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Sie zuckte mit einer Schulter. »Wir sind Kernländer, du und ich.« In der beklemmenden Stille drehte sie eine Locke um die Finger. »Tommy und die dürre Rita Wellington haben geheiratet.«

Richard betrachtete die Oberseite ihres gesenkten Kopfes, während sie weiter mit der Haarsträhne spielte. »Das war wohl zu erwarten. Jedenfalls wollten ihre Eltern das doch, oder?«

Nadine sah nicht von ihrer Haarsträhne auf. »Er prügelt ihr die Seele aus dem Leib. Einmal mußte ich ihr Umschläge machen und Kräuter geben, nachdem er sie an einer Stelle zum Bluten gebracht hat … du weißt schon, da unten. Die Leute sagen, es gehe sie nichts an, und sie tun, als wüßten sie nichts davon.«

Richard wußte nicht recht, worauf sie hinauswollte. Ganz sicher würde er nicht nach Kernland zurückgehen, um Tommy Lancaster so etwas wie ein anständiges Benehmen einzubleuen. »Jedenfalls, wenn er so weitermacht, werden ihm ihre Brüder am Ende noch eine Lektion erteilen und den Schädel einschlagen.«

Nadine sah nicht auf. »Das hätte ich sein können.« Sie räusperte sich. »Ich könnte mit Tommy verheiratet sein und jedem etwas vorheulen, der bereit wäre, sich anzuhören, wie … also, das hätte ich sein können. Ich hätte es sein können, die schwanger wird und sich fragen muß, ob er sie schlägt, bis sie auch dieses Kind verloren hätte.

Ich glaube, ich bin dir etwas schuldig, Richard. Und da du schließlich ein Junge aus Kernland bist … ich wollte einfach helfen, falls du in Schwierigkeiten bist.« Sie zuckte erneut mit einer ihrer Schultern. »Kahlan ist wirklich nett. Die meisten Frauen hätten … ich glaube, sie ist so ungefähr die hübscheste Frau, die ich je gesehen habe. Ganz anders als ich.«

»Ich war nie der Meinung, daß du mir etwas schuldig seist, Nadine. Ich hätte für jeden dasselbe getan, ganz gleich, über wen Tommy an jenem Tag hergefallen wäre. Aber dafür, daß du Kahlan geholfen hast, gebührt dir mein aufrichtiger Dank.«

»Sicher. Wahrscheinlich war es dumm von mir zu glauben, du hättest ihn deshalb daran gehindert, weil…«

Sie stand kurz davor, in Tränen auszubrechen, und Richard merkte, daß er sich nicht klar genug ausgedrückt hatte. Also legte er ihr sanft die Hand auf die Schulter. »Nadine, aus dir ist ebenfalls eine schöne Frau geworden.«

Sie sah auf, und ihr Lächeln wurde strahlender. »Du findest mich hübsch?« Sie strich ihr blaues Kleid über den Hüften glatt.

»Ich habe beim Mittsommernachtsfest nicht mit dir getanzt, weil du noch die kleine ungeschickte Nadine Brighton warst.«

Sie fing wieder an, die Haarlocke um den Finger zu wickeln. »Ich tanze gerne mit dir. Weißt du, daß ich die Buchstaben N. C. in meine Kiste mit der Aussteuer geschnitzt habe? Für Nadine Cypher.«

»Tut mir leid, Nadine. Michael ist tot.«

Sie sah stirnrunzelnd hoch. »Michael? Nein … der war damit nicht gemeint. Du warst gemeint.«

Richard entschied, daß die Unterhaltung weit genug gegangen war. Es gab wichtigere Dinge, um die er sich kümmern mußte.

»Ich bin jetzt Richard Rahl. Ich kann nicht in der Vergangenheit leben. Meine Zukunft liegt an Kahlans Seite.«

Nadine faßte ihn am Arm, als er sich abwenden wollte. »Tut mir leid. Das weiß ich. Ich weiß, daß ich einen großen Fehler gemacht habe. Mit Michael, meine ich.«

Richard fing sich gerade noch rechtzeitig, um eine beleidigende Entgegnung hinunterzuschlucken. Was hätte das für einen Sinn? »Ich weiß zu schätzen, daß du Kahlan geholfen hast. Ich nehme an, du möchtest dich auf den Weg zurück nach Hause machen. Erzähle allen, daß es mir gutgeht. Ich werde zu Besuch kommen, sobald –«

»Kahlan hat mich eingeladen, eine Weile hierzubleiben.«

Das erwischte Richard kalt. Kahlan hatte vergessen, ihm dies zu erzählen. »Oh. Und du möchtest also ein, zwei Tage bleiben?«

»Aber ja. Ich dachte, das würde mir gefallen. Ich war zuvor noch nie von zu Hause fort. Falls du einverstanden bist, meine ich. Ich möchte nicht…«

Richard befreite seinen Arm sachte aus ihrer Hand. »Also schön. Wenn sie dich eingeladen hat, dann bin ich einverstanden.«

Sie begann zu strahlen, als sei sie blind gegen die Ablehnung in seinem Gesicht. »Richard, hast du letzte Nacht den Mond gesehen? Alle sind ganz aufgeregt deswegen. Hast du ihn gesehen? War er so außergewöhnlich, so bemerkenswert, wie alle sagen?«

»Noch viel außergewöhnlicher«, antwortete er, während seine Stimmung sich verfinsterte.

Er marschierte davon, bevor sie noch ein weiteres Wort anbringen konnte.

Sein leises Klopfen rief eine rundliche Frau in Dienstbotenuniform an die Tür. Ihr gerötetes Gesicht blinzelte durch den schmalen Spalt. »Lord Rahl. Nancy ist der Mutter Konfessor gerade beim Anziehen behilflich. Sie wird in einer Minute fertig sein.«

»Beim Anziehen!« rief er gegen die sich schließende Tür. Der Riegel fiel mit einem Klicken an seinen Platz. »Sie sollte das Bett hüten!«

Da er keine Antwort bekam, beschloß er, lieber zu warten und keine Szene zu machen. Einmal, als er den Kopf hob, sah er, wie Nadine um die Ecke schaute. Ihr Gesicht verschwand sofort wieder. Er lief vor der Tür auf und ab und kam sich vor, als stünde er im Begriff, in eine andere Welt einzutreten. Der Palast der Konfessoren war ein Ort voller Pracht, voller Macht und Geschichte, aber mehr denn alle anderen Orte im Palast erinnerten ihn die Gemächer der Mutter Konfessor daran, daß er in Wirklichkeit nur ein Waldführer war. Er fühlte sich hier nicht in seinem Element.

Die Gemächer der Mutter Konfessor waren eben jener majestätische, stille Zufluchtsort, der einem Menschen angemessen war, vor dem Könige und Königinnen niederknieten. Hätte Richard diesen Raum gesehen, bevor er Kahlan kennengelernt hatte, wäre fraglich gewesen, ob er je den Mut aufgebracht hätte, sie anzusprechen. Selbst jetzt wurde er noch verlegen, wenn er daran dachte, wie er ihr, als er noch nicht wußte, wer und was sie war, beigebracht hatte, Fallen zu bauen und Wurzeln auszugraben.

Er mußte jedoch schmunzeln, wenn er daran dachte, wie lernbegierig sie sich gezeigt hatte. Zum Glück hatte er die Frau kennengelernt, bevor er die Stellung begriff, die sie bekleidete, und die Magie, über die sie gebot. Er dankte den Guten Seelen, daß sie in sein Leben getreten war, und betete, daß sie auf ewig ein Teil davon sein würde. Sie bedeutete ihm alles.

In den drei marmornen Feuerstellen im Salon der Mutter Konfessor brannte Feuer. Die schweren Vorhänge vor den zehn Fuß hohen Fenstern waren leicht geöffnet. Durch die hohen Schlitze fiel gerade genügend Licht herein, um Lampen überflüssig zu machen. Vermutlich paßte grelles Sonnenlicht nicht zu diesem Ort der Ruhe. Es gab nur wenige Häuser in Kernland, die in diesen Raum nicht hineingepaßt hätten.

Auf einem glänzenden Mahagonitisch an der Seite stand ein silbernes Tablett mit Tee, Suppe, Keksen, Birnenscheiben und braunem Brot. Nichts davon war angerührt. Der Anblick erinnerte ihn daran, daß er seit dem Mittag des vergangenen Tages nichts mehr gegessen hatte, schaffte es aber nicht, seinen Appetit anzuregen.

Die drei Frauen in den frischen, grauen Kleidern mit den Spitzenkragen und -manschetten blickten ihn erwartungsvoll an, als wollten sie sehen, ob er es wagen würde, einfach zur Mutter Konfessor hineinzugehen oder ein anderes skandalöses Betragen an den Tag zu legen.

Richard warf einen Blick auf die Tür gegenüber, und sein Sinn für Anstand ließ ihn die naheliegende Frage stellen: »Ist sie fertig angekleidet?«

Die Frau, die zuvor die Tür einen Spaltbreit geöffnet hatte, errötete. »Ich hätte Euch nicht hereingelassen, Sir, wäre sie es nicht.«

»Natürlich.« Er ging geräuschlos über die flauschigen, dunklen Teppiche. Dann blieb er stehen und sah sich um. Sie beobachteten ihn wie drei Eulen. »Danke, meine Damen. Das wäre dann alles.«

Sie verneigten sich und verabschiedeten sich widerstrebend. Als die letzte die Tür hinter sich zuzog und dabei einen verstohlenen Blick über die Schulter warf, wurde ihm bewußt, daß sie es vermutlich für den Gipfel der Ungehörigkeit hielten, wenn ein Mann, der mit einer Frau verlobt war, alleine mit ihr im Schlafzimmer zurückblieb. Und im Fall der Mutter Konfessor galt dies doppelt.