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Manda winselte in Todesangst, während die brutalen Kerle sie zu Boden drückten. Sie grölten vor Lachen über ihr Gewinsele, waren in all dem Lärm jedoch kaum zu hören. Clarissa spürte, wie ihr die Tränen kamen. Das waren keine Menschen. Das waren wilde Tiere.

Ein Kerl packte Clarissa bei den Haaren. Ein anderer hakte ihr einen Arm ums Bein. Sie lachten, als ihr Schrei sich unter den der anderen mischte. Sie lag noch nicht ganz auf dem Rücken, da hatte man ihr den Rock schon hochgeschoben.

»Nein!« schrie sie.

Sie lachten sie genauso aus, so wie die anderen Kerle Manda auslachten.

»Nein – man hat mich geschickt!«

»Gut«, erwiderte einer der Männer. »Ich war es leid zu warten, bis ich an der Reihe bin.«

Er versetzte ihr einen Schlag, als sie versuchte, seine Hände abzuwehren. Der Schmerz des deftigen Hiebs lähmte sie, daß ihr die Ohren summten.

Sie hatte einen silbernen Ring. Das mußte doch etwas bedeuten. Sie hatte einen silbernen Ring.

Keine zwei Fuß entfernt hörte sie eine Frau ächzen, als sich ein Mann auf ihren Rücken warf. Ihr hatte der Silberring auch nichts genützt.

»Mallack!« schrie Clarissa. »Kommandant Mallack hat mich geschickt!«

Der Kerl krallte ihr eine Faust ins Haar und drückte ihr einen dreckigen, stacheligen Kuß auf die Lippen. Die Ringwunde in ihrer Lippe brannte vor Schmerz, und sie spürte, wie ihr das Blut erneut in Strömen über das Kinn rann.

»Meinen Dank an Kommandant Mallack«, sagte er. Er biß ihr ins Ohr und entlockte ihr damit erneut einen Schrei, während der andere Kerl ihre Unterwäsche begrapschte. Verzweifelt versuchte sie sich zu erinnern, was der Prophet ihr zu sagen aufgetragen hatte.

»Eine Nachricht!« stieß sie hervor. »Kommandant Mallack hat mich mit einer Nachricht hergeschickt. Er sagte, ich soll Euch nach unten zu den Büchern bringen. Ich soll Euch sagen, Ihr sollt Euren jämmerlichen Hintern sofort nach unten zu den Büchern schaffen, sonst würde Euch der Traumwandler einen Besuch abstatten, den Ihr noch bedauern würdet.«

Die Männer stießen deftige Flüche aus, dann rissen sie sie an den Haaren auf die Beine. Sie strich ihr Kleid mit zitternden Händen glatt. Das halbe Dutzend Männer, das um sie herumstand, lachte. Einer schob ihr wieder eine Hand zwischen die Beine.

»Na los, steh nicht einfach rum und vergnüge dich, Miststück. Geh schon. Zeig uns den Weg.«

Ihre Beine besaßen gerade noch so viel Kraft wie ein nasses Tau, und sie mußte sich den ganzen Weg die Treppe hinunter am Geländer festhalten. Während sie das halbe Dutzend Männer zu den Archiven hinunterführte, konnte sie die Bilder dessen, was sie soeben gesehen hatte, nicht aus ihrem Kopf verbannen.

Der Prophet empfing sie an der Tür, als sei er gerade im Begriff zu gehen.

»Da seid Ihr ja. Wurde auch langsam Zeit«, sagte er mit gereizter Stimme. Er deutete mit einer Handbewegung nach hinten in den Raum. »Alles in Ordnung. Fangt an, sie einzupacken, bevor etwas dazwischenkommt, oder der Kaiser macht aus uns allen Feuerholz.«

Die Männer runzelten verwirrt die Stirn. Sie sahen sich flüchtig um. In der Mitte, wo Clarissa den Propheten die Bücher hatte stapeln sehen, die er den Regalen entnommen hatte, befand sich nur noch ein weißer Aschefleck. Die Lücken, dort, wo er die Bände herausgezogen hatte, waren wieder geschlossen worden.

»Ich rieche Rauch«, sagte einer der Männer.

Der Prophet verpaßte dem Kerl einen Schlag auf den Schädel. »Idiot! Die halbe Stadt steht in Flammen, und du riechst endlich Rauch? Los jetzt, an die Arbeit! Ich muß über die Bücher, die ich gefunden habe, Bericht erstatten.«

Einer von ihnen hielt Clarissa am Arm fest, als der Prophet sie nach draußen führen wollte. »Laßt sie hier. Wir werden ein wenig Zerstreuung brauchen.«

Der Prophet funkelte die Männer wütend an. »Sie ist eine Schreiberin, du Narr! Sie kennt sämtliche Bücher. Wir haben wichtigere Aufgaben für sie, als euch faule Einfaltspinsel zu unterhalten. Wenn ihr mit eurer Arbeit fertig seid, gibt es Frauen genug. Oder wäre es euch lieber, wenn ich euch Kommandant Mallack melde?«

Nathans Rolle verwirrte die Soldaten zwar nach wie vor, trotzdem beschlossen sie, sich an die Arbeit zu machen. Der Prophet schloß hinter sich die Tür. Er schob Clarissa vor sich her.

Auf der Treppe, wo sie mit ihm in der Stille allein war, blieb sie stehen und lehnte sich an das Geländer, um sich abzustützen. Ihr war schwindlig und übel. Er berührte ihre Wange mit den Fingern.

»Hört zu, Clarissa. Ganz ruhig durchatmen. Denkt nach. Setzt Euch hin, sonst verliert Ihr das Bewußtsein.«

Die Tränen liefen ihr übers Gesicht. Sie deutete auf den Saal, wo sie die Männer abgeholt hatte. »Ich … ich habe gesehen, wie…«

»Ich weiß, was Ihr gesehen habt«, antwortete er fast zärtlich.

Sie gab ihm eine Ohrfeige. »Wieso habt Ihr mich dort raufgeschickt? Ihr braucht diese Männer doch gar nicht!«

»Ihr glaubt, Ihr könnt Euch verstecken. Das könnt Ihr nicht. Sie werden jedes Loch in dieser Stadt durchsuchen. Wenn sie damit fertig sind, werden sie alles bis auf die Grundmauern niederbrennen. Von Renwold wird nichts übrigbleiben.«

»Aber ich … ich könnte … ich habe Angst, mit Euch zu gehen. Ich will nicht sterben.«

»Ihr solltet nur wissen, was geschieht, wenn Ihr Euch entschließt hierzubleiben. Clarissa, Ihr seid eine hübsche, junge Frau.« Er deutete mit dem Kinn auf den großen Saal. »Glaubt mir, Ihr wollt nicht hierbleiben und erfahren, was all diese Frauen während der nächsten drei Tage und später als Sklaven der Imperialen Ordnung zu erleiden haben. Bitte glaubt mir, das wollt Ihr ganz sicher nicht.«

»Wie können sie so etwas nur tun? Wie bringen sie das fertig?«

»Das ist die unaussprechliche Wirklichkeit des Krieges. Es gibt keine Verhaltensregeln außer denen, die der Aggressor aufstellt oder die der Sieger durchsetzen kann. Man kann sich dem entweder aussetzen, oder man kämpft dagegen.«

»Könnt … könnt Ihr nichts tun, um diesen Menschen zu helfen?«

»Nein«, erwiderte er leise. »Ich kann nur Euch helfen, aber ich werde keine wertvolle Zeit darauf verschwenden, es sei denn, Ihr seid es wert, gerettet zu werden. Die Opfer sind einen schnellen Tod gestorben. So fürchterlich er auch war, er trat rasch ein.

Gewaltigen Menschenmengen, einem Vielfachen der Menschen, die hier in dieser Stadt gelebt haben, droht ein grausamer, qualvoller, langsamer Tod. Ich kann diesen Menschen hier nicht helfen, aber ich kann versuchen, jenen anderen zu helfen. Lohnt es sich, frei zu sein, ist das Leben lebenswert, wenn ich es nicht versuche?

Der Zeitpunkt ist gekommen, an dem Ihr Euch entscheiden müßt, ob Ihr helfen wollt, ob Euer Leben lebenswert ist, ob Eure Seele, das Geschenk des Schöpfers, dies wert ist.«

Bilder dessen, was sich oben im großen Saal und draußen auf den Straßen abspielte, was der ganzen Stadt angetan wurde, schossen ihr durch den Kopf. Sie fühlte sich, als wäre sie bereits tot. Wenn ihr die Gelegenheit geboten wurde, anderen zu helfen und ein neues Leben anzufangen, dann mußte sie sie ergreifen. Dies war die einzige Chance, die sie bekommen würde. Das wußte sie. Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und schließlich auch das Blut vom Kinn. »Ja, ich werde Euch helfen. Ich schwöre bei meiner Seele, daß ich tun werde, was Ihr verlangt, wenn es eine Chance bedeutet, Leben zu retten, eine Chance, frei zu sein.«

»Selbst wenn ich etwas von Euch verlange, vor dem Ihr Euch fürchtet? Selbst wenn Ihr glaubt, Ihr werdet dabei sterben?«

»Ja.«

Als sie sein warmes Lächeln sah, wurde ihr leichter ums Herz. Überraschend zog er sie an sich und nahm sie tröstend in den Arm. Sie begann abermals zu weinen.

Nathan legte ihr den Finger auf die Lippen, und sie verspürte das warme Gefühl, daß jemand zu ihr hielt. Die Erinnerung an das Gesehene verlieh ihr die Entschlossenheit, diesen Verbrechern Einhalt zu gebieten und sie daran zu hindern, andere mit gleichen Greueltaten heimzusuchen. Ihre Gedanken waren von der Hoffnung erfüllt, etwas Bedeutsames tun zu können, das auch anderen Menschen die Freiheit bringen würde.