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Zedd unterzog seinen Körper einer eingehenden Prüfung und stellte zu seiner Überraschung fest, daß er, gemessen an den Umständen, in erstaunlich gutem Zustand war. Blut lief ihm an der Schläfe herunter, dort, wo William ihn getroffen hatte, und sein Arm pochte an der Stelle, wo ihn das Messer verletzt hatte, davon abgesehen schien er jedoch unverletzt. Kein schlechtes Ergebnis, wenn man bedachte, was hätte geschehen können.

Von draußen hörte er ein Stöhnen. Eine Frau kreischte hysterisch. Männer warfen Trümmerstücke zur Seite und riefen auf der Suche nach Toten und Verletzten deren Namen.

Plötzlich trat jemand die Tür auf. Sie flog, schief an einer Angel hängend, nach innen.

Zedd seufzte vor Erleichterung, als er eine bekannte, gedrungene Gestalt ins Zimmer huschen sah, deren rotes Gesicht von Sorge gezeichnet war.

»Zedd! Zedd, lebst du noch?«

»Verdammt, findest du, ich sehe nicht lebendig aus?«

Ann kniete neben ihm nieder. »Ich finde, du siehst grauenhaft aus. Du blutest am Kopf.«

Sie half ihm sich aufzusetzen, wobei er laut stöhnte. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, dich lebend zu sehen. Ich hatte Angst, du könntest dem Lichtzauber zu nahe gewesen sein, als er zündete.«

Sie tastete sich durch sein blutverkrustetes Haar und untersuchte die Wunde. »Das war nicht Nathan, Zedd. Fast hätte ich dem Mann den Halsring umgelegt, denn der Bann reagierte auf ihn. Dann kam Schwester Roslyn aus der Tür gestürzt. Sie warf sich auf ihn und brüllte ihn wegen irgendeiner Nachricht an.

Roslyn ist eine Schwester der Finsternis. Sie hat mich nicht gesehen. Meine Beine sind nicht mehr das, was sie einmal waren, aber ich bin gerannt wie ein Mädchen von zwölf, als ich sah, wie sie versuchte, ihre Subtraktive Magie zu benutzen, um den Bann aufzuheben.«

»Das hat wohl nicht funktioniert«, murmelte Zedd. »Wahrscheinlich ist sie noch nie an einen Bann geraten, der von einem Obersten Zauberer ausgesprochen wurde. Aber so gewaltig habe ich ihn ganz bestimmt nicht angelegt. Die Subtraktive Magie hat seine Kraft verstärkt. Das hat unschuldige Menschen das Leben gekostet.«

»Wenigstens auch das dieser gottlosen Frau.«

»Ann, mach mich wieder gesund, dann müssen wir diesen Menschen helfen.«

»Wer war dieser Mann, Zedd? Wieso hat er den Bann ausgelöst? Wo ist Nathan?«

Zedd streckte die Hand aus und öffnete die fest geschlossene Faust. Er ließ die Wärme der Magie in die Asche auf seiner Hand strömen. Die pulvrigen, schwarzen Überreste begannen zuerst zu verklumpen, dann hellte die Asche auf und wurde grau. Die verkohlten Überreste setzten sich wieder zu dem Stück Papier zusammen, das sie einst gewesen waren, und dieses nahm schließlich seine blaßbräunliche Farbe an.

»Ich habe noch nie jemanden gesehen, der das konnte«, flüsterte Ann staunend.

»Sei froh, daß das auch auf Schwester Roslyn zutrifft, sonst hätten wir noch größere Schwierigkeiten als ohnehin schon. Es hat seine Vorteile, Oberster Zauberer zu sein.«

Ann nahm ihm das zerknüllte Stück Papier aus der Hand. Ihre Augen wurden feucht, während sie die Nachricht von Nathan las. Nachdem sie zu Ende gelesen hatte, liefen ihr die Tränen lautlos über das rundliche Gesicht.

»Gütiger Schöpfer«, sagte sie schließlich kaum hörbar.

Ihm brannten ebenfalls die Tränen in den Augen. »Allerdings«, antwortete er leise.

»Was ist dieser Jocopo-Schatz, Zedd?«

Er kniff die Augen zusammen und sah sie scharf an. »Ich hatte gehofft, du wüßtest das. Warum sollte Nathan uns sagen, wir sollen etwas beschützen, ohne uns mitzuteilen, um was es sich dabei handelt?«

Draußen schrien Menschen vor Schmerzen und riefen um Hilfe. Weit entfernt ging krachend ein Mauerstück oder vielleicht der Teil eines Daches zu Boden. Männer brüllten sich Anweisungen zu, während sie sich durch die Trümmer schaufelten.

»Nathan vergißt, daß er anders ist als andere Menschen. So wie du dich an gewisse Dinge vor ein paar Jahrzehnten erinnerst, erinnert sich auch er an das, was war, nur liegt das nicht ein paar Jahrzehnte, sondern ein paar Jahrhunderte zurück.«

»Ich wünschte, er hätte uns Genaueres gesagt.«

»Wir müssen diesen Schatz finden. Und wir werden ihn finden. Ich habe schon ein paar Ideen.« Sie drohte ihm mit dem Zeigefinger. »Und du wirst mich begleiten! Wir haben Nathan noch immer nicht gefaßt. Der Halsring bleibt vorerst dran. Du wirst mich begleiten, hast du verstanden? Ich höre ja gar keine Widerworte!«

Zedd hob die Hand und löste den Ring von seinem Hals.

Ann bekam große Augen, ihr fiel die Kinnlade runter.

Zedd warf ihr den Rada'Han in den Schoß. »Wir müssen diesen Jocopo-Schatz finden, von dem Nathan sprach. In dieser Angelegenheit macht er keine Scherze. Die Sache ist todernst. Ich glaube ihm. Wir stecken in großen Schwierigkeiten. Ich werde dich begleiten, aber diesmal müssen wir vorsichtiger sein. Diesmal müssen wir unsere Spur mit Magie verwischen.«

»Zedd«, erwiderte sie endlich leise, »wie hast du den Halsring runterbekommen? Das ist unmöglich.«

Zedd starrte sie finster an, damit ihm beim Gedanken an die Prophezeiung, die Richard in die Falle locken würde, nicht selbst die Tränen kamen. »Wie gesagt, es hat seine Vorteile, wenn man Oberster Zauberer ist.«

Ihr Gesicht wurde tiefrot. »Hast du einfach … seit wann hättest du den Rada'Han schon abnehmen können?«

Zedd zuckte mit einer knochigen Schulter. »Es hat ein paar Tage gedauert, bis ich dahinterkam. Ungefähr seitdem. Etwa nach den ersten zwei oder drei Tagen.«

»Und trotzdem hast du mich begleitet? Du bist trotzdem mitgekommen? Warum?«

»Wahrscheinlich, weil ich Frauen mag, die in größter Verzweiflung handeln und nicht erstarren. Damit beweisen sie Charakter.« Er ballte die zitternden Hände zu Fäusten. »Glaubst du alles, was Nathan in seiner Nachricht schrieb?«

»Ich wünschte, ich könnte das verneinen. Tut mir leid, Zedd.« Ann schluckte. »Er schrieb: ›Mögen die Seelen ihm gnädig sein‹ und meinte Richard damit. Nathan schreibt nicht ›Gütige Seelen‹, sondern bloß ›Seelen‹.«

Zedd fuhr sich mit seinen astdürren Fingern übers Gesicht. »Nicht alle Seelen sind gut. Es gibt auch böse Seelen. Was weißt du über Prophezeiungen mit doppelter Gabelung?«

»Anders als bei deinem Halsring gibt es aus ihnen kein Entrinnen. Die in ihnen genannte Katastrophe muß herbeigeführt werden, damit die Prophezeiung in Kraft treten kann. Was immer es ist, das Ereignis ist bereits geschehen. Einmal in Kraft getreten, ist die Katastrophe ihrem Wesen nach selbstbestimmend, das heißt, das Opfer hat nur die Möglichkeit, eine der beiden Gabelungen der Prophezeiungen zu wählen. Das Opfer kann lediglich bestimmen, auf welche Weise es lieber … aber das weißt du doch sicher? Als Oberster Zauberer mußt du das wissen.«

»Ich hatte gehofft, du würdest mir sagen, ich hätte mich geirrt«, sagte Zedd leise. »Ich wünschte, Nathan hätte die Prophezeiung wenigstens für uns aufgeschrieben.«

»Sei froh, daß er es nicht getan hat.«

21

Clarissa bemühte sich, ihr Zittern unter Kontrolle zu bekommen, und klammerte sich an das verwitterte Fensterbrett im Steinturm der Abtei. Die andere Hand preßte sie auf ihr heftig klopfendes Herz. Obwohl ihr der beißende Rauch in den Augen brannte, zwang sie sich, ab und an zu blinzeln, während sie wie gebannt dastand und den Tumult in der Stadt und auf dem Platz unten beobachtete.

Der Lärm war ohrenbetäubend. Schlachtrufe brüllend, drängten die Angreifer weiter vor, schwangen Schwerter, Äxte und an Ketten hängende Morgensterne. Die Luft war angefüllt vom Sirren der Pfeile. Pferde wieherten in panischer Angst. Kugeln aus Licht und Feuer kamen heulend aus der weiteren Umgebung herangeflogen und brachen explodierend durch die steinernen Mauern. Die wild entschlossenen Angreifer stießen in gellende Hörner und strömten wie wilde Tiere brüllend durch die Breschen in den Mauern der Stadt herein, so daß die Straßen in der unfaßbaren Masse ihrer bräunlichschwarzen Flut versanken. Überall zischten und tosten Flammen.