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Nagsara wagte es nicht, Salomo nach dem Ziel ihres Ausflugs zu fragen. Es gefiel ihr, sich durch den leiten zu lassen, der sie verzaubert hatte.

Von einem Felsen fiel ein Wasserfall unter glasklarem Geplätscher auf ein mit Ibissen bevölkertes Inselchen. Die Welt wurde zu einem lauteren Traum, der süßer war als Honig. Oleander säumten den Weg. Salomo schob Zweige zur Seite und zeigte ihr einen merkwürdigen Weiher mit brodelndem Wasser. Auf einem Hügel stob ein Schwarzstorch auf. Nagsara zeigte zunächst Widerwillen gegen die weiche und feuchte Erde, in der bebende Papyrusstengel wuchsen. Doch ein laues Wasser umschmeichelte ihre Füße.

«Warme Quellen», erläuterte Salomo. «Die geheimsten von ganz Israel. Komm, bade darin. Sie vertreiben die Müdigkeit.»

Der König entkleidete die Prinzessin, ehe auch er das Gewand ablegte. Dann legte er seinen Mund auf ihren, nahm sie in die Arme und tauchte mitten in der Quelle unter. Von der untergehenden Sonne vergoldet, den Leib von köstlichem Gebrodel geliebkost, liebten sich der König und die Königin im Rausch ihres Verlangens.

Kapitel 15

Der Traum zerplatzte nicht. Nagsara wich nicht mehr von Salomos Seite und vergaß seine Nebenfrauen. Israels neue Königin hatte den Hof durch ihr gewandtes Auftreten und ihre Eleganz gewonnen, obgleich die Eifersucht der Damen von Adel auf die Fremdländerin nicht nachließ. Der König ließ sich von seiner jungen Gemahlin mitreißen und überließ die laufenden Geschäfte seinem Schreiber und dem Oberhofmeister.

Diese beiden Männer konnten sich nicht ausstehen. Sie stellten sich Fallen, bis es zum offenen Konflikt kam, der das Eingreifen Salomos erforderte.

Als der König nach einem weiteren Liebestag an den warmen Quellen auf seinem Thron Platz nahm, lehnte er es ab, sich die Vorwürfe der beiden Würdenträger anzuhören. Salomo dämmerte eine Erkenntnis: Ein großer Herrscher mochte zu einem außergewöhnlichen Geniestreich fähig sein, doch über Liebesspielen vergaß er seine Aufgabe.

Salomo schickte den Oberhofmeister fort und behielt nur den Schreiber da.

«Hast du eine Liste der von meinem Vater gesammelten Reichtümer angelegt, Elihap?»

«Ja, Gebieter.»

«Reichen sie, um den Bau eines Tempels zu finanzieren?»

«Gewiß nicht.»

«Gibt es einen hebräischen Baumeister, der neue Pläne zeichnen und die Baustelle organisieren kann?»

«Nein, und das weißt du sehr wohl, Gebieter. Es fehlt uns an edlen Materialien und an Zedernholz. Wir haben nicht genug Zimmerleute und Steinhauer, und zudem haben sie keine Erfahrung. Laß ab von diesem Tempel. Wenn du bei diesem Unternehmen scheiterst, verblaßt auch der Ruhm, den du dank des Bündnisses mit Ägypten genießt.»

Ablassen… Das Wort gefiel Salomo überhaupt nicht. Wenn er den Tempel aus seinen Gedanken strich, verlor er jegliche Würde. Nagsaras anbetungswürdiger Leib, der Stolz, eine Pharaonentochter zur Gemahlin zu haben, hatten ihn seine Pflichten vergessen lassen. Wie hatte sich Davids Sohn nur so schändlich aufführen können?

Der Tempeclass="underline" Er würde Bürge für den Bund Israels mit Gott und den der Erde mit dem Himmel sein. Er allein würde das Einvernehmen mit Ägypten von Dauer machen. Er würde ein Ort des Friedens sein, den keine Barbarei zu zerstören wagte. Salomo würde sich nicht mit menschlichem Glück begnügen.

Ablassen… damit würde er sich selbst zerstören und einen schrecklichen Tod auf sich nehmen, der ihm das Herz zerreißen würde. Aber wie Erfolg haben, außer er machte Israel reicher und schuf aus einem kleinen Land eine Handelsmacht und trieb obendrein noch die Menschen und Materialien auf, die er brauchte?

Diese Herausforderung durch das Unmögliche gab Salomo wieder Mut, auch wenn er mit weniger Erfolgsaussichten in den Kampf ging als David gegen Goliath.

«Bei wem hat mein Vater das versteckte Edelmetall gekauft?»

«Beim König von Tyros», antwortete Elihap.

«Laß ein Schiff klarmachen. Morgen breche ich nach Tyros auf.»

Durch seinen überstürzten Aufbruch in die große Hafenstadt, die Handelsmetropole des alten Phönizien, die westlich des Merom-Sees und südlich von Byblos gelegen war, verstieß Salomo gegen den Brauch, der einen Brief- und Gesandtenaustausch zwischen den beiden Herrschern erforderte, ehe man sich traf.

Der König von Tyros, ein vorsichtiger und verschlagener Mann um die Sechzig, galt als furchteinflößender Schacherer. Der Wohlstand seiner Stadt beruhte auf Handel und auf der mühelosen Nutzung natürlicher Reichtümer in den Landstrichen, die er kontrollierte.

Die Schutzgöttin von Tyros war die Gute Göttin, die lächelte wie Ägyptens Hathor und über die Seeleute und ihre Schiffe wachte. Ein Kapitän, der ihr opferte, ehe er in See stach, war gewiß, daß er der Wut des Meeres entgehen und wohlbehalten ankommen würde. Obwohl seine Mutter eine Israelitin aus dem Stamm Naphtali war, hatte sich der König von Tyros geweigert, zur Religion Jahwes überzutreten, denn er hielt diesen Gott für unduldsam und kriegerisch. Natürlich war er einverstanden gewesen, David Zedernholz für seinen geplanten Tempel zu verkaufen. Doch das aussichtslose Projekt war rasch wieder aufgegeben worden. Salomo hatte sich nicht gerade beeilt, die vernachlässigten Beziehungen zu Phönizien wieder aufleben zu lassen. Bereitete er sich nach seinem Bündnis mit Ägypten darauf vor, in einen Israel so nahe gelegenen Landstrich einzufallen?

Als man dem König von Tyros Salomos Ankunft meldete, dämmerte diesem, daß der General Pharao Siamuns, der soeben seinen Palast verlassen hatte, nicht gelogen hatte, als er ein baldiges Eingreifen des hebräischen Herrschers vorhersagte. Der Ägypter hatte dem Phönizier Empfehlungen gegeben und ihm im Austausch für völligen Gehorsam seinen Schutz angeboten. Was er vom König von Tyros forderte, war nicht ehrenrührig. Daher wollte sich der an die Anweisungen halten und sich nicht mit dem Reich am Nil entzweien.

Salomo kam allein, ohne Kriegsschiffe, ohne Streitmacht, ohne Dienerscharen. Ein geschicktes Vorgehen, fand der Phönizier. Er unterstellte sich dem Schutz seines Gastgebers, der nun über ihn wachen mußte, als wäre er ein heiliger Mensch.

Ob der Hebräer seinen schmeichelhaften Ruf wohl verdiente? Besangen die Dichter nicht seine Kenntnisse in der Sprache der Zedern und des Ysop, der Vögel und der Tiere auf dem Feld und all dessen, was da kreuchte und fleuchte? Übertrieb man nicht, wenn man einem so jungen Herrscher so viel Weisheit nachsagte?

Der Palast des Königs von Tyros war aus dicken Felsblöcken auf einen Felsvorsprung gebaut, der sich über dem Hafen erhob, wo es zahlreiche Handelshäuser gab. Große Fensteröffnungen ließen die Sonnenstrahlen in Säle fallen, die mit bunten Mosaiken ausgeschmückt waren. Das Militär war zwar zugegen, aber nicht zahlreich, und es hielt sich zurück. Tyros gab sich als eine für alle offene, nicht engstirnige Stadt, in der alle Völker Handel treiben durften. Jeder hatte Interesse daran, Tyros und seine Flotte zu erhalten, mit Eisen, Silber, Zinn und Blei zu handeln, und das gewinnbringend. Wer, wenn nicht der phönizische Hafen, machte die Könige reich, auch wenn sie Gegner waren? Wer, wenn nicht die ruhmreichsten Seevölker, wollte die außergewöhnlich kundigen, phönizischen Steuermänner in seinen Diensten haben? Aber vielleicht hatte Salomo, dessen Ehrgeiz so groß war wie das Meer, beschlossen, diese Situation zum Wohle seines Landes zu ändern.

Salomo wurde nur von seinem Schreiber begleitet, der hinter ihm ging und Palette und Schreibbinse trug. Der König von Tyros empfing sie auf der schönsten Terrasse seines Palastes, die von einer milden Wintersonne beschienen wurde. Er bot ihnen Palmwein und eingelegte Früchte an.

Salomos Charme bezauberte den König von Tyros schon bald, und dabei war er es gewöhnt, Fürsten und Herrscher zu empfangen. Zu schönen, erstaunlich gelassenen Zügen gesellte sich eine kluge und bedächtige Stimme. Es fiel nicht leicht, sich diesem Zauber zu entziehen. Der Phönizier mißtraute ihm. Würde es Israel mit einem Herrscher seines Schlages wagen, sich die Oberhoheit über die Länder der Umgegend zu sichern?