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Drefan warf einen Blick auf Kahlan und Nadine, dann auf Ulic und Egan, die hinten bei den Soldaten standen, die die beiden Enden der Gasse bewachten. Er holte tief Luft.

»Niemand weiß, wie die Pest von einem Menschen auf den anderen übertragen wird oder ob sie sich überhaupt auf diesem Weg ausbreitet. Einige glauben, es sei der Zorn der Seelen, der über uns gekommen ist, und die Seelen entscheiden, wen sie dahinraffen soll. Es gibt andere, die behaupten, die Ausdünstungen verunreinigten die Luft eines Ortes, einer Stadt, und brächten so jeden in Gefahr. Andere beharren darauf, man könne sich damit nur anstecken, wenn man mit dem infektiösen Atem eines Kranken in Berührung kommt.

Aus Gründen der Vorsicht muß ich davon ausgehen, daß die Pest, wie Feuer, um so gefährlicher ist, je näher man ihr kommt. Ich wollte nicht, daß du der Gefahr so nah bist, das ist alles.«

Richard war übel vor Müdigkeit. Nur seine entsetzliche Angst hielt ihn noch auf den Beinen. Kahlan war dem Jungen auch nahe gekommen.

»Du meinst also, es sei möglich, daß wir uns alle angesteckt haben, nur weil wir im selben Haus mit jemandem waren, der daran erkrankt ist.«

»Ja.«

»Aber die Familie des kranken Jungen hat sie nicht, und sie wohnen mit ihm unter einem Dach. Seine Mutter hat ihn gepflegt. Müßte nicht wenigstens sie sich angesteckt haben, wenn das stimmt?«

Drefan überlegte sich sorgfältig die Worte, die er als nächstes sagte. »Ich habe mehrere Male einen einzelnen Fall der Pest gesehen. Einmal, als ich jung und noch in der Ausbildung war, begleitete ich einen Heiler nach Castaglen, einer Ortschaft, die von der Pest heimgesucht wurde. Dort habe ich vieles von dem gelernt, was ich über die Pest weiß.

Alles begann damit, daß ein Händler mit einem Karren voller Waren in den Ort kam. Man erzählte sich, er habe bei seiner Ankunft gehustet, sich erbrochen und über quälende Kopfschmerzen geklagt. Mit anderen Worten, er war bereits von der Pest befallen, als er in Castaglen eintraf. Wir fanden nie heraus, wie er sich damit angesteckt hatte, möglicherweise jedoch hatte er vergiftetes Wasser getrunken, hatte bei einem kranken Bauern übernachtet, oder die Seelen hatten sich entschieden, ihn damit zu strafen.

Die Bewohner des Ortes, die einem altbekannten Händler eine Freundlichkeit erweisen wollten, brachten ihn in einem Zimmer unter, wo er am nächsten Morgen starb. Eine Zeitlang blieben alle gesund, und die Leute dachten, die Gefahr sei vorüber. Wenig später hatten sie den Mann vergessen, der mitten unter ihnen gestorben war.

Wegen der Verwirrung, die Krankheit und Tod ausgelöst hatten, waren die Berichte, die wir bei unserer Ankunft erhielten, sehr unterschiedlich. Wir konnten jedoch ermitteln, daß der erste Ortsbewohner einigen Berichten zufolge wenigstens vierzehn Tage, anderen Berichten nach sogar bis zu zwanzig Tage nach Ankunft des Händlers an der Pest erkrankte.«

Richard kniff sich in die Unterlippe und überlegte. »Vor ein paar Tagen, während des Ja'La-Spiels, ging es Kip noch gut. Seine eigentliche Ansteckung muß demzufolge noch etwas länger zurückliegen.«

Bei aller Trauer um den Tod des Jungen empfand Richard große Erleichterung darüber, daß seine Befürchtung nicht logisch schien. Wenn Kip die Pest lange vor dem Ja'La-Spiel bekommen hatte, dann war Jagang nicht darin verwickelt. Die Prophezeiung hatte nichts damit zu tun.

Warum aber dann die Warnung, die Winde machten Jagd auf ihn?

»Das bedeutet auch«, fuhr Drefan fort, »daß die Familie des toten Jungen noch erkranken kann. Im Augenblick scheinen alle gesund zu sein, sie könnten sich jedoch bereits tödlich mit der Pest infiziert haben. Genau wie die Menschen in Castaglen.«

»Dann«, sagte Nadine, »haben wir uns womöglich alle schon angesteckt, nur weil wir mit dem Jungen in einem Zimmer waren. Dieser entsetzliche Gestank, das war seine Krankheit. Am Ende haben wir alle die Pest, weil wir ihn eingeatmet haben, nur werden wir das erst in ein paar Wochen wissen.«

Drefan warf ihr einen herablassenden Blick zu. »Ich kann nicht leugnen, daß diese Möglichkeit besteht. Willst du davonlaufen, Kräuterfrau, und die nächsten zwei oder drei Wochen damit zubringen, dich auf den Tod vorzubereiten, indem du die Dinge auslebst, die du immer schon hast tun wollen?«

Nadine reckte ihr Kinn vor. »Nein. Ich bin Heilerin. Ich habe vor zu helfen.«

Auf diese heimlich wissende Art, die ihm eigen war, lächelte Drefan. »Also gut. Ein echter Heiler steht über den bösartigen Phantomen, denen er nachjagt.«

»Aber sie könnte recht haben«, sagte Richard. »Wir könnten uns mit der Pest angesteckt haben.«

Drefan wehrte diese Befürchtung mit einer Handbewegung ab. »Wir dürfen uns nicht von Angst leiten lassen. Als ich in Castaglen war, habe ich mich um viele Menschen gekümmert, die der Tod bereits, genau wie diesen kleinen Jungen, in seinen Klauen hatte. Übrigens auch der Mann, der mich dorthin mitgenommen hatte. Wir wurden nicht krank.

Ich habe nie ein bestimmtes Erscheinungsmuster der Pest feststellen können. Wir kamen jeden Tag mit den Kranken in Berührung und haben uns niemals angesteckt. Vielleicht, weil wir soviel mit den Kranken zusammen waren, daß unser Körper sich an sie gewöhnt hatte und sich gegen ihren verderblichen Einfluß gewappnet hatte.

Gelegentlich wurde das Familienmitglied eines Kranken von der Pest befallen und starb, und danach alle anderen, selbst die, die dem Krankenzimmer ferngeblieben waren. In anderen Häusern wurde ich Zeuge, wie eines oder mehrere Kinder an der Pest dahinsiechten, die Mütter hingegen, die sie ohne Unterlaß pflegten, erkrankten nicht, ebensowenig wie andere Mitglieder des Haushaltes.«

Richard lächelte verzweifelt. »Das alles ist nicht sonderlich hilfreich, Drefan. Vielleicht so, vielleicht so, manchmal ja, manchmal nein.«

Drefan fuhr sich erschöpft mit der Hand übers Gesicht. »Ich erzähle dir nur, was ich gesehen habe, Richard. Es gibt Menschen, die dir voller Überzeugung erzählen werden, dieses oder jenes treffe zu. Bald werden Leute auf den Straßen unfehlbare Heilmittel verkaufen, unstrittige Schutzmittel gegen die Pest. Scharlatane, alle miteinander.

Was ich dir zu verstehen geben will, ist, daß ich die Antwort nicht kenne. Manchmal übersteigt das Wissen unser begrenztes Auffassungsvermögen. Es gehört zu unseren Grundsätzen als Heiler, daß ein kluger Mann die Grenzen seines Wissens und seiner Fähigkeiten eingesteht, weil alles andere zu großem Schaden führen kann.«

»Sicher.« Richard kam sich töricht vor, da er auf Antworten gedrängt hatte, die niemand kannte. »Du hast natürlich recht. Es ist besser, die Wahrheit zu kennen, als seine Hoffnung auf Lügen zu setzen.«

Er sah zum Himmel, um den Stand der Sonne zu prüfen, doch zogen Wolken auf, die sie verdeckten. Ein kalter Wind erhob sich. Wenigstens war es nicht warm. Drefan hatte gesagt, bei Hitze verbreite sich die Pest am schnellsten.

Er sah wieder Drefan an. »Kennst du irgendwelche Kräuter – irgend etwas –, mit denen man sie verhindern oder heilen kann?«

»Eine übliche Vorsichtsmaßnahme besteht darin, das Zuhause der Erkrankten mit Rauch zu behandeln. Angeblich kann Rauch die Luft von den Ausdünstungen reinigen. Es gibt Kräuter, die für das Ausräuchern von Krankenzimmern empfohlen werden – aber soweit ich weiß, keine, die die Pest an sich heilen. Selbst bei diesen Behandlungsmethoden wird der Betreffende sehr wahrscheinlich ganz genauso sterben, nur daß ihm die Kräuter vor seinem Dahinscheiden etwas Linderung verschaffen.«

Kahlan berührte Drefan am Arm. »Sterben alle, die an der Pest erkranken? Ist jeder, der sich ansteckt, zum Tod verurteilt?«

Drefan lächelte sie beruhigend an. »Nein, manche erholen sich wieder. Anfangs weniger, am Ende einer Epidemie mehr. Manchmal erholt sich der Betreffende, wenn das Gift aus dem Körper abgelassen und die Infektion auf die Spitze getrieben werden kann, und beschwert sich dann sein Leben lang über die Tortur der Behandlung.«

Richard sah Yonick aus der Tür kommen. Er legte Kahlan den Arm um die Hüfte und zog sie an sich.