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»Tristan, Ihr habt die entnervende Angewohnheit, die Wahrheit zurechtzustutzen, bis sie Euch paßt. Richard sagte, ein Land müsse seine Gebräuche nicht aufgeben, solange diese niemandem schaden und sie keine für alle gültigen Gesetze brechen. Ihr überschreitet eine gefährliche Grenze.«

»Wir wollen unter keinen Umständen seine Vorschriften umgehen oder irgendwelche Grenzen überschreiten, Mutter Konfessor. Ich verlange nichts weiter als ein wenig Zeit.«

»Zeit. Zeit wozu?«

»Zeit, Mutter Konfessor, um mich zu vergewissern, ob der rote Mond ein Zeichen dafür ist, daß wir Grund haben, einen Zusammenschluß mit D'Hara zu fürchten. Ich kann jetzt einfach nach Jara zurückreisen und mich mit Javas Kedar beraten, oder ich kann hier eine Weile abwarten, wenn Euch das lieber ist, um mich davon zu überzeugen, daß der rote Mond kein Zeichen der Gefahr darstellt.«

Die Jaraner und besonders die königliche Familie, soviel wußte Kahlan, glaubten leidenschaftlich an die Unterweisung durch die Sterne. Wieviel Mühe Tristan auch darauf verwendete, Weiberröcken hinterherzujagen, böte eine schöne Frau ihm seine Reize an, liefe er vor ihr davon, wenn er der Überzeugung wäre, daß die Sterne dagegen waren.

Er würde mindestens einen Monat brauchen, um nach Jara zurückzukehren, den Sternendeuter zu Rate zu ziehen und nach Aydindril zurückzukehren.

»Wie lange müßtet Ihr in Aydindril warten, bis Ihr Euch sicher wärt und ruhigen Gewissens kapitulieren könntet?«

Er legte einen Augenblick lang nachdenklich die Stirn in Falten. »Wenn Aydindril einige Wochen lang sicher bliebe, würde ich das Zeichen ruhigen Gewissens nicht als böses Omen betrachten.«

Kahlan trommelte mit ihren Fingern auf den Tisch.

»Ihr habt zwei Wochen Zeit. Keinen Tag länger.«

»Danke, Mutter Konfessor. Ich werde dafür beten, daß wir den Zusammenschluß mit D'Hara in zwei Wochen vollziehen können.« Er verneigte sich. »Guten Tag, Mutter Konfessor. Ich sehe dem für uns günstigen Entschluß der Sterne mit Freude entgegen.«

Er entfernte sich einen Schritt, drehte sich aber noch einmal um. »Übrigens, wißt Ihr vielleicht einen Platz, wo ich solange wohnen könnte? Unser Palast wurde während Eures Kampfes mit dem Lebensborn niedergebrannt. Wegen der Zerstörungen in Aydindril ist es nicht einfach, eine Unterkunft zu finden.«

Sie wußte, worauf er hinauswollte – er wollte in der Nähe sein, damit er sehen konnte, ob die Sterne einen Schlag gegen die d'Haranische Führung führten. Der Mann hatte eine zu hohe Meinung von sich und hielt sich für klüger, als er war.

Kahlan lächelte. »Aber ja, ich weiß etwas. Ihr werdet gleich hier bleiben, wo wir ein Auge auf Euch halten können, bis die zwei Wochen vorüber sind.«

Er knöpfte seinen blauen Rock zu. »Vielen Dank für Eure Gastfreundschaft, Mutter Konfessor.«

»Noch etwas, Tristan. Solltet Ihr, solange Ihr Gast unter meinem Dach seid, eine der Frauen, die hier leben und arbeiten, auch nur mit einem Finger berühren, werde ich dafür sorgen, daß man Euch etwas ganz Bestimmtes abschneidet.«

Er lachte amüsiert. »Ich wußte gar nicht, daß Ihr dem Gerede über mich Glauben schenkt, Mutter Konfessor. Leider muß ich oft auf käufliche Reize zurückgreifen, wenn ich Gesellschaft will. Es schmeichelt mir jedoch, daß Ihr mich für so begabt im Gewinnen von jungen Damen haltet. Sollte ich Eure Regeln brechen, erwarte ich, daß man mich vor Gericht stellt und mich zu einer Strafe Eurer Wahl verurteilt.«

Vor Gericht.

Richard hatte erzählt, die Menschen, die der Tempel der Winde fortgeschickt hatte, seien vor Gericht gestellt worden. In der Burg der Zauberer existierten Aufzeichnungen sämtlicher dort abgehaltener Gerichtsverhandlungen. Sie hatte nie eines dieser Bücher gelesen, aber man hatte ihr davon berichtet. Vielleicht ließe sich anhand der Aufzeichnungen über die Gerichtsverhandlungen feststellen, was mit dem Tempel der Winde geschehen war.

Als Kahlan Tristan Bashkar hinter einem Wachenpaar verschwinden sah, mußte sie an Richard denken und fragte sich, was er wohl herausbekommen würde. Ob er abermals einen Bruder verlieren würde?

Kahlan kannte die meisten Frauen, die im Palast der Konfessoren arbeiteten. Sie respektierten Richard als einen ehrenvollen Mann. Die Vorstellung, daß sie einen Mann anbeteten, der sie dadurch zu gewinnen hoffte, indem er ihr Vertrauen in Richard ausnutzte, behagte ihr ganz und gar nicht.

Der Gedanke an Richard versetzte ihr einen schmerzlichen Stich. Er hoffte, Drefan würde sich als ein Bruder erweisen, auf den er stolz sein konnte. Hoffentlich wurde Drefan nicht zum Problem. Sie mußte daran denken, wie er Cara begrabscht hatte.

Kahlan wandte sich an die Mord-Sith. »Drei weitere Länder, die auf unserer Seite stehen, eines verloren und eines, das sich noch entscheiden muß.«

Cara lächelte verschwörerisch. »Eine Schwester des Strafers muß imstande sein, Angst in die Herzen der Menschen einzupflanzen. Der Strafer steht Euch gut, Mutter Konfessor. Ich meinte zu hören, wie einigen von ihnen auf dem Weg hierher die Knie geschlottert haben.«

27

Unter dem Gerassel und Geklirre von Waffen und Rüstungen marschierten die nachfolgenden Soldaten die steile, gepflasterte Straße hinauf. Schmale Häuser von meist drei oder vier Stockwerken standen Seite an Seite, ihre oberen Stockwerke ragten über die unteren, so daß die obersten fast den Himmel verdeckten. Es war ein düsterer Teil der Stadt.

Überall hatten sich Soldaten jubelnd bei Richard bedankt, als er vorüberkam, und hatten ihm gute Gesundheit und ein langes Leben gewünscht. So mancher hatte ihn zu einem Getränk einladen wollen. Einige waren vor ihm hergelaufen und hatten die Preisung gesprochen: »Herrscher Rahl, führe uns. Herrscher Rahl, beschütze uns. In deinem Licht gedeihen wir. In deiner Gnade finden wir Schutz. Deine Weisheit erfüllt uns mit Demut. Wir leben nur, um zu dienen. Unser Leben gehört dir.«

Sie hatten ihn als großen Zauberer bejubelt, weil er sie beschützt und sie von ihrer Krankheit geheilt hatte. Richard war ihr Beifall mehr als unangenehm. Er hatte sie schließlich lediglich angewiesen, allgemein bekannte Heilmittel gegen Darmbeschwerden zu nehmen. Magie hatte er nicht eingesetzt.

Wiederholt hatte er zu erklären versucht, daß es sich nicht um Magie gehandelt habe, daß die Dinge, die sie gegessen und getrunken hatten, sie gesund gemacht hatten. Die Soldaten wollten nichts davon wissen. Sie hatten von ihm Magie erwartet, und in ihren Augen hatten sie sie bekommen. Schließlich hatte er die Erklärungsversuche aufgegeben und war dazu übergegangen, ihnen zum Dank für ihre Lobpreisungen zuzuwinken. Hätten sie einen Kräuterhändler aufgesucht, wären sie zweifellos ebenso gesund, würden sich aber über den Preis beklagen.

Allerdings war es ein gutes Gefühl, zu wissen, daß er Menschen zur Abwechslung einmal geholfen hatte, anstatt ihnen Schaden zuzufügen. Jetzt verstand er, wie Nadine sich fühlen mußte, wenn sie den Menschen mit ihren Kräutern erfolgreich zur Seite stand.

Er war vor dem Verlangen eines Zauberers nach Ausgewogenheit gewarnt worden. Ausgewogenheit gab es in allen Dingen, ganz besonders aber in der Magie. Er vertrug kein Fleisch mehr – ihm wurde schlecht davon –, und er vermutete, daß es an der Gabe lag, die einen Ausgleich für all das Töten suchte, zu dem er gelegentlich gezwungen war. Die Vorstellung, daß den Menschen zu helfen ein Teil der Ausgewogenheit im Leben eines Kriegszauberers war, gefiel ihm dagegen.

Mürrische Menschen, die ihren eigenen Geschäften nachgingen, traten in der engen Straße zur Seite und stapften durch den schmutzigen Schnee, der noch an den geschützten Stellen lag, um sich an den Soldaten vorbeizudrücken. Düster dreinblickende Gruppen junger Männer beobachteten sie argwöhnisch und verschwanden hinter der nächsten Ecke, als Richard und seine Eskorte näher kamen.

Richard griff geistesabwesend nach dem golddurchwirkten Lederbeutel an seinem Gürtel. Er enthielt weißen Zauberersand. Zauberersand bestand aus den kristallisierten Knochen jener Zauberer, die in den Türmen der Verdammnis, die die Alte und die Neue Welt voneinander trennten, ihr Leben gelassen hatten. Es handelte sich um eine Form konzentrierter Magie. Weißer Zauberersand verlieh den damit gezeichneten Bannen Macht – den guten wie auch den bösen. Der richtige Bann, gezeichnet in weißen Zauberersand, konnte den Hüter herbeirufen.