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Ihr fiel ein, was sie ihm mitzuteilen hatte, und ihr Lächeln verblaßte.

»Warren«, flüsterte sie, »bist du wach?«

»Ja«, kam die leise Antwort.

Bevor er Gelegenheit hatte, sich aufzurichten und sie in die Arme zu schließen, und sie womöglich ihren Mut verlor, trat sie in sein Zelt und platzte damit heraus.

»Warren, mein Entschluß steht fest. Ich werde keine Widerworte von dir dulden. Verstehst du? Die Sache ist zu wichtig.« Er schwieg, also fuhr sie fort. »Amelia und Janet sind meine Freundinnen. Abgesehen davon, daß sie Schwestern des Lichts in der Hand des Feindes sind, liebe ich sie. Sie würden dasselbe für mich tun, das weiß ich. Ich werde mich bemühen, sie und so viele wie möglich zu retten.«

»Ich weiß«, flüsterte er.

Er wußte es. Was bedeutete das? Schweigen breitete sich in der Dunkelheit aus. Verna runzelte die Stirn. Es war nicht Warrens Art, in einer solchen Angelegenheit nicht zu widersprechen. Auf seine Argumente war sie vorbereitet gewesen, nicht aber auf sein stummes Einverständnis.

Mit ihrem Han, der Kraft des Lebens und der Seele, über die die Gabe der Magie funktionierte, entzündete Verna eine Flamme in ihrer Hand und ließ sie auf eine Kerze überspringen. Er lag zusammengekauert auf seiner Decke, die Knie angezogen, während sein Kopf auf den Händen ruhte.

Sie kniete vor ihm hin. »Warren? Stimmt etwas nicht?«

»Verna«, antwortete er leise, »ich bin zu der Erkenntnis gelangt, daß es nicht so wunderbar ist, ein Prophet zu sein, wie ich mir das vorgestellt hatte.«

Warren war genauso alt wie Verna, sah aber jünger aus, weil er den Palast der Propheten nie verlassen hatte, dessen Bann den Alterungsprozeß verlangsamte, während sie gut zwanzig Jahre lang nach Richard gesucht hatte. Im Augenblick wirkte Warren nicht sehr jung.

Er hatte erst vor kurzem seine erste Vision als Prophet gehabt. Er hatte ihr erklärt, daß eine Prophezeiung als Vision eines Ereignisses erscheine, die von den Worten der Prophezeiung nur begleitet werde. Die Worte seien das, was niedergeschrieben wurde, es sei jedoch die Vision, die die eigentliche Prophezeiung darstellte. Deswegen brauchte ein Prophet auch so lange, um die wahre Bedeutung der Worte zu begreifen. Sie beschworen die Vision herauf, die von einem anderen Propheten weitergegeben wurde.

Kaum jemand wußte dies. Jeder versuchte, eine Prophezeiung anhand ihrer Worte zu verstehen. Nach allem, was Warren ihr erzählt hatte, wußte Verna inzwischen, daß diese Methode im günstigsten Fall völlig ungeeignet war, und im ungünstigsten gefährlich. Prophezeiungen waren nur für andere Propheten bestimmt.

Sie runzelte die Stirn. »Du hattest eine Vision? Eine weitere Prophezeiung?«

Warren überging die Frage und stellte selber eine.

»Haben wir Rada'Hans dabei?«

»Nur die Halsringe für die jungen Männer, die uns entkommen sind. Wir hatten keine Zeit, weitere mitzunehmen. Warum?«

Er legte den Kopf wieder auf seine Hände.

Verna drohte ihm mit dem Finger. »Warren, wenn das ein Trick ist, um mich dazu zu bringen, daß ich bei dir bleibe, dann wird er nicht funktionieren. Hast du gehört? Ich werde gehen, und zwar alleine. Das ist mein letztes Wort.«

»Verna«, entgegnete er leise. »Ich muß dich begleiten.«

»Nein. Es ist zu gefährlich. Ich liebe dich zu sehr. Ich werde nicht das Leben eines anderen aufs Spiel setzen. Wenn es sein muß, werde ich dir als Prälatin befehlen hierzubleiben. Ganz sicher, Warren.«

Sein Kopf kam wieder hoch. »Verna, ich liege im Sterben.«

Eine eiskalte Gänsehaut überzog kribbelnd ihre Arme und Beine.

»Was? Warren –«

»Ich habe diese Kopfschmerzen. Die Kopfschmerzen der Gabe.«

Verna blieben die Worte im Hals stecken, als ihr bewußt wurde, wie sehr sein Leben bedroht war.

Der einzige Grund, weshalb Schwestern des Lichts Knaben mit der Gabe bei sich aufnahmen, bestand darin, ihnen das Leben zu retten. Wenn sie nicht ausgebildet wurden, konnte die Gabe sie töten. Die Kopfschmerzen waren ein Anzeichen dafür, daß die verhängnisvolle Gabe sich fehlentwickelt hatte. Abgesehen davon, daß der Halsring den Schwestern die Kontrolle über die jungen Zauberer gab, schützte er das Leben des betreffenden Knaben, bis er gelernt hatte, seine Gabe zu beherrschen.

Wegen der sich überschlagenden Ereignisse hatte Verna Warren den Halsring lange vor der üblichen Zeit abgenommen.

»Aber du hast lange studiert, Warren. Du weißt, wie man die Gabe beherrscht. Du dürftest eigentlich keinen Rada'Han mehr brauchen.«

»Wäre ich ein gewöhnlicher Zauberer, stimmte das vielleicht, aber meine Gabe ist für Prophezeiungen ausersehen. Jahrhundertelang war Nathan der einzige Prophet im Palast. Wir wissen nicht, wie die Magie bei einem Propheten funktioniert. Ich hatte erst vor kurzem meine erste Prophezeiung. Das markierte eine neue Ebene meiner Fähigkeiten. Und jetzt habe ich die Kopfschmerzen.«

Plötzlich geriet Verna in Panik. Ihre Augen tränten. Sie schlang die Arme um ihn.

»Ich werde hierbleiben, Warren. Ich werde nicht fortgehen. Wir werden etwas unternehmen. Vielleicht können wir einem der Jungen den Halsring abnehmen, und ihr könnt ihn euch teilen. Das könnte funktionieren. Das werden wir als erstes ausprobieren.«

Er zog sie fest an sich. »Es wird nicht funktionieren, Verna.«

Plötzlich schoß ihr ein Gedanke durch den Kopf, der sie erleichtert aufatmen ließ. Es war so einfach.

»Alles in Ordnung, Warren. Mir ist gerade eingefallen, was wir machen können. Hör zu.«

»Verna, ich weiß, was –«

Sie sagte ihm, er solle still sein. Sie nahm ihn bei den Schultern und sah ihm in die blauen Augen. Sie strich ihm das blonde, lockige Haar zurück. »Hör zu, Warren. Es ist einfach. Der Grund, weshalb die Schwestern gegründet wurden, war der, daß sie Knaben mit der Gabe helfen sollten. Man gab uns Rada'Hans, um sie zu beschützen, während wir ihnen beibringen, wie man die Gabe beherrscht.«

»Das weiß ich alles, Verna, doch –«

»Hör zu. Wir benutzen die Halsringe nur, weil wir keine Zauberer haben, die helfen können. In der Vergangenheit weigerten sich habgierige Zauberer, denen zu helfen, die mit der Gabe geboren wurden. Ein erfahrener Zauberer kann sich mit deinen Gedanken vereinen und den Schutz an dich weitergeben – dir zeigen, wie man die Gabe richtig benutzt. Für einen Zauberer ist das ein Kinderspiel, aber nicht für eine Magierin. Wir brauchen nichts weiter zu tun, als einen Zauberer aufzusuchen.«

Verna zog das Reisebuch umständlich aus ihrem Gürtel und hielt es ihm vor die Augen. »Wir haben einen Zauberer – Zedd. Wir brauchen nichts weiter zu tun, als mit Ann zu sprechen und sie und Zedd dazu zu bringen, sich mit uns zu treffen. Der Zauberer kann dir helfen, und dann geht es dir wieder gut.«

Warren starrte sie an. »Es wird nicht funktionieren, Verna.«

»Sag das nicht. Woher willst du das wissen, Warren.«

»Ich weiß es eben. Ich hatte noch eine weitere Prophezeiung.« Verna ließ sich auf die Fersen sinken. »Wirklich? Wie lautete sie?« Warren preßte sich die Fingerspitzen an die Schläfen. Sie sah, daß er Schmerzen hatte. Die von der Gabe hervorgerufenen Kopfschmerzen waren überaus quälend. Wenn man nichts dagegen unternahm, führten sie am Ende zum Tod.

»Jetzt hör du mir mal zur Abwechslung zu, Verna. Ich hatte eine Prophezeiung. Die Worte sind nicht wichtig. Aber ihre Bedeutung.« Er löste seine Hände von seinem Kopf und sah ihr in die Augen. In diesem Moment kam er ihr sehr alt vor. »Du mußt tun, was du geplant hast, und dich auf die Suche nach den Schwestern machen. In der Prophezeiung war nicht die Rede davon, ob du damit Erfolg haben wirst, doch muß ich dich begleiten. Wenn ich etwas anderes tue, werde ich sterben. Es handelt sich um eine Prophezeiung mit verknüpften Gabelungen – eine ›Entweder- oder‹-Prophezeiung.«