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Zedd sah zur verschwiegenen Tür des Gasthauses hinüber.

»Es gefällt mir immer noch nicht«, tuschelte er. »Irgend etwas stimmt hier nicht. Wenn ich nur wüßte, was.«

Endlich fragte sie: »Also, wie wollen wir jetzt weiter vorgehen?«

»Ich dachte, das Reden wolltest du übernehmen.«

»Tja, du hast mich vermutlich überzeugt, daß Vorsicht geboten ist. Was sollen wir deiner Meinung nach tun?«

»Ich gehe alleine rein und bitte um ein Zimmer. Du wartest draußen. Wenn ich ihn finde, bevor er das Haus verläßt, überrasche ich ihn. Wenn er rauskommt, bevor ich ihn aufgetrieben habe, oder wenn etwas … schiefgeht, greifst du ihn dir.«

»Nathan ist ein Zauberer, Zedd. Ich besitze nur schwache Magie. Wenn er seinen Rada'Han noch um den Hals hätte, könnte ich ihn mühelos kontrollieren, aber er trägt ihn nicht mehr.«

Zedd ließ sich das einen Augenblick durch den Kopf gehen. Sie durften nicht riskieren, daß er entkam. Außerdem konnte Ann etwas zustoßen. Es könnte schwierig werden, wenn sie Nathan ein zweites Mal suchen müßten. Wenn er erst wußte, daß sie ihm auf den Fersen waren, würde er vielleicht hinter die Geschichte mit der Spürwolke kommen und sich von ihr befreien. Das war allerdings nicht wahrscheinlich.

»Du hast recht«, sagte er schließlich. »Ich lege draußen vor der Tür ein Netz, das ihn zum Stolpern bringt, wenn er herauskommt. Dann kannst du ihm diesen höllischen Ring um den Hals legen.«

»Klingt gut. Welche Art Netz willst du benutzen?«

»Wie du selbst gesagt hast, dürfen wir auf keinen Fall versagen.« Er musterte ihre Augen im schlechten Licht. »Verdammt! Ich kann nicht glauben, daß ich das tatsächlich tue«, murmelte er. »Gib mir mal für einen Augenblick den Halsring.«

Ann suchte unter ihrem Gewand nach dem Beutel an ihrer Hüfte. Als ihre Hand zum Vorschein kam, schimmerte matt das Licht des roten Mondes auf dem Rada'Han.

»Den hat er getragen?« fragte Zedd.

»Fast eintausend Jahre lang.«

Zedd brummte. Er nahm den Halsring in die Hände, ließ seine Magie in diesen kalten Gegenstand der Unterjochung fließen und vermischte sie mit der Magie des Halsrings. Er fühlte das warme Summen der Additiven Magie des Halsrings, und er fühlte das eiskalte Kribbeln seiner Subtraktiven Magie.

Er gab ihr den Halsring zurück. »Ich habe den Bann auf seinen Rada'Han abgestimmt.«

»Was für einen Bann hast du dir ausgedacht?« fragte sie mißtrauisch.

Er sah die Entschlossenheit in ihren Augen. »Einen Lichtbann. Wenn er ohne mich herauskommt … hast du zwanzig Schläge seines Herzens Zeit, ihm das hier um den Hals zu legen, oder das Lichtnetz zündet.«

Wenn sie ihm den Halsring nicht rechtzeitig umlegen konnte, um den Bann auszulöschen, würde Nathan verbrennen. Ohne den Halsring gäbe es für Nathan vor einem solchen Bann kein Entrinnen. Mit ihm würde er zwar dem Bann entkommen, doch dafür gäbe es dann kein Entkommen vor ihr.

Ein Dilemma.

Zedd mochte sich in diesem Augenblick nicht besonders.

Ann seufzte schwer. »Wenn jemand anderes herauskommt, löst er ihn doch nicht aus, oder?«

Zedd schüttelte den Kopf. »Ich werde ihn mit der Spürwolke verbinden. Der Bann wird ihn erkennen, und zwar nur ihn und allein daran.«

Er senkte warnend die Stimme. »Wenn es dir nicht gelingt, ihm das Ding rechtzeitig umzulegen, und das Netz zündet, dann werden auch andere in Nathans Nähe verletzt oder getötet werden, wenn sie zu nahe dran sind. Kannst du ihm also das Ding aus irgendeinem Grund nicht umlegen, dann sorge dafür, daß du rechtzeitig verschwindest. Gut möglich, daß er lieber sterben will, als dieses Ding noch einmal um den Hals zu tragen.«

20

Zedd schlenderte, sich gemächlich umsehend, in die düstere Gaststube und mußte feststellen, daß sein schweres kastanienbraunes Gewand mit den schwarzen Ärmeln und den von einer Kapuze überdeckten Schultern hier fehl am Platz war. Das weiche Licht der Lampen stellte die drei Reihen Silberbrokat an jeder Manschette und den breiteren Goldbrokatstreifen, der rings um den Hals und senkrecht die Vorderseite hinunterlief, protzig heraus. Ein roter Samtgürtel mit einer goldenen Gürtelschnalle raffte das prächtige Gewand an der Hüfte.

Er vermißte seine schlichten Kleider, doch die hatte er vor langem abgelegt – auf Adies Drängen. Die alte Magierin hatte diese Maskerade persönlich für ihn ausgesucht. Für mächtige Zauberer war eine schlichte Ausstaffierung so etwas wie eine militärische Uniform. Zedd vermutete jedoch, seine alten Kleider hatten ihr einfach nicht gefallen.

Er vermißte Adie. Ihr mußte das Herz brechen, weil sie ihn vermutlich für tot hielt. Das bereitete ihm Kummer. Fast alle hielten ihn für tot. Vielleicht würde er Ann, sobald sie Zeit hätten, bitten, eine Nachricht zu schreiben, um Adie mitzuteilen, daß er noch lebte.

Am meisten Sorgen machte er sich allerdings um Richard. Der Junge brauchte ihn. Richard hatte die Gabe, und ohne rechte Anweisung war er so hilflos wie ein aus dem Nest gefallenes Adlerküken. Wenigstens hatte Richard das Schwert der Wahrheit, das ihn erst einmal beschützte. Zedd hatte vor, seinen Enkel aufzusuchen, sobald sie Nathan gefaßt hatten. Lange würde es nicht mehr dauern, dann konnte er sich auf den Weg zu Richard machen.

Der Wirt musterte Zedds auffallende Kleidung, dabei blieb sein Blick an der goldenen Gürtelschnalle hängen. Eine Ansammlung hagerer Gäste in Fellen, abgerissenem Leder und zerlumpten Wollklamotten bedachte ihn aus den Nischen an der Wand rechts von ihm mit neugierigen Blicken. Zwei grobgezimmerte Tische standen unbesetzt auf dem mit Stroh bestreuten Fußboden und warteten auf Gäste.

»Das Zimmer kostet eine Silbermünze«, verkündete der Wirt gelangweilt. »Wenn Ihr Gesellschaft wollt, macht das noch eine Silbermünze.«

»Wie es scheint, erweist sich meine Kleiderwahl als recht kostspielig«, merkte Zedd an.

Der stämmige Wirt lächelte mit einem Mundwinkel und streckte seine fleischige Hand aus, die Handfläche nach oben. »Es kostet, was es kostet. Wollt Ihr jetzt ein Zimmer oder nicht?«

Zedd ließ eine einzelne Silbermünze in die Hand des Mannes gleiten.

»Dritte Tür links.« Er deutete mit einem Nicken seines braunen Lockenkopfs hinten auf den Flur. »An Gesellschaft interessiert, alter Mann?«

»Ihr müßtet mit der Dame teilen, die gerade gerufen hat. Ich dachte, vielleicht hättet Ihr Interesse, ein wenig mehr Profit zu machen. Sehr viel mehr.«

Die Brauen des Mannes zuckten neugierig, während seine Hand sich um die Silbermünze schloß.

»Und das heißt?«

»Nun, wie ich hörte, ist ein guter alter Freund von mir dafür bekannt, daß er hier absteigt. Ich habe ihn eine ganze Weile nicht gesehen. Wäre er heute abend hier, und könntet Ihr mich zu seinem Zimmer führen, wäre ich vor Glück und Freude so überwältigt, daß ich mich törichterweise von einer Goldmünze trennen würde. Von einer ganzen Goldmünze.«

Der Mann musterte ihn erneut von Kopf bis Fuß.

»Hat dieser Freund von Euch einen Namen?«

»Nun«, Zedd senkte die Stimme, »wie viele Eurer anderen Gäste hat er mit Namen seine Schwierigkeiten – er scheint sie einfach nicht lange behalten zu können und muß sich ständig neue ausdenken. Aber ich kann Euch verraten, daß er groß ist, älter und weißes Haar hat, das ihn bis hinunter auf die Schultern reicht.«

Der Mann beulte mit der Zunge die Innenseite seiner Wange aus. »Er ist zur Zeit … beschäftigt.«

Zedd holte die Goldmünze hervor, steckte sie aber wieder ein, als der Wirt danach greifen wollte. »Das sagt Ihr. Ich würde gerne selbst entscheiden, wie beschäftigt er ist.«

»Das macht noch eine Silbermünze.«

Zedd zwang sich, seine Stimme im Zaum zu halten. »Wofür?«

»Für die Zeit und die Gesellschaft der Dame.«

»Ich habe nicht die Absicht, mich Eurer Dame zu bedienen.«