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Kahlan packte Nadine am Arm, mit dem sie die Fackel noch immer über Wasser hielt und half ihr zum zweiten Mal auf den Trittstein hinauf. Die beiden drückten sich mit dem Rücken flach an die Wand, rangen nach Luft und zitterten vor Schreck.

»Na schön«, sagte Kahlan schließlich, »wenigstens wissen wir jetzt, welche Richtung er eingeschlagen hat.«

Nadine schlotterte. Das Haar klebte ihr an Kopf und Hals. »Ich kann nicht schwimmen. Nun weiß ich, warum ich es nie lernen wollte. Es gefällt mir nicht.«

Kahlan lächelte in sich hinein. Die Frau hatte mehr Mumm, als sie vermutet hatte. Beim Gedanken daran, warum Nadine hier war und wer sie geschickt hatte, verschwand das Lächeln.

Dann wurde Kahlan bewußt, daß sie in der Plötzlichkeit des Überfalls die Gelegenheit verpaßt hatte, Jagang zu erledigen.

»Laßt mich vorangehen.«

Nadine hielt die Fackel mit beiden Händen. Kahlan legte ihr die Arme um die Hüften, dann drehten sie sich auf Zehenspitzen umeinander und tauschten auf dem Stein die Plätze. Die Frau war so kalt wie ein Fisch im Winter. Kahlan war nach dem Aufenthalt in den kalten Tunneln, wo ihr das eiskalte Wasser um die Knöchel spülte, nicht viel wärmer. Ihre Zehen waren taub.

»Was, wenn er stromaufwärts entkommt?« fragte Nadine.

»Das halte ich für unwahrscheinlich, mit nur einem Arm. Er wird sich an einem Trittstein festgehalten haben, so daß nur sein Gesicht aus dem Wasser schaute, während er versteckt im Wasser lag und auf uns lauerte.«

»Und wenn er es noch mal versucht?«

»Ich gehe jetzt voran. Dann kriegt er mich zu fassen, und das wird dann sein letzter Fehler sein.«

»Und wenn er wartet, bis Ihr vorüber seid, und dann auftaucht und wieder mich packt?«

»Dann müßt Ihr beim nächsten Mal eben noch fester zuschlagen.«

»Ich habe so fest zugeschlagen, wie ich konnte!«

Kahlan lächelte und drückte Nadine tröstlich den Arm. »Das weiß ich doch. Ihr habt genau das Richtige getan. Ihr habt Eure Sache gut gemacht.«

Zoll für Zoll schoben sie sich an der Wand entlang und passierten mehrere leichte Biegungen. Dabei hielten sie die ganze Zeit nach dem Gesicht von Marlin Ausschau, das ihnen jederzeit plötzlich aus dem Wasser entgegenblicken konnte. Die beiden erschraken jedesmal, wenn sie etwas entdeckten, stets jedoch stellte sich heraus, daß es nichts weiter war als ein Stück Treibgut.

Die Fackel flackerte inzwischen bedenklich und schien fast heruntergebrannt zu sein. Sämtliche Abflußkanäle führten nach draußen, und sie waren in diesem ein gutes Stück gelaufen. Kahlan wußte, der Tunnel mußte bald enden.

Sie war sich darüber im klaren, daß die Überlegung eher auf Hoffnung fußte denn auf Ortskenntnis. Als Mädchen hatte sie die Tunnel und Abflußkanäle hier unten ausgekundschaftet, allerdings nicht, wenn sie vom Schmelzwasser dermaßen angeschwollen waren. Zwar hatte sie eine recht gute Vorstellung davon, wo sie sich in etwa befand, ihren genauen Standort kannte sie dagegen nicht. Sie mußte daran denken, wie endlos ihr einige der Abflußkanäle damals vorgekommen waren.

Während sie so dahingingen, schien das tosende Geräusch des Wassers seinen Klang zu verändern. Kahlan war nicht sicher, was das zu bedeuten hatte. Vor ihnen machte der Tunnel einen Knick nach rechts.

Ein dumpfer Schlag, den sie eher spürte als hörte, ließ sie stehenbleiben. Sie streckte eine Hand aus, nicht nur, um Nadine zu stoppen, sondern auch als Zeichen, daß die andere sich still verhalten sollte.

Das nasse Mauerwerk der Wände leuchtete auf und reflektierte glitzernd den bläulichen Widerschein von irgend etwas hinter der Kurve. Ein dumpfes Heulen wurde immer heller, bis Kahlan es schließlich deutlich über dem Tosen des Wassers hören konnte.

Plötzlich schoß ein brodelnder Feuerball explosionsartig hervor. Wütendes gelbes und blaues Feuer, das den gesamten Tunnel füllte, kam kreisend und unter lautem Geheul auf sie zugerast.

Flüssiges Feuer, das in seiner alles verzehrenden Bedrohlichkeit zu kochen schien.

Zaubererfeuer.

Kahlan packte Nadine bei den Haaren. »Tief Luft holen!«

Nadine mit sich reißend, stürzte sich Kahlan knapp vor dem wütenden Getöse des kochenden Feuers ins Wasser. Das eiskalte Wasser war ein solcher Schock, daß sie es fast eingeatmet hätte.

Umgeben vom tosenden Wasser, war es schwierig, oben und unten zu unterscheiden. Kahlan riß die Augen auf. Über sich sah sie den schwankenden Lichtschein des Infernos. Nadine setzte alles daran, sich an die Oberfläche zu kämpfen. Kahlan stemmte sich mit ihrer Linken gegen die Unterseite eines Trittsteins, um unter Wasser zu bleiben, und hielt Nadine mit ihrem gesunden Arm ebenfalls unten. Nadine hatte panische Angst zu ertrinken und wollte sich losreißen. Auch Kahlan packte die Panik.

Als alles dunkel wurde, stieß Kahlan mit brennenden Lungen den Kopf durch die Oberfläche und riß Nadine mit sich hoch. Die Frau schluckte Wasser, hustete und versuchte keuchend Luft zu schöpfen. Lange, nasse Haarsträhnen verklebten die Gesichter der beiden.

Ein zweiter wirbelnder Feuerball raste den Tunnel entlang.

»Tief Luft holen!« schrie Kahlan.

Sie nahm einen tiefen Atemzug und tauchte unter, wobei sie Nadine mit sich riß. Und zwar keinen Augenblick zu früh! Kahlan wußte, vor die Wahl gestellt, hätte Nadine es vorgezogen, im Feuer zu sterben, statt zu ertrinken, aber das Wasser war ihre einzige Chance. Zaubererfeuer brannte mit todbringender Zielstrebigkeit, mit der Entschlossenheit des Zauberers, der es heraufbeschwor.

Lange hielten sie das nicht durch. Das Wasser war so kalt, daß sie bereits jetzt unkontrollierbar zitterten. Kaltes Wasser allein konnte einen Menschen töten. Sie durften nicht hier bleiben, sonst wäre es am Ende ebenso sicher mit ihnen vorbei, als wenn sie sich dem Zaubererfeuer aussetzten.

Durch Marlins Angriff hindurch war an Jagang nicht heranzukommen. Wenn sie ihn rechtzeitig erreichen wollten, gab es nur einen Weg: Sie würden unter dem Feuer hindurch müssen. Unter Wasser.

Kahlan unterdrückte ihre Panik, die sie bei der Vorstellung zu ertrinken befiel, vergewisserte sich, daß sie Nadines Hüfte sicher gefaßt hatte, dann stieß sie sich von dem Trittstein fort, an den sie sich geklammert hatte, als ginge es um ihr Leben.

Das grimmig nasse Wasser riß sie in seiner eiskalten Strömung fort.

Sie fühlte, wie sie sich unter Wasser um ihre eigene Achse drehte und dabei immer wieder gegen den Felsen stieß. Als sie mit der Schulter gegen etwas prallte, hätte sie fast losgebrüllt, doch die Vorstellung, ihren Atem mit einem Schlag zu verlieren, verschloß ihr die Kehle um so fester.

Als der Luftmangel zu stark wurde und ihr die Dunkelheit die Orientierung nahm, war ihr klar, daß sie auftauchen mußte. Sie hielt Nadine mit ihrem gesunden Arm an sich gepreßt. Mit der anderen Hand gelang es ihr, sich an einem Stein festzuhalten. Wegen des zusätzlichen Gewichts von Nadine kam es ihr vor, als würde ihr die Strömung den Arm aus dem Gelenk reißen.

Als sie auftauchte, war es hell. Keine zwanzig Fuß entfernt befand sich ein steinernes Gitterfenster. Das Licht des späten Nachmittags fiel durch die Öffnung oberhalb der Wasserlinie.

Kahlan zog Nadines Kopf über Wasser und drückte der Frau eine Hand auf den Mund.

Auf einem der Trittsteine seitlich von ihnen, in der Nähe des steinernen Gitters, das Gesicht von ihnen abgewandt, stand Marlin.

Kahlan sah die zersplitterten Schäfte von wenigstens einem Dutzend Pfeile, die aus seinem Rücken hervorlugten. Nach seinem Schwanken zu urteilen, als er auf den nächsten Stein trat, hatte Marlin sicher nicht mehr lange zu leben.

Der Stumpf seines linken Armes blutete nicht. Wenn sie sich nur darauf verlassen könnte, daß er starb, bevor er die Burg erreichte. Man konnte deutlich sehen, daß Jagang den verwundeten Mann unerbittlich weitertrieb. Sie hatte keine Ahnung, wozu der Traumwandler fähig war, wenn es darum ging, den Verstand des Mannes zu kontrollieren und ihn am Leben und in Bewegung zu halten. Das Leben, von dem er Besitz ergriffen hatte, scherte ihn nicht. Jederzeit war er bereit, Marlin für die Durchsetzung seiner Ziele jeden erdenklichen Schmerz zuzufügen.