»Und nicht eine von ihnen aus Liebe. Ich wurde nicht in Liebe empfangen, Nancy Aber mein Kind wird das sein, sollte ich je eins haben.«
»Um so mehr ein Grund, daß dies mit dem Segen der Guten Seelen geschieht – im heiligen Bund der Ehe.«
Kahlan verschwieg, daß die Guten Seelen sie an einen Ort zwischen den Welten gebracht hatten, um ihre Verbindung zu weihen. »Die Guten Seelen wissen, wie es in unseren Herzen aussieht, für keinen von uns gibt es einen anderen, noch wird es je einen anderen geben.«
Nancy machte sich an der Bandage zu schaffen. »Und Ihr seid ganz versessen darauf. Genau wie meine Tochter und ihr junger Freund.«
Wenn Nancy nur wüßte, wie versessen.
»Das ist es nicht. Ich sage nur, daß ich nicht will, daß Ihr zu mir hereingeplatzt kommt, sobald Richard bei mir ist. Man wird uns bald trauen. Wir sind einander unwiderruflich versprochen.
Zur Liebe gehört mehr, als nur ins Bett zu springen, müßt Ihr wissen. Zum Beispiel, einander ganz nahe zu sein, einander in den Armen zu liegen. Könnt Ihr das verstehen? Ich kann mich nicht gut von meinem zukünftigen Ehemann küssen und mir meine Wunden von ihm versorgen lassen, wenn Ihr alle zwei Minuten den Kopf zur Tür hereinsteckt, habe ich recht?«
»Ja, Mutter Konfessor.«
Nadine klopfte an die offene Tür. »Darf ich reinkommen?«
»Ja, natürlich. Hier, legt Euren Beutel auf das Bett. Ich komme jetzt allein zurecht, Nancy. Danke.«
Nancy schüttelte mißbilligend den Kopf und schloß die Tür hinter sich. Die Kräuterfrau setzte sich neben Kahlan aufs Bett und ging daran, den Verband vollständig abzulösen. Kahlan betrachtete Nadines Kleid mißtrauisch.
»Dieses Kleid, Nadine … es ist doch dasselbe, das Ihr gestern getragen habt, oder nicht?«
»Aber ja.«
»Es scheint –«
Nadine sah an sich herab. »Die Frauen haben es für mich gewaschen, aber es ist … Oh, jetzt weiß ich, worauf Ihr hinauswollt. Es ist im Tunnel aufgeplatzt, als wir baden gingen. An den Nähten war der Stoff teilweise eingerissen, also mußte ich es enger machen, um es noch zu retten.
Seit ich von zu Hause fortging, hatte ich nie viel Appetit, wenn ich daran dachte … ich meine, ich war so sehr mit der Reise beschäftigt, daher konnte ich es an den Nähten enger machen und das Kleid auf diese Weise retten. Es ist nicht zu eng. Es paßt wunderbar so.«
»Ich werde in Anbetracht Eurer Hilfe dafür sorgen, daß Ihr ein neues Kleid bekommt, das bequemer ist.«
»Aber nein. Dieses hier ist wunderbar.«
»Verstehe.«
»Hm, Eure Schnittwunde sieht heute morgen kein bißchen schlechter aus. Das ist ermutigend.« Sie wischte den alten Umschlag vorsichtig ab. »Ich sah Richard hinausgehen. Er wirkte aufgeregt. Ihr habt Euch doch hoffentlich nicht gestritten?«
Mit Kahlans Geduld hatte es ein Ende. »Nein. Er war aus einem anderen Grund erregt.«
Nadine unterbrach ihre Arbeit. Sie wandte sich ihrem Beutel zu und drehte sich mit einem Horn wieder um. Nachdem sie es geöffnet hatte, erfüllte der Duft von Kiefernpech die Luft. Kahlan zuckte zusammen, als Nadine es auf den Umschlag tupfte. Dann ging die Kräuterfrau daran, den Verband wieder um den Arm zu wickeln.
»Es gibt keinen Grund zur Besorgnis«, meinte Nadine in beiläufigem Ton. »Liebende haben oft ihre kleinen Streitereien. Aber nicht immer bedeutet das das Ende ihrer Beziehung. Richard wird bestimmt wieder zur Vernunft kommen. Nach einer Weile.«
»Genaugenommen«, sagte Kahlan, »erklärte ich ihm, daß ich Verständnis hätte für ihn und Euch. Für das, was vorgefallen ist. Deswegen war er so aufgebracht.«
Nadine wickelte langsamer. »Wie meint Ihr das?«
»Ich habe ihm von Eurer Geschichte erzählt, als Ihr Euch von ihm beim Küssen habt erwischen lassen. Über den kleinen ›Schubs‹, den Ihr ihm gabt. Wißt Ihr noch?«
Nadine zog die Enden des Verbandes herum. Plötzlich beeilten sich ihre Finger, sie miteinander zu verschnüren. »Ach, diese Geschichte.«
»Ja, diese Geschichte.«
Nadine vermied es aufzusehen. Sie schob Kahlan den Ärmel des Kleides über die Hand. Nachdem sie das Kleid über Kahlans Schulter gestreift hatte, ließ sie das Horn sofort in den Beutel zurückfallen.
»Das sollte genügen. Ich wechsele den Umschlag besser später noch einmal.«
Kahlan sah zu, wie Nadine den Beutel aufhob und zur Tür eilte. Sie rief ihren Namen. Die Frau blieb zögernd stehen und drehte sich halb herum.
»Es scheint, Ihr habt mich angelogen. Richard hat mir erzählt, was wirklich passiert ist.«
Nadines Sommersprossen verschwanden unter einer tiefdunklen Röte. Kahlan stand auf und deutete mit einer Handbewegung auf einen mit Quasten verzierten samtenen Sessel.
»Möchtet Ihr die Dinge vielleicht zurechtrücken? Mir Eure Version erzählen?«
Nadine stand einen Augenblick lang stocksteif da, dann sank sie in den Sessel. Sie faltete die Hände im Schoß und senkte den Blick auf sie. »Ich sagte doch schon, ich mußte ihm einen Schubs geben.«
»Das nennt Ihr einen Schubs?«
Nadine errötete noch mehr. »Na ja.« Sie machte eine vage Handbewegung. »Ich wußte, daß Jungs ihren Kopf verlieren, wenn es um ihre … ihre Lust geht. Ich dachte, das wäre für mich die beste Gelegenheit, ihn dazu zu bringen, mir einen Antrag zu machen.«
Kahlan war verwirrt, ließ es sich aber nicht anmerken. »Wie es scheint, war es dafür ein wenig spät.«
»Na ja, nicht unbedingt. Ich würde am Ende auf jeden Fall einen von ihnen bekommen, wenn ich mich von Richard so erwischen ließe, nackt, oben auf Michael, und offensichtlich mit einer Menge Spaß. Michael war ganz verrückt nach mir, soviel war sicher.«
Kahlan zog die Augenbrauen hoch. »Wie kamt Ihr auf die Idee, daß –?«
»Ich hatte mir alles genau überlegt. Richard würde nach mir eintreffen. Er würde mich auf Michaels Lanze sehen, wo ich vor Vergnügen schrie, und durch diesen Anblick und meine Bereitwilligkeit würde er von Lust übermannt werden. Dann würde er den Kopf verlieren und mich schließlich ebenfalls nehmen.«
Kahlan starrte benommen vor sich hin. »Wie wolltet Ihr Richard auf diese Weise für Euch gewinnen?«
Nadine räusperte sich. »Na ja, das war so: Ich habe mir ausgerechnet, Richard würde Gefallen daran haben, mich zu besitzen. Dafür wollte ich schon sorgen. Beim nächsten Mal wollte ich ihn dann zurückweisen. Und er nach einer Kostprobe wäre so verrückt nach mir, daß er mir einen Heiratsantrag machen würde.
Machte Richard mir keinen Antrag, und ich würde schwanger, dann könnte ich behaupten, das Kind sei von ihm, und dann würde er mich heiraten, weil es ja tatsächlich von ihm stammen konnte. War ich nicht schwanger, und er machte mir keinen Antrag, nun, dann wäre da noch immer Michael. Ich dachte, der Zweitbeste wäre immer noch besser als gar keiner.«
Kahlan wußte nicht, was tatsächlich geschehen war. Richard hatte es nicht gesagt. Sie befürchtete, Nadine könnte ihre Geschichte genau an diesem Punkt beenden. Kahlan konnte nicht gut zugeben, daß sie nicht wußte, was als nächstes geschehen war, schlimmer noch, sie hatte Angst zu hören, wie erfolgreich Nadines bizarrer Plan gewesen war. In der ersten Version, der Version des Kusses, hatte Richard sich abgewendet. Doch Kahlan wußte, daß diese Version nicht stimmte.
Sie beobachtete, wie die Ader seitlich an Nadines Hals pochte. Kahlan verschränkte die Arme und wartete.
Endlich fand Nadine ihre Stimme zurück und fuhr fort. »Na ja, so sah jedenfalls mein Plan aus. Er erschien mir durchaus erfolgversprechend. Ich rechnete mir aus, im günstigsten Fall Richard zu gewinnen und im ungünstigsten Michael.
Doch klappte es nicht so, wie ich dachte. Richard kam herein und erstarrte. Ich sah lächelnd über meine Schulter. Ich lud ihn ein, bei dem Spaß mitzumachen oder später zu mir zu kommen. Ich würde mich dann auch um ihn kümmern.«
Kahlan hielt den Atem an.