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»Atmen!« brüllte Kahlan. »Atmen, Cara, atmen!«

Nadine klopfte der am Boden liegenden Frau auf den Rücken und entlockte ihr ein gurgelndes, feuchtes, würgendes Husten, das schließlich Ähnlichkeit mit einem eindeutigen, wenn auch japsenden Luftholen bekam.

Cara konnte zwar atmen, ihre Zuckungen fanden jedoch kein Ende. Kahlan fühlte sich hilflos.

»Ich gehe besser meine Sachen holen«, sagte Nadine.

»Was ist mit ihr?«

»Ich weiß es wirklich nicht. Ein Krampfanfall. Ich bin kein Fachmann, dennoch glaube ich, wir sollten etwas dagegen unternehmen. Vielleicht kann ich ihr helfen. Möglicherweise habe ich in meinem Beutel das Richtige für sie.«

»Ihr beide geht mit und zeigt ihr den Weg. Laßt eine Fackel hier.«

Nadine und die beiden Soldaten kletterten hastig die Leiter hoch, nachdem einer der beiden eine Fackel in eine Wandhalterung gesteckt hatte.

»Mutter Konfessor«, meinte Kommandant Harris, »es ist noch nicht lange her, da ist ein Raug'Moss im Saal der Bittsteller aufgetaucht.«

»Ein was?«

»Ein Raug'Moss. Aus D'Hara.«

»Ich weiß nicht viel über D'Hara. Was sind das für Leute?«

»Sie gehören einer geheimen Sekte an. Ich weiß selbst nicht viel über sie. Die Raug'Moss bleiben unter sich. Man sieht sie nur selten –«

»Kommt zur Sache. Was will er hier?«

»Dieser hier ist der Hohepriester persönlich. Die Raug'Moss sind Heiler. Er behauptet, er habe gespürt, daß ein neuer Lord Rahl Herrscher von D'Hara geworden ist, und sei gekommen, um seinem neuen Herrn seine Dienste anzubieten.«

»Ein Heiler? Steht nicht einfach so herum – geht und holt ihn. Vielleicht kann er helfen. Beeilt Euch.«

Kommandant Harris schlug sich mit der Faust aufs Herz, dann kletterte er rasch die Leiter hoch.

Kahlan zog Caras Kopf in ihren Schoß und versuchte, ihre Zuckungen zu beruhigen. Sie hatte keine Ahnung, was sie sonst tun sollte. Damit, wie man Menschen Schmerzen zufügte, kannte sie sich aus, wie man sie heilte, wußte sie kaum. Sie war es leid, Menschen Schmerzen zuzufügen. Sie hätte gern mehr darüber erfahren, wie man Menschen heilte. So wie Nadine.

»Haltet durch, Cara«, sagte sie leise, während sie die zitternde Frau hin und her wiegte. »Gleich kommt Hilfe. Haltet durch.«

Kahlans Blick wurde vom oberen Mauerabschnitt gegenüber angezogen. Die in Stein gemeißelten Worte starrten sie an. Wie alle Konfessoren kannte sie beinahe sämtliche Sprachen in den Midlands, Hoch-D'Haran jedoch nicht. Hoch-D'Haran war eine tote Sprache, nur wenige Menschen beherrschten diesen alten Dialekt.

Richard war dabei, Hoch-D'Haran zu lernen. Er und Berdine arbeiteten zusammen an der Übersetzung des Tagebuchs, das sie in der Burg der Zauberer gefunden hatten – Kolos Tagebuch, wie sie es genannt hatten –, das während des Großen Krieges vor dreitausend Jahren geschrieben worden war. Richard konnte die Prophezeiung an der Wand bestimmt verstehen.

Ihr wäre es lieber gewesen, wenn er es nicht könnte. Sie wollte nicht wissen, was sie besagte. Prophezeiungen bedeuteten doch nur Ärger.

Sie wollte nicht glauben, daß Jagang eine unbekannte, um sich greifende Epidemie der Qualen auf sie losgelassen hatte, aber sie fand auch keinen vernünftigen Grund, weshalb sie an seinem Wort zweifeln sollte. Die Soldaten trauten sich nicht einmal, herunterzukommen und festzustellen, weshalb Cara zu schreien aufgehört hatte. Sie hätte an ihrem eigenen Erbrochenen ersticken können. Etwas so Simples, und nicht etwa Magie, hätte ihr Tod sein können, weil alle sich fürchteten oder weil es niemanden scherte, ob sie starb.

»Haltet durch, Cara. Mir ist das nicht gleichgültig.« Sie strich der Mord-Sith das Haar aus der feuchtkalt verklebten Stirn. »Mir nicht. Wir wollen, daß Ihr überlebt.«

Kahlan drückte die zitternde Frau an sich, so als versuche sie, ihre Worte, ihre Besorgnis in die Frau hineinzupressen. Ihr fiel auf, daß Cara sich gar nicht so sehr von ihr unterschied. Auch die Mord-Sith war dafür abgerichtet worden, Menschen Schmerzen zuzufügen.

Alles in allem war Kahlan ihr ziemlich ähnlich. Sie benutzte ihre Kraft, um den Verstand eines Menschen zu zerstören. Sie wußte, daß sie es tat, um andere zu retten, trotzdem tat sie ihnen weh. Mord-Sith fügten Menschen ebenfalls Schmerzen zu, allerdings ging es ihnen darum, ihrem Herrn zu helfen, sein Leben zu erhalten – und das wiederum sollte die Existenz des d'Haranischen Volkes sichern.

Gütige Seelen, war sie nicht ebenfalls nur eine dieser Mord-Sith, die sie aus dem Wahnsinn zurückzuholen versuchte?

Kahlan spürte wie der Strafer, der um ihren Hals hing, gegen ihre Brust drückte, während sie Cara in den Armen hielt. War sie in mehr als einer Hinsicht eine Schwester des Strafers?

Wäre Nadine gleich zu Beginn getötet worden, hätte sie das gekümmert? Nadine half den Menschen. Sie verdiente ihren Lebensunterhalt nicht damit, daß sie ihnen Leid zufügte. Kein Wunder, daß Richard sich zu ihr hingezogen gefühlt hatte.

Sie wischte sich über die Wange, als die Tränen heftiger zu fließen begannen.

Ihre Schultern zuckten. Alles tat ihr weh. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als von Richard in die Arme genommen zu werden. Sicher würde er wütend sein, aber im Augenblick brauchte sie ihn so dringend. Es tat ihr an der Schulter weh, die zitternde Frau im Schoß zu halten, dennoch ließ sie nicht los.

»Haltet durch, Cara. Ihr seid nicht allein. Ich bin bei Euch. Ich lasse Euch nicht alleine. Das verspreche ich Euch.«

»Geht es ihr schon besser?« erkundigte sich Nadine, als sie hastig die Leiter heruntergeklettert kam.

»Nein. Sie ist immer noch bewußtlos und zittert genau wie vorher.«

Nadine kniete nieder und ließ ihren Beutel neben Kahlan zu Boden fallen. Die Gegenstände darin stießen mit gedämpftem Klingeln aneinander.

»Ich habe den Männern gesagt, sie sollen oben warten. Wir sollten sie erst dann woandershin schaffen, wenn wir sie aus diesem Zustand befreien können, und dabei wären sie nur im Weg.«

Nadine ging daran, verschiedene Gegenstände aus ihrem Beutel hervorzuholen. Kleine gefaltete Briefchen, Lederbeutel mit eingeritzten Markierungen und zugestöpselte Behälter aus Horn, in die ebenfalls Symbole geritzt worden waren.

»Blaues Wanzenkraut«, murmelte sie vor sich hin, während sie die rätselhaften Markierungen mit zusammengekniffenen Augen musterte. »Nein, ich glaube nicht, daß das etwas nützt, außerdem müßte sie mehrere Tassen davon trinken.« Sie holte mehrere weitere Lederbeutel hervor, bevor sie beim nächsten innehielt. »Gerebelte Winterwicke. Das könnte helfen, jedoch müßten wird sie irgendwie dazu bringen, daß sie es raucht.« Sie stöhnte gereizt. »Das wird nicht gehen.« Sie betrachtete nachdenklich ein Horn. »Beifuß«, murmelte sie und stellte es zur Seite. »Mutterkraut?« Sie legte das Horn in den feuchten Schoß ihres Kleides. »Ja, Zehrkraut könnte auch ganz nützlich sein«, befand sie, ein anderes musternd. Sie tat das Horn zu denen in ihrem Schoß.

Kahlan nahm eines der Hörner, die Nadine ausgemustert hatte, und zog den Korken heraus. Ein beißender Anisgeruch ließ sie zurückschrecken. Sie stopfte den Korken wieder hinein und legte es zurück.

Darauf nahm sie ein zweites zur Hand. In die Patina des Horns hatte man zwei tiefe Kreise geritzt. Durch die beiden Kreise ging ein waagerechter Strich. Kahlan ruckelte den hölzernen Stöpsel vorsichtig hin und her und versuchte, ihn herauszuziehen.

Nadine schlug Kahlan das Horn aus der Hand. »Nicht!«

Kahlan sah überrascht auf. »Entschuldigung. Ich hatte nicht die Absicht, in Euren Sachen herumzuschnüffeln. Ich wollte –«

»Nein, darum geht es nicht.« Sie nahm das Horn mit den zwei von einer Linie durchstoßenen Kreisen und hielt es in die Höhe. »Das ist pulverisierter Hundspfeffer. Wenn Ihr beim Öffnen nicht aufpaßt, könntet Ihr davon etwas auf die Hände, oder schlimmer noch, in die Augen bekommen. Es handelt sich um einen starken Wirkstoff, der einen Menschen für eine Weile handlungsunfähig macht. Wärt Ihr beim Offnen unachtsam gewesen, hättet Ihr geblendet und nach Luft japsend auf dem Boden gelegen, überzeugt, daß Euer Ende nahe sei.