Выбрать главу

Wortlos begleitete der General Hiram zu einem Haus aus Ziegelsteinen in einer Gasse, die zur Oberstadt führte.

Eine rasche Musterung, und Hiram hatte sich ein Bild gemacht: zuviel Stroh im Ziegel und nicht hoch genug gebrannt. Die Bauweise war jedoch angesichts der elenden Behausungen aus Lehm und Stroh in der Unterstadt durchaus interessant und hatte etwas Anziehendes. Ein Innenhof, der Licht aus Öffnungen in der Decke bekam, und darum herum etliche kleine Zimmer. Ein Speisezimmer, ein Arbeitszimmer, zwei Schlafkammern, eine Küche, ein Waschraum und ein Abort. Das Holzgerüst zu leicht, würde nicht lange halten. Die Mauern schlicht verputzt. Aber die Bauweise, die der ägyptischen Architektur abgeschaut war, hielt im Sommer kühl und im Winter warm.

Der Gewitterhimmel verdunkelte das Innere des Hauses. Hiram roch den charakteristischen Geruch von Olivenöl, den eine Lampe aus gebranntem Ton abgab, die in einem Loch in der Wand stand und deren Leinendocht Tag und Nacht brannte. Er ergriff die Lampe am Henkel und überzeugte sich, daß der Behälter voll war, darauf sah er sich seine Unterkunft an und ließ Banajas dabei auf der Schwelle stehen.

Im Speisezimmer gab es eine Truhe mit zwei Fächern, eines für Stoffe und Kleider, das andere für Vorräte. Dieses einzige Möbelstück war in die Mitte des Raumes gerückt worden und diente bei Gastmählern als Tisch. Die meiste Zeit jedoch speiste man nach alter Sitte auf dem Boden sitzend.

In einer der Schlafkammern stand ein Bett mit Beinen; in der anderen lagen ein Dutzend Polster, ein Stapel Decken und eine Holzstütze, auf die der Schläfer, wie in Ägypten üblich, den Hals stützen konnte. Was die Matten anging, auf denen man zur Sommerzeit auf dem Dach schlief, so waren sie kostbar. In der Küche gab es ein Holzkohlebecken, das unbestreitbare Zeichen von Wohlstand. Dazu mehrere mit Stroh zu beheizende Kochöfchen, die gesäubert aufgereiht standen. Draußen, unweit der Treppe, die aufs Dach führte, gab es einen Backofen, den man mit Torf beheizte, wenn man Fleisch braten wollte.

Damit zeigte Salomo dem Oberbaumeister seine Achtung. Zweifellos hatte er einen Würdenträger vor die Tür setzen müssen, damit er Hiram so behaglich unterbringen konnte. Doch eine wichtige Einzelheit störte den Baumeister. Er prüfte die Eingangstür eingehender, drehte sie in den Angeln und bewegte das Schloß.

«Ich brauche einen Türriegel», sagte er zu Banajas.

«Einen Türriegel? Aber warum…»

«Diese Unterkunft ist zugleich meine Werkstatt. Hier bewahre ich meine Pläne und Zeichnungen auf, daher muß sie sicher verschlossen sein und Tag und Nacht bewacht werden.»

«Diese Forderungen…»

«Diese Forderungen müssen unverzüglich erfüllt werden. Falls nicht, verlasse ich Jerusalem.»

Banajas zog das Schwert aus der Scheide.

Bei Hirams ruhigem Blick stockte ihm das Blut in den Adern. Der Blick des Fremdlings strahlte einen Zauber aus, einen Zauber, der eine Waffe zum Töten nicht erforderlich machte.

«Hüte dich, Fremdling. Unverschämte Menschen machen sich in Israel unbeliebt.»

«Und ich verabscheue Neugierige und Lügner. Niemand, nicht einmal du, darf über die Schwelle dieser Wohnung treten.»

Darauf schlug Hiram die Tür zu und versperrte sie von innen. Es war ihm einerlei, daß er sich damit diesen hirnlosen Schwertschwenker zum Feind machte. Durch diese Einstellung zwang der Oberbaumeister Salomo, ihm völlig zu vertrauen oder ihn des Landes zu verweisen.

Hiram richtete sich in seinem Arbeitszimmer ein. Es gefiel ihm, denn es ähnelte den Priesterzellen, die auf den heiligen See von Karnak gingen. Die hier gelagerten Papyri hatten zwar nicht den schönen Goldton der ägyptischen, doch ihre Struktur schien richtig zu sein. Die auf einem niedrigen Tisch aufgereihten Schreibbinsen mußten noch angespitzt werden, wenn er damit vollendete Striche ziehen wollte.

In der Küche lärmte jemand, und Hiram merkte auf.

Er stieß dort auf ein junges Mädchen von ungefähr fünfzehn Lenzen, das so erschrocken blickte wie ein Reh aus Samaria.

«Wie bist du hereingekommen?»

Sie duckte sich und zeigte auf eine kleine, niedrige Tür, durch die ein sehr zierliches Geschöpf Einlaß finden konnte. Die erste Arbeit des Oberbaumeisters würde darin bestehen, alle Eingänge mit Ausnahme des Eingangs zur Gasse zu verriegeln.

«Was hast du hier gemacht?»

«Dir gedient, mein Gebieter. Ich bin deine Nachbarin, und ich soll Öl nachgießen und die Lampenflamme bewachen. Falls sie mir ausgeht, sterbe ich im Wochenbett. Ich soll Brot für dich machen, Teig kneten und ihn im Ofen backen, ich soll…»

Es klopfte an der Tür, und das immer lauter.

Hiram machte auf.

Es war Kaleb, der Hinkefuß, der seinen eisenbeschlagenen Stecken schwenkte.

«Habe ich es doch geahnt», rief er, «habe ich es doch gewußt! Raus mit dieser Teufelin!»

Rasch und heftig ergriff Kaleb das junge Mädchen am Arm und schob es nach draußen.

«Laß mich machen, mein Fürst! Ich bin gekommen, weil ich dir helfen will. Jerusalem ist eine Stadt voller Gefahren. Und die schlimmste sind die Frauen! Ihre Bosheit ist ärger als Verwundungen in der Schlacht, und es gibt keine Giftschlange, die furchterregender wäre. Lieber mit einem Löwen und einem Drachen zusammenleben als mit einer Frau, lieber einen Skorpion in die Hand nehmen als so einen verfluchten Körper! Dieses Mädchen wäre dein Untergang gewesen. Du hast mir das Leben gerettet, ich rette deines!»

«Vielen Dank, Kaleb, aber wer wird für mich sorgen?»

«Ich, mein Fürst! Keiner kann besser den Besen schwingen als ich. Niemand backt ein besseres Brot. Ich knete Teig im Backtrog und backe ihn über Glut. Ich mache einen Fladen, den man brechen kann, den man nicht schneiden muß. Das hätte dich keine Frau gelehrt. Hätte sie dir erzählt, daß man rohes Fleisch auf Brot legen muß, aber niemals auf Stein? Hätte sie dir gezeigt, daß man keine Krumen aufsammelt, die kleiner als eine Olive sind? Frauen sind falsch, ich jedoch bin ein ehrlicher Mensch. Ich werde dir die Straßen von Jerusalem zeigen. Ich habe hier nämlich viele Freunde.»

«Ich hätte mich gern rasiert und gewaschen», sagte Hiram.

Kaleb lächelte von einem Ohr zum anderen.

«Das geht nicht ohne mich! Trotz Salomos Bewässerungssystem ist Wasser noch immer knapp. Nur der König und die Reichen haben es in ihren Häusern. Ich hole dir in großen Krügen Wasser aus dem Brunnen, sooft du etwas haben willst. Und die restliche Arbeit übernehme ich auch.»

Kaleb besorgte seinem Herrn einen Bottich, in den er lauwarmes Wasser, einen Bimsstein, Natron und Seife auf Natronbasis tat. Er brachte ihm auch einen Schwamm, eine Bürste, Rosmarin, damit das Wasser duftete, und Anis zum Zähneputzen. Er umsorgte ihn, als wäre er von Adel.

Der treue Diener rasierte Hiram sorgfältig. Seine Klinge machte auch nicht den kleinsten Kratzer. Zart fuhr sie über eine Kehle, die sie vor nicht allzu langer Zeit noch hatte durchschneiden wollen.

Das Essen war hervorragend. Kaleb hatte ein Linsengericht mit Zwiebeln gekocht und Eierfrüchte und grüne Pfefferschoten hinzugefügt. Danach verschlang der ausgehungerte Hinkefuß noch einen Kressesalat.

«Ich habe die besten Lieferanten», erklärte er. «Sie bebauen kleine, windgeschützte Gärten in der Unterstadt.»

Jählings stieß Kaleb einen Schmerzensschrei aus und legte die Hand an die Wange.

«Schon wieder dieser vermaledeite Zahn… Es zerreißt mir noch den Kopf. So geht das nicht weiter. Er muß raus. Aber der Schmied ist teuer… Hast du zufällig ein kleines Silberstück…»

«Gibt es hier denn keine Ärzte?» verwunderte sich Hiram.

«Zähneziehen ist Schmiedsarbeit.»

Die Zahnärzte der Schule von Sais in Unterägypten hätten diese Sitte nicht gutgeheißen, sie, die sich in schmerzlosem Zahnziehen übten, so daß der Patient nicht leiden mußte, und die die Wunde mit pflanzlichen Substanzen schützten, damit sie sich nicht entzündete.