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Silas und die Frau verbeugten sich. Sie sahen beide aus, wie Richard sich fühlte: dreckig, müde und bestürzt.

»Hast du irgendwas gehört?« Bridget schüttelte den Kopf. Ihre Augen wirkten gequält. »Kanntest du die Frau, die gestorben ist?«

»Rose«, sagte Bridget. »Ich bin ihr nur ein einziges Mal begegnet, für ein paar Minuten. Sie ist gestern erst zu uns gekommen.«

»Hat einer von euch eine Idee, wer sie ermordet hat?«

Silas' und Bridgets Blicke trafen sich.

»Wir wissen, wer es getan hat, Lord Rahl«, behauptete Silas, in dessen Stimme ein leidenschaftlicher Unterton mitschwang. »Der dicke Harry.«

»Der dicke Harry? Wer ist das? Wo können wir ihn finden?«

Zum erstenmal verzog Wut das Gesicht von Silas Latherton. »Ich hätte ihn nicht mehr reinlassen dürfen. Die Frauen mögen ihn nicht.«

»Von uns Mädchen wollte ihn keine mehr bedienen«, sagte Bridget. »Er säuft, und wenn er säuft, wird er fies. Wir haben es nicht nötig, uns so was bieten zu lassen, nicht solange die Armee…« Sie ließ den Satz unbeendet, als ihr Blick auf den General fiel. Sie schlug einen anderen Ton an und fuhr fort: »Im Augenblick haben wir genug Kunden. Wir müssen uns nicht mit schäbigen Säufern wie dem dicken Harry abgeben.«

»Die Frauen sagten alle, sie wollten Harry nicht mehr nehmen«, fügte Silas hinzu. »Als er gestern abend kam, wußte ich, daß alle ihn ablehnen würden. Harry war richtig hartnäckig und wirkte halbwegs nüchtern, also fragte ich Rose, ob sie ihn nehmen würde, schließlich war sie neu und…«

»Und wußte nicht, daß sie in Gefahr war«, beendete Richard den Satz.

»So war das nicht«, entgegnete Silas, als wolle er sich rechtfertigen.

»Harry wirkte nicht betrunken. Aber betrunken oder nicht, ich wußte, die anderen Frauen wollten ihn nicht, also fragte ich Rose, ob sie interessiert sei. Sie meinte, sie könne das Geld gebrauchen. Harry war ihr letzter Gast. Ein wenig später wurde sie entdeckt.«

»Wo können wir diesen Harry finden?«

Silas kniff die Augen zusammen. »In der Unterwelt, da wo er hingehört.«

»Du hast ihn umgebracht?«

»Keiner hat gesehen, wer ihm seine fette Kehle aufgeschlitzt hat. Keine Ahnung, wer es war.«

Richards Blick fiel auf das lange Messer, das in Silas' Gürtel steckte. Er konnte es dem Mann nicht verdenken. Hätten sie den dicken Harry gefaßt, würde er für sein Verbrechen genau das bekommen, was inzwischen bereits erledigt war. Allerdings hätte er vorher eine Verhandlung und Gelegenheit zu gestehen bekommen, nur um sicherzustellen, daß er die Tat auch wirklich begangen hatte.

Zu diesem Zweck wurden Konfessoren eingesetzt: um sich zu vergewissern, ob man den Richtigen verurteilt hatte. War ein Krimineller erst einmal von deren Magie berührt worden, gestand er all seine Verbrechen. Richard hätte nicht gewollt, daß Kahlan hörte, was man dieser Rose angetan hatte. Schon gar nicht von der Bestie, die die Untat begangen hatte.

Ihm wurde übel bei der Vorstellung, daß Kahlan einen solchen Mann anfassen mußte, einen Mann, der auf so brutale Weise eine Frau ermordet hatte. Er befürchtete, daß er Harry eigenhändig umgebracht hätte, um zu verhindern, daß Kahlan ihn berühren mußte.

Er war sich darüber im klaren, daß sie Männer berührt hatte, die keinen Deut besser waren. Sie sollte dies nie wieder tun müssen. Er konnte sich vorstellen, wie schmerzlich es für sie sein mußte, sich die Beichte derart unmenschlicher Verbrechen in allen Einzelheiten anzuhören. Er mochte nicht daran denken, welch grauenhafte Erinnerungen sie bis in ihre Träume verfolgten.

Richard zwang sich, den Gedanken abzuschütteln, und musterte Bridget. »Wieso bist du geblieben, als die anderen alle fortgelaufen sind?«

Sie zuckte die Achseln. »Einige von ihnen haben Kinder und hatten Angst um sie. Ich nehme ihnen ihre Angst nicht übel, aber wir waren hier immer sicher. Silas war stets anständig zu mir. Woanders bin ich schon verprügelt worden, hier jedoch nicht. Es war nicht Silas' Fehler, daß ein Wahnsinniger das verbrochen hat. Silas hat unsere Wünsche immer respektiert, wenn wir gesagt haben, daß wir einen Mann nicht mehr empfangen wollten.«

Richard spürte, wie sich ihm der Magen zusammenschnürte. »Aber Drefan war bei dir?«

»Klar. Er war bei allen Mädchen.«

»Bei allen Mädchen«, wiederholte Richard. Er hatte Mühe, seinen Zorn im Zaum zu halten.

»Na, sicher. Er war bei allen von uns. Nur bei Rose nicht. Sie hatte noch keine Gelegenheit, schließlich war sie erst…«

»Und Drefan hatte keine Lieblingsdame?« Richard hatte gehofft, sein Halbbruder hätte sich auf eine Frau beschränkt, die er mochte, eine Frau, die gesund war.

Bridget legte die Stirn in Falten und machte ein fragendes Gesicht. »Wie kann ein Heiler eine Lieblingsdame haben?«

»Na ja, gab es eine, die er vorzog, oder nahm er einfach die, die gerade frei war?«

Die Frau bohrte einen Finger in ihren roten Schopf und kratzte sich am Kopf.

»Ich glaube, Ihr habt ein falsches Bild von Drefan, Lord Rahl. Er hat uns niemals angefaßt … nicht so. Er kam nur her, um seine Arbeit zu verrichten.«

»Um zu heilen?«

»Ja«, sagte Bridget. Silas bestätigte dies mit einem Nicken. »Die Hälfte der Mädchen hatte ständig irgendein Wehwehchen.

Hautausschläge und Entzündungen und so weiter. Die meisten Leute, die Kräuter und Heilmittel verkaufen, wollen mit uns nichts zu tun haben, also müssen wir mit unseren Wehwehchen leben.

Drefan erklärte uns, wie wir uns waschen sollen. Er gab uns Kräuter und Salben, die wir auf die entzündeten Stellen streichen sollten. Er war schon zweimal hier, richtig spät, als wir mit der Arbeit fertig waren, um uns nicht in die Quere zu kommen, während wir unseren Lebensunterhalt verdienen. Er sah auch nach den Kindern. Zu ihnen war Drefan besonders nett. Eines hatte einen schlimmen Husten, und es ging ihm viel besser, nachdem Drefan ihm etwas zum Einnehmen gegeben hatte.

Heute früh war er wieder hier. Erst hat er eins der Mädchen untersucht, dann ging er nach oben zu Roses Zimmer, um nach ihr zu sehen. Dabei hat er sie gefunden. Hals über Kopf ist er aus dem Zimmer gestürzt und hat gebrüllt und« – sie zeigte auf den Boden zu Richards Füßen – »sich erbrochen. Wir sind alle auf den Flur rausgelaufen und haben gesehen, wie er sich dort auf den Knien die Seele aus dem Leib kotzte.«

»Er kam also nicht her, um … um … und er hat nie –«

Bridget prustete los. »Ich hab's ihm angeboten – umsonst, schließlich hatte er mir und all den anderen so wundervoll geholfen. Er erwiderte nur, aus dem Grund sei er nicht hier. Er wolle nur helfen, weil er ein Heiler sei.

Ich hab's ihm angeboten, stellt Euch vor, und ich kann sehr überzeugend sein,« – dabei zwinkerte sie – »aber er hat abgelehnt. Er kann richtig nett lächeln, wirklich. Genau wie Ihr, Lord Rahl.«

»Herein«, kam die Antwort auf Richards Klopfen.

Drefan kniete vor seiner Ansammlung von Kerzen, die auf dem Tisch an der Wand standen. Er hielt den Kopf gesenkt und hatte die Hände zum Gebet gefaltet.

»Hoffentlich störe ich nicht«, sagte Richard.

Drefan sah über die Schulter und erhob sich. Seine Augen erinnerten Richard an Darken Rahl. Er hatte die gleichen blauen Augen, denselben unbestimmbar eigenartigen, verwirrenden Blick. Richard konnte nicht anders, diese Augen beunruhigten ihn. Manchmal hatte er das Gefühl, Darken Rahl selbst starre ihn aus ihnen an.

Menschen, die in der Furcht vor Darken Rahl gelebt hatten, bekamen es wahrscheinlich auch mit der Angst zu tun, wenn sie Richard in die Augen sahen.

»Was tust du?« wollte Richard wissen.

»Ich bete zu den Guten Seelen, damit sie über die Seele eines bestimmten Menschen wachen.«

»Über wessen Seele?«

Drefan seufzte. Er wirkte müde und verdrossen.

»Die Seele einer Frau, die niemand mochte.«

»Eine Frau mit Namen Rose?«

Drefan nickte. »Woher weißt du von ihr?« Er tat seine eigene Frage mit einer Handbewegung ab. »Entschuldige – das war unüberlegt. Du bist Lord Rahl. Vermutlich berichtet man dir solche Dinge.«