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«Und die wären, Majestät?» fragte der Hohepriester.

«Salomo kennt sich mit unseren Traditionen aus. Er weiß, daß nur eine Heirat den Friedenspakt besiegeln kann.»

Die drei Vertrauten Siamuns waren bestürzt. Was Siamun da stillschweigend voraussetzte, war unmöglich.

«Pharao, du denkst doch wohl nicht daran… deine Tochter einem Hebräer zu geben?»

«Es ist das einzige Mittel, Salomo davon zu überzeugen, daß wir den Krieg genauso ablehnen wie er. Ich weiß natürlich, daß bislang noch keine Pharaonentochter einen Fremdling geheiratet hat. Aber wir müssen Weitsicht beweisen. Ägypten wird immer schwächer. Es kann die Last mehrerer Konflikte nicht mehr aushalten. Unser Bündnis mit Israel garantiert uns im Nordosten Sicherheit, und wir können uns dem Schutz unserer Westgrenze widmen.»

Der Pharao sah das ganz richtig, und dem General fiel kein einziges Gegenargument ein.

«Israel hat weder Stein noch Holz noch Gold zur Verfügung, um damit einen prächtigen Tempel zu bauen», meinte der Priester. «Pharao, willst du ihm das beschaffen?»

«Das wäre ein Fehler», meinte auch Siamun. «Dadurch würde Salomo zu abhängig von Ägypten, und das kann er nicht hinnehmen. Wir machen es über einen Umweg. Salomo dürfte gezwungen sein, sich an den König von Tyros zu wenden.»

«Und der kann dir nichts abschlagen», meinte der General.

«Abgesehen davon, daß Israel ein fester Verbündeter gegen Überfälle der Nomaden ist», stellte der Pharao klar, «wird es auch zum wichtigen Handelspartner. Es wird uns Zugang zu Handelswegen verschaffen, die wir noch nicht kontrollieren.»

Man hatte das Bündnis mit Salomo geprüft, und es bot nur Vorteile. Dennoch war der Pharao nachdenklich.

«Gibt es noch ein Hindernis?» fragte der Hohepriester.

«Ein wichtiges Hindernis», entgegnete Siamun. «Wir müssen die Geheimnisse kennen, die Salomo in seinem Tempel aufbewahren will.»

«Dazu müßte ein Ägypter zum Glauben Jahwes übertreten», hielt ihm der Hohepriester entgegen. «Und das kannst du von niemandem verlangen, Majestät.»

«Einer solchen Freveltat will ich mich auch nicht schuldig machen», versprach der Pharao. «Es fehlt Salomo nämlich noch an einem anderen Material, dieses Mal an menschlichem: Er hat keinen Oberbaumeister, der fähig ist, ihm seinen Tempel zu bauen. Daher wird der Baumeister, der Jahwes Heiligtum errichtet, Ägypter sein.»

Das Haus des Lebens im Tempel von Tanis durchlebte eine Zeit ungewohnter Unruhe. In der Regel widmete man sich an diesem Ort der Stille, dem Studium und der inneren Versenkung. Hierher kamen Menschen, die die Hieroglyphenschrift lernten und Rituale ausarbeiteten. Baumeister, Bildhauer, Ärzte und hohe Verwalter hatten sich über kürzere oder längere Zeit in den Werkstätten im Haus des Lebens aufgehalten, um hier ihr Gewerbe zu erlernen.

Die Geweihten, die ihr Leben lang an diesem Ort blieben, wo die Weisheit der Vorfahren vermittelt wurde, waren weniger zahlreich. In ihren Augen hatte die Außenwelt so wenig Anziehendes, daß sie ihr Leben lieber dem Heiligen widmeten und sich nicht mehr mit menschlichen Angelegenheiten beschäftigten. Deshalb waren sie erstaunt, als der Herr Ägyptens, der Pharao leibhaftig, bei hereinbrechender Nacht bei ihnen auftauchte.

Der König war Schüler des Weisen gewesen, der das Haus des Lebens leitete. Dieser nun bat den Herrscher in einen Säulensaal, den ringsum Steinbänke säumten. Dort saß ein Dutzend Schüler.

«Wenn ich um dieses Treffen gebeten habe», sagte der König, «so, weil ich mich mit dir beraten muß. Israel ist eine große Nation geworden. Es wird von einem außergewöhnlichen Herrscher regiert, nämlich Salomo. Und der will Jahwe zu Ehren einen Tempel bauen, aber dazu ist kein hebräischer Baumeister in der Lage.»

«Auch gut», meinte ein Schüler. «Israel ist unser Gegner.»

«Es war unser Gegner», berichtigte der Pharao. «Salomo will der Feindseligkeit gegen uns ein Ende machen.»

«Hüte dich vor den Hebräern», empfahl ein anderer Schüler. «Sie sind arglistig.»

«Salomo will Frieden, und wir wollen ihm helfen.»

«Wie denn?»

«Indem wir ihm einen Baumeister schicken, der fähig ist, Jahwe einen Tempel zu bauen», erwiderte der Pharao.

«Unmöglich. Unsere Geheimnisse müssen in Ägypten bleiben.»

«Davon soll auch nichts preisgegeben werden», bekräftigte Siamun. «Die werden in der Konstruktion verborgen. Die Form wird so, wie Salomo sie haben will.»

Der Herr im Haus des Lebens wandte sich an den Pharao.

«Da dein Beschluß feststeht, Majestät, möchten wir wissen, auf wen von uns deine Wahl gefallen ist?»

Siamun, der es gewohnt war, seine Gefühle im Griff zu haben, hielt den Atem an.

«Horemheb, den Sohn des Horus.»

Die Blicke fielen auf einen Schüler von dreißig Jahren mit hoher Stirn und kräftigen Muskeln. Der war mit zwölf Lehrling geworden und hatte seine Jugend auf der Baustelle von Karnak verbracht. Vor drei Jahren war er Oberbaumeister geworden und wollte sein Wissen durch das Studium der Schriften Imhoteps, des allergrößten Baumeisters, erweitern, die in den Archiven im Haus des Lebens aufbewahrt wurden.

Horemheb war nicht gerade der Gesprächigste, er äußerte sich nicht dazu.

«Ich weiß, welches Opfer ich von dir verlange», sagte Siamun. «Ägypten zu verlassen ist eine Prüfung, die nur wenige von uns bestehen. Wenn du meinen Entschluß als ungerecht empfindest, kannst du dich weigern.»

Horemheb verbeugte sich vor dem Pharao.

Der Herr im Haus des Lebens stand auf.

«Der König und ich selbst haben lange beraten, ehe wir zu der Einstellung gekommen sind, die wir heute einnehmen. Vielleicht irren wir uns. Vielleicht verbergen Salomo und die Hebräer nur ihre Kriegslust. Unser Baumeister muß nicht unbedingt Erfolg haben. Aber wenn es ihm gelingt, in Jerusalem einen Tempel zu bauen, wird die Weisheit unserer Vorfahren an ein anderes Volk weitergegeben, das sie seinerseits an künftige Generationen weiterreichen kann. Dieses Unternehmen ruht auf den Schultern eines einzigen Mannes. Er möge in sich gehen und sich vorbereiten. Lassen wir ihn allein.»

Siamun trat als letzter aus dem Ratssaal. Er wandte sich an Horemheb, der sich nicht vom Fleck gerührt hatte.

«Heute abend», sagte er zu ihm, «brechen wir nach Memphis auf.»

In der klaren Nacht wirkte die große Pyramide des Königs Cheops, deren Blendsteinverkleidung aus weißem Kalkstein in der Finsternis strahlte, wie ein riesiges Gebirge.

Siamun und der Oberbaumeister betraten das Innere, nachdem sie durch die stillen Alleen des oberen Tempels geschritten waren. Horemheb kannte den Plan des prächtigen Bauwerks, mit dem es noch kein Baumeister hatte aufnehmen können. Der Pharao befahl ihm, in den unterirdischen Saal hinabzusteigen und die rituellen Gegenstände zu holen, die man dort zum Wohle folgender Jahrhunderte aufbewahrt hatte.

Der Oberbaumeister ging in die Hocke und ließ sich durch die enge Öffnung gleiten, die in die Eingeweide der Erde führte.

Als er mit seiner kostbaren Bürde beladen wieder hochstieg, umarmte ihn der Pharao.

«Von jetzt an», so sagte er, «heißt du Hiram.»

Kapitel 12

Nagsara, Pharao Siamuns Tochter, war entgeistert. Sie zählte siebzehn Lenze und hatte Ägypten und den königlichen Hof noch nie verlassen, wo sie in wohligem Luxus fern der äußeren Welt und ihrer schrecklichen Wirklichkeit gelebt hatte. Da sie nicht zur Königin bestimmt war, hatte Nagsara die Freuden genossen, die den Frauen des Adels erlaubt waren: Dichtkunst, Tanz, Musik, Teilnahme an den Riten der Göttin Hathor, Dienst im Tempel, Spazierfahrten auf dem Land und dem Nil, üppige Festmähler. Die Tochter des Pharaos war mit prächtigen Lustbarkeiten und Festen groß geworden. Und sie hatte beschlossen, einen Mann zu heiraten, den sie liebte, und ihm zwei Kinder zu schenken, einen Jungen und ein Mädchen. Ein Freudentag folgte dem anderen, und alle verrannen im Rhythmus der Jahreszeiten unter dem Schutz der göttlichen Sonne.