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Doch diese Maßnahmen genügten nicht, wenn man einen Tempel finanzieren wollte. Salomo rollte ein Goldkügelchen von der Größe eines Olivenkerns zwischen Zeigefinger und Daumen. Davon gab es noch mehr, mispelgroß und sogar nußgroß, aus dem Lande Ophir, das bei den Ägyptern Punt hieß und bei den Afrikanern Saba. Seine Berge waren aus Gold und Goldstaub. Sein Volk trug Armbänder und Ketten aus einem so lauteren Gold, das man es nicht mehr im Schmelztiegel reinigen mußte. Die Königin von Saba, Balkis, war die reichste Frau der Welt. Sie holte aus ihren Bergwerken ein Rotgold, das keine Spur von Silber aufwies, und obendrein Berylle und Smaragde. Die Sabäer, für ihren friedfertigen Charakter berühmt, verkauften außerdem Opium und Gewürze. An der Spitze ihres Staates stand nach altem Brauch eine Frau, die einem obersten Gott diente.

Salomo brauchte das Gold von Saba, wenn er den König von Tyros bezahlen und den Tempel in Jerusalem bauen wollte. Doch das Wunderland war nur vom Meer her zu erreichen. Aus diesem Grund hatte Israels König einen Hafen gebaut, hatte Handelsschiffe bauen lassen und einen Trupp Fußsoldaten gezwungen, Seeleute zu werden.

Salomos Flotte war mit Öl, Wein und Weizen beladen und sollte demnächst nach Saba in See stechen. Wenn sie mit Rotgold zurückkehrte, würde der junge Herrscher wissen, ob er sein großes Werk vollenden konnte.

Elihap störte Salomos Gedankengänge. Der Schreiber konnte dem Wind wenig abgewinnen und mußte lauter sprechen.

«Verzeihung, Majestät… Aber der Oberhofmeister bittet um deine sofortige Rückkehr nach Jerusalem.»

«Was ist geschehen?»

«Ein Aufstand», teilte ihm der Schreiber mit. «Das Volk erhebt sich.»

Weinkrüge standen umgestülpt auf Wolltüchern. Metzger schwangen ihre Messer und zerfetzten Stoffe. Überall auf dem Boden lagen Fleischviertel, wurden von den Walkern zertreten, die in wilder Unordnung zum höher gelegenen Viertel Jerusalems rannten. Bettler machten sich das Durcheinander zunutze, plünderten die Fischstände und stahlen auf dem Markt Obst. Schuster bewarfen damit die Spitze der Leibwache, die unter dem Befehl von General Banajas den Zugang zu dem Sträßchen abriegelte, das zum Palast führte. Frauen und Kinder hatten sich in die Häuser geflüchtet.

Die wütende Menge war unter Gebrüll durch den Rosengarten gestürmt, der noch aus der Zeit der Propheten stammte. Erschreckte Esel stoben in alle Richtungen davon und warfen ihre Last ab. Es gab keine Gasse mehr, in der nicht die wutentbrannte Bevölkerung tobte und David und sein Geschlecht verfluchte.

In Abwesenheit des Königs kam sich General Banajas verloren und verlassen vor. Sollte er den Bogenschützen den Befehl zum Schießen geben und damit einen Bürgerkrieg entfachen? Er verzweifelte daran, daß man die Ordnung so zum Gespött machte. Nein, er würde das königliche Haus nicht diesem Abschaum ausliefern. Lieber im Kampf fallen.

Auf einmal machten die Rädelsführer kehrt. Etwas Unvorhergesehenes tat sich, dessen Wirkung die Reihen der Aufrührer ins Wanken brachte; von der Unterstadt bis zur unmittelbaren Umgebung des Palastes hörte das Geschrei auf. Sodann legte sich lastendes Schweigen über alles.

Salomo war allein und ohne Leibwache durch das große Eingangstor getreten und ging gemessenen Schrittes an der langen Reihe der Aufrührer vorbei. Viele Bewohner der Hauptstadt sahen ihren König zum ersten Mal ganz aus der Nähe. Keiner von ihnen wagte es, ihn anzufassen, aus Angst, er könnte vom Blitz niedergestreckt werden.

Salomos Miene zeigte keinerlei Furcht. Er wirkte so gelassen, als ginge er allein auf der Heide spazieren.

Er richtete das Wort an einen der Rädelsführer, einen äußerst erregten Gerber mit verarbeiteten Händen.

«Warum dieser Aufruhr?» fragte er.

Der Gerber fiel auf die Knie.

«Gebieter… Die Ägypterin…»

«Was hast du Israels Königin vorzuwerfen?»

«Sie widmet sich dem Schlangenkult, der Schlange, die uns aus dem Paradies vertrieben hat.»

«Wer behauptet das?»

«Es ist die Wahrheit, Gebieter! Du, unser König, darfst eine solche Beleidigung Jahwes nicht dulden!»

«Geh an deine Arbeit zurück. Ich herrsche durch Gottes Gnade, und nur von Ihm habe ich meine Macht bekommen. Ich werde Ihn niemals verraten.»

Der Gerber küßte den Saum von Salomos Gewand. Dann stand er auf und schrie aus vollem Hals: «Es lebe Salomo!»

Der Jubelruf wurde von der Menge aufgenommen.

Eine Stunde später war der Handel auf dem Markt wieder in vollem Gange.

Nagsara, die auf die unnachahmliche Weise der Ägypterinnen geschminkt war, bot ihrem Gemahl die Stirn.

«Ist Israel nicht imstande, andere Kulte zuzulassen? Ist Jahwe in dieser Hinsicht eifersüchtig und dumm?»

«Weißt du nicht, daß die Schlange in den Augen meines Volkes das Symbol des Bösen ist?»

«Dein Volk ist barbarisch. In Ägypten schützt die Kobra, die ich verehre, die Ernte. Wenn ich ihr huldige, bringe ich Israel Wohlergehen.»

Salomo ließ sich von den verliebten Blicken der Pharaonentochter nicht rühren, sondern blieb ernst.

«Nagsara, du bist umfassend gebildet. Du kennst die Fabel von der Schlange, die Adam und Eva verführte, genau. Als du deiner heiligen Kobra öffentlich geopfert hast, da hast du meinen Thron in Gefahr gebracht.»

«Ja, ich habe Jerusalem herausgefordert. Es war das einzige Mittel, dich aus diesem gottverlassenen Hafen am Roten Meer zu locken. Verurteile mich. Bestrafe mich. Aber schenke mir wenigstens einen Blick.»

Salomo nahm die Königin in die Arme und forderte sie auf, sich neben ihn auf ein Lager aus Polstern zu legen.

«Du bist ungerecht, Nagsara. Der Beruf des Königs ist aufreibend. Gott hat mir die Aufgabe anvertraut, Israel zu schaffen.

Das muß doch die wichtigste meiner Beschäftigungen sein, oder?»

Die junge Ägypterin legte den Kopf auf Salomos Brust.

«Ich nehme es hin, daß ich an zweiter Stelle komme, Gebieter, aber ich will geliebt werden… Das Feuer, das du in mir geweckt hast, kann nur durch deine Gegenwart gelöscht werden. Dank dir ist aus meinem Schmerz Glück geworden. Ich liebe dich, mein Gebieter.»

Salomo entkleidete Nagsara mit kundiger Hand, und sie schloß im Freudentaumel die Augen.

Schwalben tanzten im Abendsonnenschein. Sie flogen so schnell, daß Salomo ihnen nicht mit den Augen folgen konnte. Israels König besann sich auf die Legende, laut der diese Vögel die unsterblichen Seelen der ägyptischen Pharaonen waren, die in das Licht zurückkehrten, aus dem sie gekommen waren.

Wie fern er sich ihnen in diesen Augenblicken der Einsamkeit fühlte!

Salomo hatte dem von Nagsara ausgelösten Skandal ein Ende gemacht. Das Volk schenkte ihm weiter Vertrauen, obwohl er der Königin erlaubt hatte, an ihrem Glauben festzuhalten. Von jetzt an würde sie sich ihrem Kult an einem abgeschiedenen Ort, hoch über der Stadt und geschützt vor neugierigen Blicken, widmen. Daß jeder davon wußte, zählte nicht. Wichtig war in den Augen der Priesterkaste nur, daß man nichts sehen konnte.

Nagsara genoß ein wolkenloses Glück. Sie hatte den sinnlichsten Nebenfrauen gelauscht und bot sich ihrem Gemahl mit Begeisterung an. Doch wie hätte sich Salomo ohne Hemmungen an einem Leib, auch wenn er noch so vollkommen war, erfreuen können, da ihn unerträgliche Sorgen quälten?