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Als Salomo wiederauftauchte, ging von seiner weißen Kleidung ein blendendes Licht aus, und da verstummte das Gemurr. Erstaunt blickten seine Untertanen ihn an und konnten sich nicht vom Fleck rühren. Jeder wartete auf eine Erklärung dieses Rätsels.

Elihap mit einem versiegelten Papyrus in der rechten Hand bahnte sich einen Weg durch die Menge der Höflinge, näherte sich seinem König, verbeugte sich vor ihm und überreichte ihm den kostbaren Gegenstand.

«Das hier soll ich dir im Auftrag des Propheten Nathan, deines Lehrers, geben.»

«Warum in diesem Augenblick?»

«So hat es Gott Nathan eingegeben. Davids Testament sollte dir erst ausgehändigt werden, wenn du in aller Morgenfrühe den Palast verlassen und allein im Streitwagen und mit blendendweißem Gewand zurückkommen würdest. Das waren die Worte des Propheten.»

Elihaps Erklärung säte Furcht in den Herzen der Anwesenden. Man konnte Salomo nicht mehr als Menschen ansehen. War er nicht einer der Engel, die menschliche Gestalt annahmen, um den Willen des Höchsten auf Erden auszuführen?

Als Salomo Davids Residenz betrat, konnte er noch nicht wissen, daß sein Ruf so groß geworden war, daß niemand mehr seine Autorität in Frage stellte. Er hatte nur einen Wunsch, nämlich den Text zu lesen, den man so lange vor ihm verborgen gehalten hatte.

Der König entrollte den Papyrus auf den Fliesen des Thronsaals. Ja, es war die Schrift seines Vaters.

«Ich bewohne einen bescheidenen Palast», so schrieb David, «und Jahwes Bundeslade steht in einem schlichten Zelt. Ich wollte dem Einen Gott eine hehre Wohnstatt errichten. Doch der Prophet Nathan hat sich stets mit äußerster Strenge dagegen geäußert. Wenn ich versucht hätte, meinen Plan durchzuführen, hätte mich Jahwes Blitz niedergestreckt. So mußte sich Gott während meiner Herrschaft damit begnügen, von Ort zu Ort zu reisen, während ich viel Blut vergoß. Doch ich habe für die Zukunft gesorgt. In den Kellern des Palastes liegt ein ungeheurer Schatz versteckt. Der möge meinem Sohn Salomo dazu dienen, den Tempel zu bauen, den meine Augen nicht mehr sehen werden. Ich habe Schätze gehortet, Gold-, Bronze- und Eisenbarren. Ich habe am Ort des zukünftigen Heiligtums einen Altar aufstellen lassen. Ich habe den Boden gekauft, so daß er heute der Krone gehört. Mein Sohn, wenn du diese Zeilen liest, erweise dich der Aufgabe würdig. Endlich teilst du mein Geheimnis.»

Salomo wandte sich an seinen Schreiber.

«Dieser Text ist nicht vollständig», meinte er. «Dazu gehört noch eine mündliche Anweisung. Die kannst nur du allein erhalten haben.»

«Gewiß, Gebieter. Darum bin ich auch aus dem Palast geflohen. Ich wollte abwarten, was für ein König aus dir werden würde.»

«Bist du dir bewußt, wie unverschämt das gewesen ist?»

«Gewiß doch, Gebieter. Hättest du anders gehandelt?»

Das ging Salomo nicht leicht hinunter. Doch er kannte den Ägypter als willensstarken und rechtschaffenen Menschen. Nathan, der Prophet, hatte sich nicht in ihm getäuscht, als er ihm Vertrauen schenkte und dem jungen Herrscher Zeit ließ, seine Absichten aufzudecken.

«Wo befindet sich der Altar, der dem Tempel als Grundstein dienen soll?»

«Du wirst zahlreiche Widersacher haben», prophezeite Elihap seinerseits. «Ein Bauwerk, wie das von dir geplante, verstößt gegen die Sitten und Gebräuche der Nomaden, die im Herzen Israels verwurzelt sind.»

«Stimmt genau», meinte auch Salomo. «Aber mein Vater hat mir einen Auftrag anvertraut. Ich werde ihn ausführen. Dieses Land braucht einen Tempel. Den prächtigsten aller Tempel.»

«Der Altar befindet sich auf dem Felsen von Jerusalem, Gebieter, auf dem nördlichen Gipfel des Gebirges. Seit mehreren Jahren ist dort der Zutritt verboten. Die Stelle ist wegen der Schlucht, die sich zwischen den ersten Häusern erstreckt, fast unzugänglich.»

«Die alte Tenne zum Korndreschen, dort, wo Noah ein Opfer dargebracht, wo Jakob die Leiter erblickt hat, die Erde und Himmel vereint… Ist es die Stelle, Elihap?»

«Ja, Gebieter. Nathan hat geglaubt, daß dieser Stein der Urstein ist, um den herum sich die Welt gebildet hat. Dort sprudelt die Quelle des Paradieses, steigt bis zur Sonne und fällt als Regen wieder herab. Der Regen, dessen Herr du geworden bist.»

«Der Urstein… Haben den nicht auch die Ägypter in Heliopolis?»

«Es gibt ebenso viele heilige Orte, wie es auf der Welt Mittelpunkte gibt», erwiderte der Schreiber. «Für dein Volk mußt du deinen festlegen.»

Salomo verließ Davids Palast. Mit Hilfe von zwei Soldaten, die anstatt eines Steges zwei Seile hielten, überquerte er den Abgrund und verbrachte den Rest des Tages bis zum Sonnenuntergang auf dem majestätischen Felsen, auf dem sich sein Tempel erheben würde.

Oben vom Berg Jerusalem entdeckte er seine Hauptstadt und sein Land. Im Norden Samaria und Galiläa. Im Osten der Jordan, das Tote Meer und die Wüste. Im Süden Judäa. Im Westen die Ebenen, die bis zum Mittelländischen Meer reichten. Über diese Länder, diese Berge, diesen Fluß, diese Seen, diese Stämme, die er geeint hatte, herrschte er. Seit David auf diesem großen und aufragenden Felsen einen Altar geweiht hatte, hatte niemand Israel von so hoch und so fern betrachtet.

David hatte den Platz gut gewählt. Er besaß die Ausstrahlung, die Schönheit und das Geheimnis, die für ein Haus Gottes erforderlich waren. Bald würde die Bundeslade nicht mehr herumziehen müssen. Bald würden die Hebräer das Heiligtum erblicken, das sie für immer im Herzen des Höchsten verankerte.

Kapitel 10

Der Tag nach dem ersten Sabbat im Herbst zeichnete sich durch eine Abfolge nicht vorgesehener Audienzen aus. Salomo, der von seiten des Pharaos ein Zeichen erwartete und noch an sein Ehrenwort glaubte, war gedrückter Stimmung. Er studierte den Plan, den David ihm für den künftigen Tempel in Jerusalem vermacht hatte, fand ihn aber nicht sehr gelungen. Seinem Vater hatte lediglich eine größere Kapelle vorgeschwebt, die jedoch baulich einfallslos war.

Doch woher einen Oberbaumeister nehmen? Die Hebräer hatten gelernt, wie man Straßen pflasterte, wie man Festungsmauern baute oder verstärkte, doch von dem Geheimnis, wie man Steine für die Ewigkeit zu einem Heiligtum zusammenfügte, davon verstanden sie nichts.

Als man Jerobeam mit einer Nachricht meldete, die so wichtig war, daß man den König in seinen Überlegungen stören durfte, besserte sich dessen Laune ein wenig. War dieser junge Obermaurer etwa der Baumeister, den Israel brauchte?

Der rote Riese, der mit nackter Brust und einem Lederschurz um die Lenden vor ihn trat, war sichtlich erregt. Als der König ihm das Wort erteilte, wußte er sich sehr gut auszudrücken.

«Gebieter, die Ställe sind fertig! Deine Pferde sind darin glücklich. Die Mannschaften, die sie füttern und säubern sollen, können dort arbeiten. Jetzt gibt es nichts mehr zu tun!»

«Darauf kannst du stolz sein, Jerobeam.»

«Mein König, ich habe weitere Pläne! Doch die kann ich nur ausführen, wenn man mir ausreichend Arbeiter unterstellt.»

«Ich höre», sagte Salomo.

Hatte Jerobeam den Wunsch, Jerusalem durch einen Tempel bekrönt zu sehen? Hatte er die Zukunft des Landes erkannt? Falls es sich so verhielt, würde er ihn augenblicklich zum Oberbaumeister machen und ihn damit beauftragen, an der Seite des Herrschers zu arbeiten.

«Ich möchte Israels König einen neuen Palast bauen», erklärte Jerobeam selbstbewußt. «Das Volk murrt, daß Davids Haus Salomos unwürdig ist. Ich will dafür Ziegel und Holz verwenden, es soll mehrere Stockwerke und ein großes Flachdach und…»

«Bist du der Meinung, daß dieses Gebäude als erstes errichtet werden sollte?»