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»Ja, nun, solche Dinge kommen mir tatsächlich zu Ohren.« Richard entdeckte im Zimmer einen Gegenstand, den er beim letzten Besuch noch nicht gesehen hatte. »Wie ich bemerke, hast du dich entschlossen, die Einrichtung ein wenig freundlicher zu gestalten.«

Drefan sah, wohin Richard blickte, und trat an den Stuhl neben dem Bett. Er kam mit einem kleinen Kissen zurück. Liebevoll strich er mit den Fingern über die darauf gestickte Rose.

»Das gehörte ihr. Niemand wußte, woher sie stammte, also bestand Silas – das ist der Mann, der das Haus leitet –, er bestand darauf, daß ich dies für die Hilfe, die ich den Frauen dort gewähre, annehme. Ihr Geld will ich nicht. Wenn sie Geld übrig hätten, würden sie einen anderen Beruf ausüben.«

Richard war kein Fachmann, aber die Rosenstickerei wirkte, als sei sie mit Sorgfalt gestickt worden. »Glaubst du, sie hat das gemacht?«

Drefan zuckte die Achseln. »Silas wußte es nicht. Vielleicht, ja. Vielleicht hat sie es auch irgendwo gesehen und gekauft, weil eine Rose darauf war, wie ihr Name.«

Er strich behutsam mit dem Daumen über die Rose und starrte darauf.

»Drefan, was tust du an … einem solchen Ort? Hier gibt es genug Menschen, die deiner Künste bedürfen. Die Soldaten, die unten in der Grube verwundet wurden. Du hast reichlich zu tun. Warum gehst du in Hurenhäuser?«

Drefan fuhr mit einem Finger über den Stiel der Rose aus grünem Garn. »Um die Soldaten kümmere ich mich. Ich gehe in meiner freien Zeit zu den Huren, bevor die Menschen auf den Beinen sind und meine Hilfe brauchen.«

»Aber warum suchst du sie überhaupt auf?«

Seine Augen füllten sich mit Tränen, während er auf die Rose des Kissens starrte.

»Meine Mutter war eine Hure«, gestand er leise. »Ich bin der Sohn einer Hure. Einige von diesen Frauen haben Kinder. Jedes von ihnen hätte ich sein können.

Meine Mutter nahm genau wie Rose den falschen Mann mit ins Bett. Niemand kannte Rose. Niemand wußte, wer sie war oder woher sie kam. Ich kenne nicht mal den Namen meiner eigenen Mutter – sie wollte ihn den Heilern nicht verraten, bei denen sie mich zurückließ. Nur, daß sie eine Hure war.«

»Tut mir leid, Drefan. Das war eine ziemlich dumme Frage.«

»Nein, es war eine vollkommen logische Frage. Niemand mag diese Frauen, ich meine als Menschen. Sie werden von den Männern, die zu ihnen gehen, verprügelt. Sie stecken sich mit entsetzlichen Krankheiten an. Andere Menschen blicken voller Verachtung auf sie herab.

Kräuterhändler wollen nicht, daß sie ihre Läden betreten – das verleiht ihnen einen gewissen Ruf, und die anständigen Kunden bleiben aus. Viele der Krankheiten, die diese Frauen haben, kann nicht einmal ich heilen. Sie sterben eines traurigen, langsamen Todes. Und das nur für Geld! Einige von ihnen sind Trinkerinnen, und die Männer demütigen sie und bezahlen sie mit Schnaps. Sie sind ständig betrunken und kennen den Unterschied nicht mehr.

Manche von ihnen glauben, sie könnten einen reichen Mann finden und seine Mätresse werden. Sie glauben, sie werden ihn befriedigen und seine Gunst gewinnen. Wie meine Mutter. Statt dessen kriegen sie kleine Bastarde wie mich.«

Richard zuckte innerlich zusammen. Und er war bereit gewesen, Drefan für einen gefühllosen Opportunisten zu halten.

»Nun, wenn du dich dadurch besser fühlst, ich bin auch ein Sohn dieses Bastards.«

Drefan sah auf und lächelte. »Vermutlich. Wenigstens hat deine Mutter dich geliebt. Meine nicht. Sie hat mir nicht mal ihren Namen hinterlassen.«

»Sag so etwas nicht, Drefan. Deine Mutter hat dich geliebt. Sie hat dich an einen Ort gebracht, wo du in Sicherheit warst, oder nicht?«

Er nickte. »Und ließ mich bei Menschen zurück, die sie nicht kannte.«

»Aber sie ließ dich zurück, weil sie mußte, damit du in Sicherheit warst. Kannst du dir vorstellen, wie schmerzlich das für sie gewesen sein muß? Kannst du dir vorstellen, wie es ihr das Herz gebrochen haben muß, dich bei wildfremden Menschen zurückzulassen? Sie muß dich sehr geliebt haben, um das für dich zu tun.«

Drefan lächelte. »Weise Worte, mein Bruder. Bei einer solchen Gesinnung gelingt es dir womöglich eines Tages noch, etwas aus dir zu machen.«

Richard erwiderte das Lächeln. »Manchmal müssen wir verzweifelte Taten begehen, um die zu retten, die wir lieben. Ich habe einen Großvater, der große Bewunderung für Verzweiflungstaten hegt. Ich glaube, dank deiner Mutter beginne ich zu verstehen, weshalb.«

»Einen Großvater?«

»Den Vater meiner Mutter.« Richard strich über den erhabenen Golddraht, der das Wort WAHRHEIT auf dem Heft seines Schwertes bildete. »Einer der größten Männer, die ich je die Ehre hatte zu kennen. Meine Mutter starb, als ich noch klein war, und mein Vater – der Mann, den ich für meinen Vater hielt – war oft geschäftlich als Händler unterwegs. Zedd hat mich praktisch allein aufgezogen. Ich denke, von ihm habe ich mehr als von jedem anderen.«

Zedd besaß die Gabe. Richard hatte die Gabe nicht nur von Darken Rahl geerbt, sondern auch von Zedd – von seiner Mutter Seite ebenso wie von der seines Vaters. Von beiden Abstammungslinien. Für Richard war es ein Trost zu wissen, daß die Gabe eines guten Menschen durch seine Adern floß, und nicht nur die von Darken Rahl.

»Lebt er noch?«

Richard wich dem Blick aus Drefans blauen Darken-Rahl-Augen aus. »Ich glaube, ja. Ich denke nicht, daß außer mir jemand das noch glaubt, aber ich schon. Manchmal habe ich das Gefühl, wenn ich nicht daran glaube, ist er tatsächlich tot.«

Drefan legte Richard eine Hand auf die Schulter. »Dann bewahre dir deinen Glauben, vielleicht hast du recht. Du hast Glück, daß du eine Familie hast. Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich habe keine.«

»Jetzt hast du eine, Drefan. Du hast wenigstens einen Bruder und schon bald eine Schwägerin.«

»Danke, Richard. Das bedeutet mir sehr viel.«

»Und was ist mit dir? Wie ich hörte, ist die Hälfte aller Frauen aus dem Palast hinter dir her. Hast du schon eine ins Auge gefaßt?«

Drefan lächelte kühl. »Mädchen, weiter nichts. Mädchen, die zu wissen meinen, was sie wollen, und die sich von törichten Äußerlichkeiten beeinflussen lassen, die keinerlei Bedeutung haben. Ich sehe, wie sie alle auch dir schöne Augen machen. Manche Menschen fühlen sich von Macht angezogen. Menschen wie meine Mutter.«

»Schöne Augen, mir! Das bildest du dir ein.«

Drefan wurde ernst. »Kahlan ist wunderschön. Du kannst dich glücklich schätzen, eine Frau von einem solchen Wesen und mit einem so edlen Charakter zu haben. Einer solchen Frau begegnet man nur einmal im Leben, und auch nur dann, wenn die Guten Seelen einem wohlgesinnt sind.«

»Ich weiß. Ich bin der glücklichste Mann der Welt.« Richards Blick ging ins Leere. Er dachte an die Prophezeiung und an das, was er in Kolos Tagebuch gelesen hatte. »Ohne sie wäre mein Leben nicht lebenswert.«

Drefan lachte und gab Richard einen Klaps auf den Rücken. »Wärst du nicht mein Bruder, und ein guter noch dazu, ich würde sie dir ausspannen und sie für mich selber haben wollen. Wenn ich es mir recht überlege, nimm dich besser in acht, vielleicht überlege ich mir das sogar noch mal.«

Richard schloß sich seinem Lächeln an. »Ich werde mich in acht nehmen.«

Drefan zeigte warnend mit dem Zeigefinger auf Richard. »Behandle sie bloß gut.«

»Ich wüßte gar nicht, was ich sonst tun sollte.« Richard erfaßte das kleine, schlichte Zimmer mit einer ausladenden Handbewegung und wechselte das Thema. »Wieso bist du noch hier? Wir können dir bessere Gemächer suchen als dieses.«

Drefan ließ seinen Blick durchs Zimmer schweifen. »Das ist das Gemach eines Königs verglichen mit meiner Unterkunft daheim. Wir leben einfach. Hier habe ich fast mehr Prunk, als ich ertragen kann.« Er runzelte die Stirn. »Nicht, welches Haus man hat, zählt. Das ist nicht das Glück. Was zählt, ist die Einstellung und wie man sich um seine Mitmenschen kümmert – was man tun kann, um jenen zu helfen, denen sonst niemand hilft.«