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»Ihn küßte?«

»Das hat sie gesagt.«

Richard richtete seinen wütenden Blick wieder auf das Fenster. »Das hat sie tatsächlich erzählt?«

»Was hat sie dann getan? Willst du damit sagen, du hättest sie erwischt, als sie –«

»Kahlan, gestern abend sind vor der Grube sechzehn Mann umgekommen, und ein Dutzend weitere überleben diesen Tag vielleicht nicht. Ich habe Leibwächter, denen ich die Frau, die ich liebe, nicht zum Schutz anvertrauen kann. Wir haben es mit einer Hexe zu tun, die ihr Leben zu einem Feldzug gegen uns gemacht hat. Wir haben es mit Jagang zu tun, der uns Botschaften in Gestalt wandelnder Toter schickt. Irgendwo laufen die Schwestern der Finsternis frei herum. Die halbe Armee in Aydindril ist krank und im Ernstfall kampfunfähig. Da sind Abgesandte, die auf eine Unterredung mit uns warten. Unten sitzt unter Bewachung ein Halbbruder von mir, von dessen Existenz ich keine Ahnung hatte. Ich glaube, wir haben Wichtigeres zu tun, als uns über Nadines … Nadines Probleme mit der Wahrheit zu unterhalten.«

Kahlan sah ihn einen Augenblick lang voller Zärtlichkeit an. »So schlimm steht es also. Jetzt weiß ich, was dieser Blick in deinen Augen zu bedeuten hat.«

»Weißt du noch, was du mir einmal erzählt hast? ›Laß nie eine schöne Frau den Weg für dich wählen, wenn ihr ein Mann den Blick verstellt‹.«

Sie legte ihm die Hand auf die Schulter. »Nadine wählte nicht den Weg für mich. Ich habe sie gebeten zu bleiben, weil ich meine Gründe dafür hatte.«

»Nadine hängt sich an das, was sie will, wie ein Hund an seine Witterung, aber ich spreche gar nicht über sie. Ich meine Shota. Sie weist dir einen Weg, und du läufst ihn schnurstracks entlang.«

»Wir müssen herausfinden, was sich am Ende dieses Weges befindet und welche Gründe Shota hat, ihn uns zu zeigen.«

Richard drehte sich wieder zur Glastür um. »Ich will wissen, was Marlin – Jagang – sonst noch gesagt hat. Jedes Wort. Ich möchte, daß du dich an jedes Wort erinnerst.«

»Wieso schreist du mich nicht an und bringst es hinter dich?«

»Ich will dich nicht anschreien. Du hast mir eine Todesangst eingejagt, indem du in die Grube gegangen bist. Ich will dich nur beschützen. Ich will dich heiraten.« Er drehte sich erneut um und sah ihr in die grünen Augen. »Ich glaube, ich weiß, wie es funktioniert. Mit den Schlammenschen, meine ich.«

Sie kam näher. »Wirklich? Und wie?«

»Zuerst erzähle mir alles, was Jagang gesagt hat.«

Richard betrachtete untätig die Burg der Zauberer, während sie die gesamte Geschichte durchging: Wie Jagang erzählt hatte, er habe sich das Ja'La-Spiel angesehen und daß der Name in seiner Muttersprache ›Spiel des Lebens‹ bedeutete. Daß er Zeuge jener großartigen Tat werden wolle, die Marlin begangen hatte, daß er wolle, daß Schwester Amelia zu ihm zurückkehrte, bevor er sich offenbart, daß er außer denen, die Richard zerstört hatte, noch andere Prophezeiungen gefunden und eine Prophezeiung mit verknüpfter Gabelung heraufbeschworen habe.

»Mehr weiß ich nicht«, endete sie. »Warum beobachtest du so aufmerksam die Burg?«

»Ich frage mich, warum Schwester Amelia dort hingegangen ist. Und was Marlin dort vorhatte. Hast du irgendeine Ahnung?«

»Nein. Jagang wollte es mir nicht verraten. Richard, hast du die Prophezeiung in der Grube gelesen?«

Sein Magen rebellierte. »Ja.«

»Und? Was bedeutet sie?«

»Das weiß ich nicht. Zuerst muß ich sie übersetzen.«

»Richard Rahl, vielleicht kannst du, ohne hinzusehen, sagen, daß ich es bin, die eintritt, aber ich brauche dir nicht in die Augen zu sehen, um zu wissen, daß du mir nicht die Wahrheit sagst.«

Richard lächelte nicht. »Prophezeiungen besagen mehr als ihre Worte. Das ist dir doch bekannt. Man hört nur die Worte, trotzdem muß sie nicht das bedeuten, wonach sie klingt. Wenn Jagang eine Prophezeiung gefunden hat, heißt das außerdem noch lange nicht, daß er sie heraufbeschwören kann.«

»Na ja, das stimmt allerdings. Ich habe ihm dasselbe geantwortet. Er meinte, der Beweis für die Richtigkeit käme mit einem roten Mond. Die Wahrscheinlichkeit ist nicht sehr groß –«

Richard wirbelte herum: »Wie bitte? Davon hast du mir vorher nichts erzählt. Was hat Jagang gesagt?«

Ihr Gesicht wurde blaß. »Ich hatte es ganz vergessen … erst als du davon sprachst … ich sagte zu Jagang, ich glaube ihm nicht – daß er die Prophezeiung heraufbeschworen habe. Er erwiderte, der Beweis dafür käme mit dem roten Mond. Weißt du, was das heißt, Richard?«

Richards Zunge fühlte sich geschwollen an. Er zwang sich zu blinzeln.

»Gestern nacht war der Mond rot. Ich habe mein ganzes Leben unter freiem Himmel verbracht. Noch nie habe ich etwas auch nur im entferntesten Ähnliches gesehen. Es war, als sehe man den Mond durch ein Glas Rotwein. Ich bekam eine Gänsehaut. Deswegen bin ich früher zurückgekommen.«

»Richard, was stand in der Prophezeiung? Sag es mir.«

Er starrte sie an und suchte nach einer Lüge, mit der er sie beschwichtigen konnte. Er fand keine.

Er flüsterte: »Dort stand: ›Mit dem roten Mond kommt der Feuersturm. Der, der mit der Klinge verbunden ist, wird mit ansehen, wie sein Volk stirbt. Wenn er nichts unternimmt, dann werden er und alle, die er liebt, in dieser Glut sterben, denn keine Klinge, sei sie aus Stahl oder aus Magie erschaffen, kann seinen Gegner berühren.‹«

Das Schweigen stand wie ein Echo im stillen Raum. Kahlan war erbleicht.

»Wie lautet der Rest? Jagang sagte, es handele sich um eine Prophezeiung mit verknüpfter Gabelung. Wie lautet der Rest?« Ihre Stimme brach. »Der andere Ast? Sag es mir, Richard. Und lüg mich nicht an. Wir stecken gemeinsam in dieser Geschichte. Wenn du mich liebst, dann wirst du es mir nicht vorenthalten!«

Geliebte Seelen, laßt sie die Worte hören, aber nicht meine Angst. Gebt mir die Kraft, ihr wenigstens das zu ersparen.

Seine linke Hand umklammerte das Heft des Schwertes. Die erhabenen Buchstaben des Wortes WAHRHEIT schnitten in seine Haut. Er kniff die Augen zusammen, um klar zu sehen.

Zeige keine Furcht.

»›Um das Inferno zu löschen, muß er das Heilmittel im Wind suchen. Im Blitzgewitter wird man ihn auf diesem Pfad sehen können, denn die Frau in Weiß, seine wahre Liebe, wird ihn in ihrem Blut verraten.‹«

16

Kahlan fühlte, wie ihr die Tränen übers Gesicht liefen.

»Richard.« Sie unterdrückte ein Schluchzen. »Richard, du weißt, ich würde niemals … du glaubst doch nicht, ich könnte jemals … ich schwöre es, bei meinem Leben. Niemals würde ich … du mußt mir glauben…«

Er zog sie in seine Arme, als sie die Beherrschung verlor und einen angsterfüllten Klagelaut ausstieß.

»Richard«, schluchzte sie an seiner Brust, »ich würde dich nie verraten. Um nichts auf dieser Welt. Nicht einmal, um den ewigen Qualen in der Unterwelt durch die Hand des Hüters zu entgehen.«

»Das weiß ich. Natürlich weiß ich das. Und du weißt ebensogut wie ich, daß man eine Prophezeiung nicht wörtlich nehmen darf. Laß dich davon nicht quälen. Genau das will Jagang. Er weiß nicht einmal selbst, was sie bedeutet, er hat sie einfach dort hingeschrieben, weil die Worte klangen wie etwas, das er hören wollte.«

»Aber … ich…« Sie bekam ihre Tränen nicht unter Kontrolle.

»Pst.« Er hielt sie mit seinen großen Händen an sich gedrückt.

Dann brach sich das Entsetzen der vergangenen Nacht und der noch schlimmere Schrecken der Prophezeiung in einem unkontrollierbaren Weinanfall Bahn. Nie hatte sie angesichts einer Schlacht geweint, aber in der Geborgenheit seiner Arme verlor sie die Fassung. Sie wurde von einer Flut aus Tränen fortgespült, die nicht weniger reißend war als der reißende Sturzbach im Tunnel unter dem Palast.

»Kahlan, du darfst nicht daran glauben. Bitte.«

»Aber dort steht … ich werde…«

»So hör mir doch zu. Habe ich dir nicht gesagt, du sollst nicht dort hinabsteigen, um Marlin zu verhören? Habe ich dir nicht gesagt, ich würde es selbst tun, sobald ich zurück bin, weil es zu gefährlich sei. Ich wollte nicht, daß du dort unten hingehst.«