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Sie drehte sich um und drückte beim Hinausgehen Richards Hand.

Richard blickte rechts und links den Flur entlang, und als er niemanden sah, schob er sie rückwärts gegen die holzgetäfelte Wand vor ihren Gemächern und drückte ihr einen Kuß auf die Lippen. Sie war froh, daß Drefan ihre Schmerzen im Arm ein wenig gelindert hatte. Es tat kaum noch weh, wenn sie Richard die Arme um den Hals schlang.

Sie stöhnte, als ihre Lippen sich berührten. Der lange Tag hatte sie ermüdet, und ihr Arm schmerzte immer noch ein bißchen, doch stöhnte sie weder vor Müdigkeit noch vor Unbehagen – sondern aus Verlangen.

Er zog sie in seine Arme und drehte sich so, daß er statt ihrer mit dem Rücken an der Wand lehnte. Er drückte sie mit seinen kräftigen Armen an seinen Körper und hob sie, als sein Kuß fordernder wurde, fast mit den Zehen vom Boden. Sie biß ihm zärtlich in die Unterlippe, dann löste sie sich, um Luft zu holen.

»Ich kann gar nicht recht glauben, daß weder Nancy noch eine ihrer Aufpasserinnen hier auf uns wartet«, wunderte sich Richard.

Sie hatten ihre Bewacher hinter einer Ecke zurückgelassen. Endlich waren sie allein – ein seltener Luxus. Kahlan war zwar unter Menschen aufgewachsen, aber jetzt fand sie ihre ständige Gegenwart ermüdend. Es lag ein großer Wert darin, einfach seine Ruhe zu haben.

Sie drückte ihm schnell einen neckischen Kuß auf die Lippen. »Ich glaube nicht, daß Nancy uns behelligen wird.«

»Bestimmt nicht?« fragte Richard mit einem verschmitzten Grinsen. »Aber, Mutter Konfessor, wer wacht denn jetzt über Eure Tugend?«

Sie gab ihm einen zarten Kuß. »Gütige Seelen, hoffentlich niemand.«

Er überraschte sie mit einem plötzlichen Themenwechsel. »Was hältst du von Drefan?«

Auf diese Frage war sie nicht vorbereitet. »Und du?«

»Ich hätte gerne einen Bruder, dem ich vertrauen und an den ich glauben kann. Er ist ein Heiler. Unser Heiler war beeindruckt, wie er einigen der Männer geholfen hat. Er meinte, wenigstens einer von ihnen werde nur dank Drefans Zutun überleben. Nadine war mehr als nur ein wenig neugierig auf die Kräutermischungen, die er in den Lederbeuteln an seinem Gürtel bei sich trägt. Die Vorstellung, einen Bruder zu haben, der den Menschen hilft, gefällt mir. Etwas Nobleres als das kann es nicht geben.«

»Glaubst du, er besitzt Magie?«

»In seinen Augen habe ich nichts davon gesehen. Ich bin sicher, sonst hätte ich sie erkannt. Ich kann nicht erklären, wie ich Magie spüre. Manchmal sehe ich sie um einen Menschen in der Luft funkeln oder jemandem an den Augen an, doch bei Drefan ist mir nichts dergleichen aufgefallen. Meines Erachtens ist er einfach ein begabter Heiler.

Ich bin ihm dankbar, daß er Cara gerettet hat. Was er zumindest behauptet. Nun, was wäre, wenn sie sich nach Marlins Tod und nachdem die Verbindung zu ihm unterbrochen war, von selbst erholt hätte?«

Daran hatte Kahlan nicht gedacht. »Du traust ihm also nicht?«

»Ich weiß nicht recht. Nach wie vor glaube ich nicht an Zufälle.« Er seufzte ungeduldig. »Kahlan, du mußt ganz ehrlich sein. Du darfst nicht zulassen, daß ich mich blenden lasse, nur weil er mein Bruder ist und ich ihm vertrauen will. Ich war noch nie besonders sicher in meinem Urteil, wenn es um einen Bruder ging. Wenn du irgendeinen Grund hast, an ihm zu zweifeln, dann sag ihn mir.«

»Einverstanden,«

Er beugte sich zu ihr vor. »Du könntest mir zum Beispiel erklären, warum du ihn angelogen hast.«

Kahlan runzelte die Stirn. »Was meinst du?«

»Bei den Kopfschmerzen. Ich konnte sehen, daß sie nicht verschwunden waren. Wieso hast du ihm erzählt, sie seien weg?«

Kahlan legte ihm die Hand an die Wange.

»Ich wünsche dir wirklich einen Bruder, auf den du stolz sein kannst, Richard, aber ich will, daß auch alles mit rechten Dingen zugeht. Wahrscheinlich hat mich deine Bemerkung über Zufälle stutzig werden lassen, das ist alles.«

»Sonst noch was, außer meiner Bemerkung über Zufälle?«

»Nein. Ich hoffe, er kann deinem Herzen ein wenig Bruderliebe bringen. Ich bete dafür, daß es nicht mehr als ein kleiner Zufall ist.«

»Ich auch.«

Sie drückte ihn liebevoll. »Ich weiß, die weiblichen Dienstboten sind ganz aus dem Häuschen wegen ihm. Vermutlich wird er bald die ersten Herzen brechen, nach all den schwärmerischen Blicken, die ich gesehen habe.

Ich verspreche dir, Bescheid zu sagen, wenn er mir einen Grund zu der Annahme gibt, daß etwas nicht stimmt.«

»Danke.«

Er hatte bei ihrer Bemerkung über die Frauen, die Drefan ausnahmslos mochten, nicht gelächelt. Richard hatte nie Eifersucht gezeigt, dazu hatte er keinen Grund, auch wenn sie kein Konfessor gewesen wäre. Trotzdem, da war diese schmerzliche Geschichte mit Michael, die, das wurde ihr jetzt klar, Vernunft vielleicht weniger wichtig machte. Sie wünschte sich, sie hätte nicht davon angefangen.

Er fuhr ihr mit den Fingern durchs Haar, hielt ihren Kopf mit beiden Händen und küßte sie. Sie wich zurück.

»Warum hast du Nadine heute nachmittag mitgenommen?«

»Wen?«

Er beugte sich wieder über sie. Sie wich zurück.

»Nadine. Hast du sie etwa schon vergessen? Die Frau in dem engen Kleid.«

»Ach, diese Nadine.«

Sie piekste ihm in die Rippen. »Dir ist das Kleid also auch aufgefallen?«

Er runzelte die Stirn. »Fandest du, daß heute etwas daran anders war?«

»O ja, da war etwas anders. Warum hast du sie mitgenommen?«

»Weil sie eine Heilerin ist. Sie ist kein schlechter Mensch – sie hat ihre guten Seiten. Ich dachte, wo sie ohnehin hier ist, könnte sie sich wenigstens nützlich machen. Vielleicht fühlt sie sich dann auch ein bißchen besser. Ich habe sie überwachen lassen, ob die Männer den Löscheichentee auch richtig aufgesetzt hatten und ob er stark genug war. Sie schien froh zu sein, helfen zu können.«

Kahlan mußte an Nadines Lächeln denken, als Richard sie gebeten hatte, ihn zu begleiten. Froh gewesen war sie schon, das stimmte, aber nicht nur, weil sie helfen konnte. Das Lächeln hatte Richard gegolten. Wie auch das Kleid.

»So«, neckte Richard, »genau wie all die anderen Frauen denkst du also auch, Drefan sehe gut aus?«

Sie fand seine Hose zu eng. Abermals zog sie Richard an sich und küßte ihn, in der Hoffnung, er würde nicht bemerken, daß sie rot wurde, und dafür den falschen Grund annehmen.

»Wer?« hauchte sie verträumt.

»Drefan. Hast du ihn schon vergessen? Der Mann in der engen Hose?«

»Tut mir leid, ich kann mich nicht an ihn erinnern«, sagte sie und gab ihm einen Kuß auf den Hals, und beinahe stimmte es sogar. Sie sehnte sich nach Richard und nach sonst gar nichts.

In ihren Gedanken war kein Platz für Drefan. Sie dachte an fast nichts anderes als an die Zeit, die sie mit Richard an jenem seltsamen Ort zwischen den Welten verbracht hatte, wo sie wie nie zuvor oder danach zusammengewesen waren – wirklich zusammen. So wollte sie ihn wieder haben. Und zwar jetzt.

An seinen Händen, die ihren Rücken hinabglitten, und an der fordernden Art, wie er sie auf den Hals küßte, erkannte sie, daß er das gleiche wollte, und ebenso sehr.

Aber sie wußte auch, daß Richard auf keinen Fall den Eindruck erwecken wollte, er sei so wie sein Vater. Niemand sollte glauben, sie sei für ihn dasselbe, als das Darken Rahl die Frauen betrachtet hatte: ein vergnügliches Abenteuer für den Herrscher D'Haras. Deshalb ließ er sich auch so mühelos von ihren Zofen in die Schranken weisen. Trotz seiner verzweifelten Einwände setzte er sich nie über sie hinweg, wenn sie ihn verscheuchten.

Auch die drei Mord-Sith schienen Kahlan davor bewahren zu wollen, als etwas Geringeres zu erscheinen denn die wahre Verlobte des Herrschers von D'Hara. Wann immer Richard mit dem Gedanken spielte, nachts ihr Zimmer aufzusuchen, und sei es nur, um zu reden, waren stets entweder Cara, Berdine oder Raina zur Stelle und stellten ein paar spitze Fragen, mit denen sie ein Treffen verhinderten. Wenn Richard daraufhin eine finstere Miene aufsetzte, erinnerten sie ihn daran, daß er ihnen befohlen hatte, die Mutter Konfessor zu beschützen. Diesen Befehl hatte er nie zurückgenommen.