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»Eine Nachricht? Was für eine Nachricht?«

William stopfte sein Hemd in die Hose, dann griff er in eine Hosentasche und zog einen ledernen Geldbeutel heraus. Er schien voller Münzen zu sein.

William öffnete den Beutel umständlich. »Sie ist hier drin, zusammen mit dem Geld, das er mir gab.«

Zedd entriß dem Mann den Beutel. »Ich sehe selber nach.«

Der Geldbeutel enthielt überwiegend Goldmünzen, dazu ein wenig Silber. Zedd nahm eine der Münzen zwischen Daumen und Zeigefinger. Er spürte das leichte Nachkribbeln von Magie. Die Münzen waren ursprünglich wahrscheinlich Kupferstücke gewesen, und Nathan hatte sie in Gold verwandelt.

Zedd hatte gehofft, daß Nathan diesen Trick nicht kenne. Gegenstände in Gold zu verwandeln war gefährliche Magie. Selbst Zedd tat das nur, wenn ihm keine andere Wahl blieb.

Im Beutel, neben den Münzen, steckte ein zusammengefaltetes Stück Papier. Er zog es heraus, drehte es in den Fingern um und unterzog es in dem schwachen Licht einer genauen Prüfung, dabei achtete er aufmerksam auf jede Art magischer Fallstricke, die womöglich damit verbunden waren.

William zeigte darauf. »Das ist der Zettel, den er mir gab. Er sagte, ich solle ihn Euch geben, wenn Ihr mich schnappt.«

»Und weiter? Hat er noch etwas gesagt, außer daß du mir diese Nachricht übergeben sollst?«

»Na ja, als wir uns trennten, zögerte er kurz und trug mir noch auf: ›Sag Zedd, es ist nicht, was er denkt.‹«

Zedd dachte einen Augenblick darüber nach. »Wohin ist er gegangen?«

»Weiß ich nicht. Ich saß auf meinem Pferd, und er war nach wie vor zu Fuß. Er sagte, ich solle losreiten, dann gab er meinem Pferd einen Klaps auf den Hintern, und ich ritt los.«

Zedd warf William den Beutel zu. Während er den Mann weiter im Auge behielt, faltete er das Papier auseinander. Im schwachen Schein der einen Kerze überflog er die Nachricht.

Entschuldige, Ann, aber ich habe wichtige Dinge zu erledigen.

Eine von unseren Schwestern steht im Begriff, eine große Dummheit zu begeben. Ich muß sie daran hindern, wenn ich kann. Sollte ich dabei umkommen, möchte ich, daß du weißt, wie sehr ich dich liebe, doch ich nehme an, das war dir bereits klar. Solange ich dein Gefangener war, konnte ich es nie aussprechen. Zedd, wenn der Mond rot aufgeht, wie ich es erwarte, dann schweben wir alle in tödlicher Gefahr. Geht der Mond drei Tage lang rot auf, bedeutet dies, daß Jagang eine Prophezeiung mit verknüpften Ästen heraufbeschworen hat. Du mußt zum Jocopo-Schatz gehen. Wenn du statt dessen wertvolle Zeit darauf verschwendest, mich zu verfolgen, werden wir alle sterben, und der Kaiser wird den gesamten Gewinn einstreichen. Eine Prophezeiung mit verknüpften Asten zwingt seinem Opfer ein Dilemma auf. Tut mir leid, Zedd, aber das genannte Opfer ist Richard. Mögen die Seelen seiner gnädig sein. Wenn mir die Bedeutung der Prophezeiung bekannt wäre, würde ich sie dir mitteilen, doch das ist leider nicht der Fall – die Seelen haben mir den Zugang zu ihr verweigert. Ann, begleite Zedd. Er wird deine Hilfe brauchen. Mögen die Guten Seelen mit euch beiden sein.

Zedd blinzelte, um seinen verschwommenen Blick zu klären. Dann sah er den Fleck. Er drehte die Nachricht um und sah, daß der Fleck ein Wachsrest war. Die Nachricht war versiegelt gewesen, doch im schwachen Licht war ihm das zunächst nicht aufgefallen.

Zedd hob rechtzeitig den Kopf, um Williams Knüppel zu sehen. Er zuckte zurück, spürte aber trotzdem den betäubenden Schmerz eines Hiebs. Er krachte mit der Schulter auf den Fußboden. William sprang auf ihn und drückte ihm ein Messer an die Kehle. »Wo ist dieser Jocopo-Schatz, alter Mann! Raus mit der Sprache, oder ich schlitze dir die Kehle auf!«

Zedd spürte, wie das Zimmer wankte, und versuchte sein Sehvermögen zu stabilisieren. Ihm war so übel, daß er keine Luft bekam. Er war augenblicklich schweißnaß. Williams Augen thronten wild über ihm. »Red schon!«

Der Mann stach ihn in den Oberarm. »Raus damit! Wo ist der Schatz!«

Eine Hand senkte sich herab und packte William bei den Haaren. Es war eine mittelalte Frau in einem dunklen Gewand. Zedd konnte sich keinen Reim darauf machen, wer sie war oder was sie hier tat. Die Frau stieß William überraschend kraftvoll nach hinten. Er schlug krachend neben der offenen Tür gegen die Wand und sackte zu Boden.

Sie grinste spöttisch auf Zedd herab. »Ihr habt einen großen Fehler gemacht, alter Mann, indem Ihr Nathan habt entkommen lassen. Ich dachte, wenn ich diesem alten Weibsstück folge, brächte mir das den Propheten ein. Aber was finde ich am Ende Eures magischen Hakens? Diesen Trottel hier, anstelle von Nathan. Tja, nun werde ich Euch ein paar Unannehmlichkeiten bereiten müssen. Ich will diesen Propheten.«

Sie machte kehrt und stieß eine Hand nach vorn, in Richtung auf die nackte Frau, die wie erstarrt dastand. Ein Donnerschlag explodierte im Zimmer, als sich ein mitternachtsschwarzer Blitz im Bogen von ihrer Hand entlud. Der tödliche Lichtblitz schnitt die Frau mitsamt dem Laken, das sie in Händen hielt, säuberlich entzwei. Blut spritzte an die Wand. Ihre obere Hälfte stürzte zu Boden wie eine in Stücke geschlagene Statue. Als ihr Oberkörper aufschlug, ergossen sich ihre Eingeweide über den Fußboden, ihre Beine verharrten jedoch in der bisherigen Stellung.

Die Frau, die über ihm schwebte, drehte sich um. Ihre Augen schienen aus verflüssigtem Zorn zu bestehen.

»Falls Ihr ebenfalls eine Kostprobe Subtraktiver Magie am eigenen Leib spüren wollt, ein Glied nach dem anderen, dann braucht Ihr mir bloß einen Grund zu liefern. Und jetzt zeigt mir die Nachricht.«

Zedd öffnete die Hand und hielt sie ihr hin. Sie streckte die Hand aus. Er versuchte sich trotz des Schwindelgefühls zu konzentrieren. Bevor sie das Stück Papier an sich reißen konnte, setzte er es in Brand. Es ging in einer leuchtend gelben Stichflamme zu Asche auf.

Mit einem wütenden Aufschrei wirbelte sie zu William herum. »Was stand da drauf, du Wurm?«

William, der bis zu diesem Augenblick starr vor Schreck gewesen war, sprang durch die Tür und rannte den Flur entlang.

Ihr langes, dünnes Haar peitschte um ihr Gesicht, als sie wieder zu Zedd herumwirbelte. »Ich werde zurückkommen und mir die Antworten von Euch holen. Ihr werdet mir alles gestehen, bevor ich Euch schließlich töte.«

Während sie auf die Tür zustürzte, fühlte Zedd, wie eine unbekannte Kombination von Magie seinen hastig errichteten Schild durchbrach. Ein Schmerz explodierte in seinem Kopf.

Er versuchte wieder zu Sinnen zu kommen und sich mit aller Macht aus dem Zugriff der blendenden Schmerzen zu befreien. Er war nicht gelähmt, aber unfähig zu überlegen, wie er sich überwinden sollte, jemals wieder aufzustehen. Nutzlos wie eine auf dem Rücken liegende Schildkröte, strampelte er mit Armen und Beinen in der Luft.

Der brennende Schmerz machte es schwierig, mehr zu tun, als bei Bewußtsein zu bleiben. Er preßte die Hände seitlich an den Kopf und hatte das Gefühl, sein Schädel würde platzen und er müsse ihn zusammenhalten. Er hörte seinen eigenen keuchenden Atem.

Plötzlich ließ der dumpfe Schlag eines Aufpralls die Luft erzittern und hob ihn für einen kurzen Augenblick vom Boden.

Ein greller Blitz erhellte das Zimmer, als das Dach in Stücke riß. Das tosende Krachen splitternden Holzes und berstender Balken ging fast im ohrenbetäubenden Knall des Donners unter. Der Schmerz verschwand.

Das Lichtnetz hatte gezündet.

Staubwolken stiegen in die Höhe, als rings um ihn rauchende Trümmer niedergingen. Zedd rollte sich zu einer Kugel zusammen und bedeckte schützend den Kopf, während Holz und Schutt auf ihn herabprasselten. Es klang, als befände man sich während eines Hagelsturms unter einem Kessel.

Endlich senkte sich Stille über die Szene, und Zedd nahm die Hände vom Kopf und schaute hoch. Zu seiner Überraschung stand das Gebäude noch – wenn man es so nennen wollte. Das Dach war größtenteils verschwunden, so daß der Wind den Staub in die dunkle Nacht hatte tragen können. Die Wände waren durchlöchert wie mottenzerfressene Lumpen. Ganz in der Nähe lagen die blutverschmierten Überreste der Frau.