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»Muß ein hartes Leben gewesen sein.«

Drefan kehrte ihnen den Rücken zu und schien eine Weile in die Kerzen zu starren, bevor er weitersprach. »Immerhin war es ein Leben. Mein Leben. Dennoch war ich es leid, ständig in Furcht vor ihm zu leben.«

»Er ist tot«, sagte Richard. »Ihr braucht Euch nicht mehr vor ihm zu fürchten.«

»Deswegen bin ich hier. Als ich spürte, wie die Bande zerrissen, und man später bestätigte, daß er tot war, hielt ich mein privates Grauen für beendet. Man hat mich seit meiner Ankunft hier bewacht. Ich wußte, dieses Zimmer durfte ich nicht nach Belieben verlassen. Schließlich kannte ich den Ruf der Wachen, mit denen Ihr Euch umgebt. Dieses Risiko ging ich ein, als ich hierherkam.

Ob der neue Lord Rahl ebenfalls meinen Tod wollte, war mir nicht bekannt, aber ich beschloß, der stets über meinem Haupt schwebenden Todesdrohung ein Ende zu machen. Ich kam, um dem Herrscher D'Haras meine Dienste anzubieten, falls er diese wollte, oder mein Leben sollte, so dies sein Wille wäre, wegen des Verbrechens meiner Geburt verwirkt sein.

Wie auch immer, es hätte ein Ende. Ich will, daß es ein Ende hat.«

Drefan, dessen Augen feucht wurden, drehte sich zu Richard um.

»Ihr habt es gehört, Lord Rahl. Verzeiht mir oder tötet mich. Was auch immer, ich glaube nicht, daß es mir noch viel ausmacht, aber bringt die Sache zu Ende – so oder so.«

Seine Brust hob und senkte sich, und sein Atem ging schwer.

Richard musterte seinen Bruder in der trägen Stille. Kahlan konnte bestenfalls ahnen, was jetzt in ihm vorging: die Gefühle, die diese Überlegungen ausgelöst haben mochten, die Schatten der Vergangenheit und das Licht der Hoffnung auf das, was vielleicht einmal sein würde.

Schließlich streckte er die Hand aus.

»Ich bin Richard, Drefan. Willkommen im neuen D'Hara, einem D'Hara, das für die Befreiung von der Schreckensherrschaft kämpft. Wir kämpfen dafür, daß niemand mehr wie du in Angst leben muß.«

Die beiden Männer faßten sich am Handgelenk. Ihre großen, kräftigen Hände hatten dieselbe Größe.

Drefan sagte leise: »Ich danke dir … Richard.«

18

»Wie ich hörte, hast du Cara das Leben gerettet«, sagte Richard. »Ich möchte mich bei dir bedanken. Das kann dir nicht leichtgefallen sein, schließlich wußtest du, daß Cara eine meiner Leibwächterinnen ist, die dir am Ende vielleicht etwas antun würde … falls die Dinge sich für dich nicht gut entwickelten.«

»Ich bin ein Heiler. Das ist mein Beruf – Richard. Ich fürchte, es wird mir schwerfallen, dich beim Namen zu nennen und nicht ›Lord Rahl‹ – eine Weile jedenfalls. Ich spüre die Bande zu dir, zu dir als dem Herrscher Rahl.«

Richard zuckte verlegen die Achseln. »Ich kann mich noch immer nicht recht daran gewöhnen, daß die Menschen mich Lord Rahl nennen.« Er strich sich mit dem Finger über die Unterlippe. »Haben wir … weißt du, ob wir … noch weitere Halbgeschwister haben?«

»Da bin ich ganz sicher. Einige müssen überlebt haben. Einem Gerücht zufolge haben wir zumindest noch eine jüngere Schwester.«

»Eine Schwester?« Richard schmunzelte. »Wirklich? Eine Schwester. Was glaubst du, wo sie ist? Kennst du ihren Namen?«

»Tut mir leid, Lord … Richard; nun, wenigstens kenne ich ihren Namen: Lindie. In der Nachricht, die ich erhielt, hieß es, wenn sie noch lebte, müsse sie wenigstens vierzehn Jahre alt sein. Der Betreffende, der mir ihren Namen verriet, behauptete, er wisse nur ihren Vornamen und daß sie in D'Hara geboren sei, im Südwesten des Palastes des Volkes.«

»Sonst noch etwas?«

»Ich fürchte nein. Jetzt hast du alles gehört, was ich weiß.« Drefan wandte sich zu Kahlan. »Wie fühlt Ihr Euch? Hat diese Kräuterfrau, wie hieß sie doch gleich, Euch ordentlich zusammengeflickt?«

»Ja«, antwortete Kahlan. »Nadine hat ihre Sache gut gemacht. Es tut noch etwas weh, und mir dröhnt der Kopf ein wenig, wahrscheinlich wegen all der Dinge, die sich zugetragen haben. Vergangene Nacht habe ich wegen der Schmerzen in meiner Schulter nicht gut geschlafen, aber das war zu erwarten. Es geht mir gut.«

Er trat auf sie zu, und bevor sie wußte, wie ihr geschah, hatte er ihren Arm gepackt. Er hob ihn an, drehte ihn, zog daran, fragte jedesmal, ob es weh tue. Als er zufrieden war, stellte er sich hinter sie und umfaßte ihr Schlüsselbein mit den Fingern, während er ihr gleichzeitig die Daumen in den Halsansatz drückte. Ein Schmerz schoß ihre Wirbelsäule hoch. Das Zimmer verschwamm vor ihren Augen.

Er drückte unter ihrem Arm zu, dann hinten auf der Schulter. »So. Wie ist das?«

Kahlan ließ ihren Arm kreisen und stellte fest, daß der Schmerz stark nachgelassen hatte. »Viel besser. Vielen Dank.«

»Seid aber vorsichtig. Ich habe die Schmerzen teilweise betäubt, trotzdem muß der Arm in Ruhe verheilen, bevor Ihr ihn wieder richtig benutzen könnt. Habt Ihr noch Kopfschmerzen?« Kahlan nickte. »Mal sehen, was ich dagegen tun kann.«

An der Hand führte er sie zum Tisch und setzte sie auf einen Stuhl. Er ragte groß über ihr auf und versperrte ihr die Sicht auf Richard.

Drefan zog an ihren Armen, drückte und bearbeitete die Haut zwischen ihren Daumen und den Zeigefingern. Im Vergleich zu seinen Händen wirkten ihre so klein. Seine ähnelten denen von Richard. Groß und kräftig, wenn auch nicht so schwielig. Er preßte so stark, daß es schmerzte, aber sie beklagte sich nicht, denn sie fand, er müsse wissen, was er tue.

Da er unmittelbar vor ihr stand, mußte sie die Augen nach oben verdrehen, wenn sie nicht gezwungen sein wollte, auf seine enge Hose zu starren. Sie beobachtete, wie seine Hände die ihren kneteten – wie seine Finger sich über ihr Fleisch tasteten. Sie mußte daran denken, wie er Cara berührt hatte. Lebhaft erinnerte sie sich noch an die kräftigen Finger, die sich unter Caras rote Lederkleidung und zwischen ihre Beine geschoben hatten. Sich in sie hineingebohrt hatten.

Ohne Vorwarnung zog Kahlan ihre Hände zurück.

»Danke, es geht schon viel besser«, log sie.

Er sah lächelnd mit seinem stechenden, falkenartig blauäugigen Rahl-Blick auf sie herab. »So schnell habe ich Kopfschmerzen noch nie geheilt. Seid Ihr sicher, daß sie schon besser sind?«

»Ja. Es waren nur leichte Kopfschmerzen. Sie sind jetzt fort. Danke.«

»Gern geschehen«, antwortete er. Er betrachtete sie eine ganze Weile, das dünne Lächeln nach wie vor auf den Lippen. Endlich wandte er sich zu Richard um.

»Man sagte mir, du sollst der Mutter Konfessor hier angetraut werden. Du bist ein völlig anderer Lord Rahl als unser Vater. Darken Rahl hätte eine Heirat niemals in Betracht gezogen. Natürlich ist er wahrscheinlich nie von einer so wunderschönen Frau wie deiner Verlobten in die Ehe gelockt worden. Erlaubt, daß ich euch beiden meine Glückwünsche ausspreche. Wann ist die Hochzeit?«

»Bald«, warf Kahlan rasch ein und stellte sich neben Richard.

»Ganz recht«, stimmte Richard zu. »Bald. Das genaue Datum steht noch nicht fest. Wir … müssen zuvor noch einiges erledigen.

Hör zu, Drefan, ich könnte deine Hilfe gebrauchen. Wir haben eine Anzahl Verwundeter, und einige von ihnen befinden sich in ernstem Zustand. Sie wurden von demselben Mann verwundet, der auch Cara verletzt hat. Ich wüßte es wirklich zu schätzen, wenn du sehen könntest, was du für sie tun kannst.«

Drefan nahm seine Messer wieder an sich und steckte sie ein, ohne hinzusehen. »Deswegen bin ich hier: um zu helfen.« Er wollte zur Tür.

Richard faßte ihn am Arm. »Laß mich besser vorgehen. Solange ich keinen anderen Befehl gebe, stirbst du, wenn du das Zimmer vor mir verläßt. Das wollen wir schließlich nicht.«

Als Richard Kahlans Arm nahm und sich zur Tür umdrehte, trafen sich für einen Augenblick ihrer und Caras Blick. Ihr Gehör habe keinen Schaden erlitten, hatte Drefan gesagt. Sie hatte alles mitbekommen, auch wenn sie nicht hatte reagieren können. Sie muß gehört haben, wie Kahlan ihn gewarnt hatte, sie nicht noch einmal dort unten zu berühren. Sie muß gewußt haben, was Drefan tat, war aber nicht in der Lage gewesen, ihn daran zu hindern. Kahlans Gesicht brannte, wenn sie daran dachte.