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»Entscheidungen treffen. Welche zum Beispiel?«

»An der Stelle, wo er schreibt, alle seien in Panik wegen des roten Mondes, schreibt er auch, die Mannschaft, die den Tempel der Winde fortgeschickt hat, habe sie alle verraten.«

»Na … und?«

»Na, und ich denke eben, daß der Tempel der Winde den Mond rot gefärbt hat.«

Kahlan beobachtete seine Augen und war von dem überzeugten Blick in ihnen wie gelähmt. »Ich werde nicht fragen, wie so etwas überhaupt möglich sein soll, aber nehmen wir im Augenblick einmal an, es stimmt. Warum sollte der Tempel der Winde den Mond rot färben?«

Richard hielt ihrem festen Blick stand. »Als Warnung.«

»Wovor?«

»Die Schilde in der Burg der Zauberer funktionieren durch Überwachung. Fast niemand kann sie passieren. Ich kann es, weil ich über die richtige Art von Magie verfüge. Wenn jemand, der Unheil anrichten will, genug Magie und Kenntnisse besitzt, dann kann auch er die Schilde passieren. Was geschieht dann?«

»Nun, nichts. Er passiert sie eben.«

»Genau. Ich glaube, der Tempel der Winde kann mehr. Ich glaube, er kann unterscheiden, ob jemand die Schutzanlagen geschändet oder beschädigt hat, und eine Warnung aussenden.«

»Den roten Mond«, sagte sie leise.

»Das ergäbe Sinn.«

Sie legte ihm zärtlich eine Hand auf den Arm. »Du brauchst dringend etwas Ruhe, Richard. Das alles kannst du unmöglich nur aus Kolos Tagebuch schließen. Es ist nur ein einziges Tagebuch, das vor langer Zeit geschrieben wurde.«

Er riß seinen Arm los. »Ich weiß nicht, wo ich sonst suchen soll. Shota sagte, der Wind mache Jagd auf mich! Ich brauche nicht schlafen zu gehen, um Alpträume zu haben.«

In diesem Augenblick verstand Kahlan, daß es nicht Shotas Nachricht war, die ihn antrieb. Es war die Prophezeiung unten in der Grube.

Der erste Teil der Prophezeiung lautete: Mit dem roten Mond kommt der Feuersturm.

Der zweite Teil war es, der ihr richtig Angst einjagte.

Um das Inferno zu löschen, muß er das Heilmittel im Wind suchen. Im Blitzgewitter wird man ihn auf diesem Pfad sehen können, denn die Frau in Weiß, seine wahre Geliebte, wird ihn in ihrem Blut verraten.

Sie sah, daß ihm diese Prophezeiung mehr Angst einjagte, als er zugab.

Es klopfte.

»Was ist?« brüllte Richard.

Cara öffnete die Tür und steckte den Kopf herein. »General Kerson wünscht Euch zu sprechen, Lord Rahl.«

Richard fuhr sich durchs Haar. »Bittet ihn herein, Cara.«

Er legte Kahlan eine Hand auf die Schulter und starrte zum Fenster hinaus. »Tut mir leid«, sagte er leise. »Du hast recht. Ich brauche etwas Schlaf. Vielleicht kann mir Nadine ein paar von ihren Kräutern geben, damit ich einschlafe. Mein Verstand scheint mir sonst keine Ruhe zu gönnen.«

Lieber würde sie ihm etwas von Shota verabreichen lassen. Kahlan antwortete nur mit einer vorsichtigen Berührung, denn sie hatte Angst, ihre Stimme in diesem Augenblick auf die Probe zu stellen.

General Kerson kam mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht ins Zimmer marschiert. Er salutierte mit einem Faustschlag auf sein Herz.

»Lord Rahl. Guten Morgen. Und es ist wirklich ein guter Morgen, dank Euch.«

Richard nippte an seinem Tee. »Wie das?«

Der General versetzte Richard einen Klaps auf die Schulter. »Den Männern geht es wieder besser. Die Arzneien, die Ihr verordnet habt – der Knoblauch, die Blaubeeren, der Löscheichentee –, sie haben gewirkt. Sie sind alle wieder gesund. Ich habe eine ganze Armee strahlender Männer, die bereit sind, zu tun, was ihnen befohlen wird. Ich kann Euch nicht sagen, wie erleichtert ich bin, Lord Rahl.«

»Das hat Euer Lächeln soeben getan, General. Mir fällt ebenfalls ein Stein vom Herzen.«

»Meine Männer fühlen sich moralisch aufgerichtet, weil ihr neuer Lord Rahl ein Beherrscher großartiger Magie und imstande ist, den Tod an ihrer Tür abzuweisen. Jeder einzelne dieser Männer möchte Euch zu einem Bier einladen und einen Trinkspruch auf Eure Gesundheit und ein langes Leben ausbringen.«

»Das war keine Magie. Das waren nur Arzneien, die … Dankt ihnen für ihr Angebot, aber ich … was ist mit den Tumulten? Sind sie vergangene Nacht wieder ausgebrochen?«

Der General tat dies mit einem Brummen ab. »Die Unruhen sind größtenteils vorbei. Die Besorgnis wich von den Menschen, nachdem der Mond wieder normal aussah.«

»Schön. Das sind gute Neuigkeiten, General. Danke für Euren Bericht.«

Der General rieb mit einem Finger über das glattrasierte Kinn. »Äh, da wäre noch ein weiterer Punkt, Lord Rahl.« Er sah kurz zu Kahlan hinüber. »Wenn wir vielleicht…« Der Mann stieß einen Seufzer aus. »Gestern … wurde eine Frau ermordet.«

»Das tut mir leid. Kanntet Ihr sie?«

»Nein, Lord Rahl. Sie war eine … eine Frau, die … Geld als Gegenleistung nahm für…«

»Falls Ihr auszudrücken versucht, daß sie eine Hure war, General«, warf Kahlan ein, »ich habe dieses Wort schon mehrfach gehört. Ich werde nicht in Ohnmacht fallen, wenn ich es jetzt erneut höre.«

»Ja, Mutter Konfessor.« Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder Richard zu. »Sie wurde heute morgen tot aufgefunden.«

»Was ist ihr zugestoßen? Wie wurde sie umgebracht?«

Der General wirkte mit jedem Augenblick unglücklicher. »Seit vielen Jahren schon sehe ich Tote, Lord Rahl. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich mich das letzte Mal bei einem solchen Anblick übergeben habe.«

Richard stützte eine Hand auf die ledernen Beutel an seinem breiten Gürtel. »Was hat man ihr angetan?«

Der General blickte zu Kahlan hinüber, als bitte er sie um Nachsicht, während er einen Arm um Richards Schulter legte und ihn beiseite zog. Kahlan konnte die geflüsterten Worte nicht verstehen, aber der Ausdruck auf Richards Gesicht verriet ihr, daß sie sie auch nicht hören wollte.

Richard ging zum Kamin hinüber, blieb stehen und starrte in die Flammen.

»Das tut mir leid. Aber Ihr habt doch sicher Leute, die dieser Sache nachgehen können. Warum kommt Ihr damit zu mir?«

Der General verzog das Gesicht und räusperte sich. »Nun, versteht Ihr, Lord Rahl? Es war, nun ja, es war Euer Bruder, der sie fand.«

Richard drehte sich um und zog eine finstere Miene. »Was hatte Drefan in einem Bordell zu suchen?«

»Nun, äh, diese Frage habe ich ihm auch gestellt, Lord Rahl. Mir kommt er nicht vor wie ein Mann, der Schwierigkeiten hätte –« Der General wischte sich verlegen mit der Hand durchs Gesicht. »Ich fragte ihn, und er antwortete, es sei seine Sache, nicht meine, wenn er in ein Hurenhaus gehe.«

An seinen deutlich hervortretenden Gesichtszügen erkannte Kahlan, daß Richard seinen Ärger nur mühsam unterdrückte. Unvermittelt schnappte er sich sein goldenes Cape vom Stuhl.

»Gehen wir. Bringt mich dorthin. Bringt mich in dieses Haus, in dem Drefan verkehrt. Ich will mit den Leuten dort reden.«

Kahlan und der General eilten Richard hinterher, als er durch die Tür nach draußen schoß. Sie bekam ihn am Ärmel zu fassen und sah zum General hinüber.

»General, könntet Ihr uns einen Augenblick alleine lassen?«

Nachdem dieser sich ein Stück weit den Flur hinunter entfernt hatte, zerrte Kahlan Richard in die andere Richtung, fort von Cara, Raina, Ulic und Egan. Ihrer Meinung nach war Richard zur Zeit nicht in der Verfassung, einer solchen Sache nachzugehen. Außerdem war sie aus einem bestimmten Grund zu ihm gekommen.

»Da sind Abgesandte, die darauf warten, uns zu sprechen, Richard. Sie warten bereits seit Tagen.«

»Drefan ist mein Bruder.«

»Er ist ein erwachsener Mann.«

Richard rieb sich die Augen. »Ich muß mich darum kümmern, außerdem habe ich eine Menge anderer Dinge auf dem Herzen. Würde es dir etwas ausmachen, mit den Abgesandten allein zu sprechen? Erkläre ihnen, ich sei in einer wichtigen Angelegenheit fortgerufen worden, und sie könnten die Kapitulation ihres Landes ebensogut dir anbieten, anschließend solle man dann damit beginnen, sämtliche Herrschaftsvereinbarungen zu regeln.«