem breiten, röhrenähnlichen Tunnel. Wasser schäumte in einem reißenden Strom durch den runden Tunnel, der zum Abwassersystem unter dem Palast gehörte. Kahlan blieb stehen.

»Was jetzt, Mutter Konfessor?« fragte einer der Soldaten.

»Wir halten an unserem Plan fest. Ich gehe mit Nadine stromabwärts, nach rechts. Ihr zwei geht stromaufwärts nach links.«

»Wenn er versucht, nach draußen zu gelangen, wird er sich rechts gehalten haben«, wandte der Soldat ein. »Er wird darauf setzen, an derselben Stelle wie das Wasser ins Freie zu gelangen. Wir sollten Euch begleiten.«

»Es sei denn, er weiß, daß wir ihn verfolgen und versucht, uns in die Irre zu locken. Ihr zwei geht nach links. Kommt schon, Nadine.«

»Da rein? Das Wasser reicht mir bestimmt bis zur Hüfte.«

»Sogar noch höher, würde ich sagen. Normalerweise ist es nicht tiefer als ein oder zwei Fuß. Jetzt ist es gestiegen, wegen der Frühjahrsschmelze. Drüben auf der anderen Seite gibt es Trittsteine, aber die liegen nun knapp unter Wasser. In der Mitte der Stelle, wo der Gang in den Abflußkanal übergeht, steht ein länglicher Stein, auf den man beim Hinübersteigen treten kann.«

Kahlan machte einen großen Schritt und stellte einen Fuß mitten im reißenden Strom auf den beschriebenen Stein. Dann hob sie ihr anderes Bein über das rauschende Wasser und tastete sich vor, bis sie mit dem Fuß einen der Steine in der Nähe der gegenüberliegenden Wand gefunden hatte. Sie reichte Nadine die Hand und zog sie auf die andere Seite. Auf den Trittsteinen war das Wasser nur knöcheltief, dennoch durchweichte es rasch den Saum und lief in die Stiefel. Es war eiskalt.

»Seht Ihr?« Kahlans Stimme hallte von den Wänden wider. Hoffentlich trug sie nicht allzuweit. »Seid vorsichtig. Die Trittsteine liegen ein Stück weit auseinander.«

Kahlan trat auf den nächsten und gab Nadine die Hand, um ihr hinüberzuhelfen. Dann machte sie den Männern ein Zeichen, daß sie tunnelaufwärts gehen sollten.

Die beiden stiegen herüber und entfernten sich zügig in die Dunkelheit. Kurz darauf verschwand der Lichtschein ihrer Fackeln hinter einer Biegung, und Kahlan stand alleine mit Nadine im schwachen Schein einer einzigen Fackel. Sie hoffte, daß die nicht sobald abbrannte.

»Vorsichtig jetzt«, mahnte sie Nadine.

Nadine hielt sich die Hand wie einen Trichter hinters Ohr. Im Getöse des Wassers war kaum ein Wort zu verstehen. Kahlan wiederholte ihr die Warnung ins Ohr. Sie wollte nicht schreien und Jagang aufmerksam machen, falls er in der Nähe war.

Auch wenn die Fackel heller gebrannt hätte, die Sicht wäre vermutlich nicht viel besser gewesen. Der Abflußtunnel wand und bog sich auf seinem abfallenden Weg unterirdisch aus dem Palast heraus. Kahlan mußte sich mit einer Hand an der kalten, schleimigen Steinmauer abstützen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

An mehreren Stellen fiel der Tunnel sehr steil ab. Die Mauersteine an den Seiten folgten seinem Verlauf wie eine Treppe durch eine tosende Stromschnelle. Eiskaltes Wasser hing wie ein Nebel in der Luft und durchnäßte sie bis auf die Knochen.

Selbst auf den flacheren Abschnitten war es nicht möglich zu rennen, da sie gezwungen waren, vorsichtig von einem Stein auf den anderen zu treten. Wenn man zu schnell ging und einen Stein verfehlte, konnte man sich leicht den Fuß brechen. Hier unten im Tunnel, im Wasser, mit Jagang irgendwo in der Nähe, wäre es höchst ungünstig, sich zu verletzen. Das Blut, das ihr unentwegt den Arm hinunterlief, erinnerte Kahlan daran, daß sie sich bereits verletzt hatte. Aber wenigstens laufen konnte sie.

Just in diesem Augenblick stieß Nadine einen langen, spitzen Schrei aus und fiel ins Wasser.

»Laßt bloß die Fackel nicht los!« schrie Kahlan.

Nadine, bis zur Brust im reißenden Wasser, reckte die Fackel in die Höhe, um zu verhindern, daß sie gelöscht wurde. Kahlan packte sie am Handgelenk und suchte verzweifelt Halt, als die Strömung Nadine mit sich zog. Da war nichts, wo Kahlan sich mit ihrer anderen Hand hätte festhalten können. Sie hakte die Absätze ihrer Stiefel über die Kante des Trittsteins, um zu verhindern, daß sie ebenfalls mitgerissen wurde.

Nadine schlug, nach einem der Trittsteine suchend, mit ihrer freien Hand um sich. Sie fand einen und packte ihn. Mit Kahlans Hilfe zog sie sich wieder hoch.

»Gütige Seelen, ist das Wasser kalt.«

»Ich hab' doch gesagt, Ihr sollt vorsichtig sein!«

»Mich hat etwas, vermutlich eine Ratte, am Bein gestreift«, sagte sie und versuchte wieder zu Atem zu kommen.

»Bestimmt war sie tot. Ich habe welche vorübertreiben sehen. Jetzt paßt auf.«

Nadine nickte verlegen. Nadine war an Kahlan vorbeigespült worden und hatte so die Führung übernommen. Kahlan wußte nicht, wie sie problemlos ihre Positionen hätten tauschen sollen, also gab sie Nadine einfach ein Zeichen weiterzugehen.

Die Frau drehte sich um und wollte sich auf den Weg machen.

Plötzlich brach eine dunkle Gestalt aus den schwarzen Tiefen hervor. Triefend vor Wasser kam Marlin an die Oberfläche und packte Nadines Knöchel mit der einen Hand. Kreischend wurde sie mit den Füßen voran in das tintenschwarze Naß gezogen.

11

Im Fallen schlug Nadine mit der Fackel zu und erwischte Marlin auf der Nase. Er ließ sie los, während er wie von Sinnen versuchte, sich das brennende Pech aus den Augen zu wischen. Die Strömung riß ihn fort.