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«Majestät, bist du denn nicht reich?»

Salomo blickte seinem Oberbaumeister, der so prächtig gewandet vor ihm stand, in die Augen.

«Nicht reich genug, Meister Hiram. Ich kann den Bau anfangen, aber nicht zu Ende führen. Ein besonnener König würde sich weiter in Geduld üben. Aber ich spüre, daß die Zeit reif ist. Ganz Israel muß sich in der Suche nach seiner Größe vereinen.»

Salomo war weder von Sinnen noch ein Träumer. Seiner Stimme war unterschwellig die Freude am Erschaffen anzuhören. Gewiß, sein Gott war nicht der Hirams, aber das Unterfangen begann den Oberbaumeister zu reizen.

«Warum bittest du die Königin von Saba nicht um Gold?» schlug er vor. «Ihr Land hat davon in Hülle und Fülle, aber es fehlt ihm an Weizen.»

Salomo setzte sich hin und dachte nach.

«Zwecklos. Dieses Königreich ist Israel nicht zugänglich.»

«Für mich sehr wohl, Majestät.»

Salomo musterte Hiram halb aufmerksam, halb verdutzt.

«Was willst du damit sagen?»

«Ich habe mich in diesem Land aufgehalten und dort auch gearbeitet, und ich bin mit einem der königlichen Baumeister befreundet. Es gibt nicht viele, die meinen Beruf ausüben, daher sind wir eine enge Gemeinschaft. Wir haben geschworen, uns in schwierigen Situationen zu helfen. Wenn ich ihn bitte, bei der Königin vorstellig zu werden, um eine Handelsbeziehung aufzubauen, wird er es tun.»

«Und die Königin?»

«Da kann ich nichts versprechen.»

Salomo mochte es nicht recht glauben.

«Erzähle mir von Saba.»

«Es ist die Insel, aus der die Sonne aufsteigt, der Urhügel, auf dem der Phönix liegt, der auf einem Holzstoß mit Weihrauch und Myrrhe verbrannt wird. In den Wäldern leben Geparden, Nilpferde, Panther und Giraffen. Die Einwohner zähmen Paviane. Die Berge sind von tiefen Schluchten durchzogen, in die Gold und Silber fließt. Auf ihren Hängen weiden Herden. Es gibt keine Armen. Jeder besitzt Geschirr aus Gold. Die Stuhlbeine sind aus Silber. Die Königin ist nicht geizig. Sie zahlt großzügig für die Nahrungsmittel, die ihr Volk braucht, aber sie sucht sich die Länder aus, die ihr Nahrung liefern. Man munkelt, daß sie schön wie eine Göttin ist.»

«Hast du sie kennengelernt?»

«Nein. In der Zeit, als ich mich in Saba aufgehalten habe, war ich nur ein junger Bauzeichner und nicht würdig, von ihr empfangen zu werden. Ich habe sie in einem Tragsessel vorbeiziehen sehen, der mit Rotgold überzogen war, aber ich habe lediglich ihre Tiara erblickt.»

Salomo zögerte, weil er Hiram nicht dankbar sein wollte.

Wenn er ihn um Hilfe bat, so hieß das, vom Thron zu steigen und den Baumeister als ebenbürtigen Herrscher in einem Reich anzuerkennen, über das der König von Israel nicht herrschte. Doch zählte Gottes Tempel nicht mehr als die Eitelkeit eines Herrschers?

«Ich mag keine Aufschneider, Meister Hiram. Wenn du es kannst, hole uns Gold aus Saba.»

Kapitel 21

Zwei Wochen lang verschönerte Hiram das Haus, das Salomo ihm zugewiesen hatte. Er verputzte die Mauern, mauerte die kleine Tür zu, die von außen Zugang zur Küche bot, und verstärkte den Riegel der Haustür. Er arbeitete langsam, so als hätte er alle Zeit der Welt.

Im Nachgang zu seiner Unterhaltung mit Salomo wurde er vom Schreiber des Königs empfangen. Gemeinsam verfaßten sie eine Mitteilung an einen in Saba wohnenden Baumeister. Elihap hatte den protokollarischen Text verfaßt, Hiram die verschlüsselte Botschaft aus Laien unverständlichen Zeichen. Die Zukunft von Salomos Bau hing vom Ausgang dieses Vorstoßes ab.

Kaleb pflegte seine kranken Zähne, die ihn häufig zum Ausruhen zwangen. Trotzdem bereitete er die Mahlzeiten mit großer Sorgfalt zu, denn sein Appetit versagte nie. Der Hinkefuß schlief im Haus zusammengekuschelt vor Hirams Schlafkammer. Er hatte seiner Lebtage noch keine so angenehme Unterkunft gehabt, auch kein Dach, das ihn vor Regen und Wind schützte. Kalebs sehnlichster Wunsch war, Hiram möge so lange wie möglich in Jerusalem bleiben. Jeden Tag dankte er Jahwe, daß er einen so großzügigen und gar nicht anspruchsvollen Herrn gefunden hatte.

An einem Gewitterabend, als der Regen die Wadis füllte, die er in den Bergen ausgewaschen hatte, hörte Hiram ein merkwürdiges Geräusch. Kaleb schlief wie gewohnt mit geballten Fäusten. Der Oberbaumeister trat aus seinem Arbeitszimmer, wo er geometrische Raster zeichnete, und ging zur Tür. Der von Banajas zur Wache abgestellte Soldat hatte seinen Posten verlassen und unter dem Vorbau des Nachbarhauses Schutz suchen müssen.

Jemand versuchte, in das Haus des Baumeisters einzudringen.

Hiram riß die Tür auf.

Vor ihm stand ein tropfnasser, ausgemergelter Hund, eine Kreuzung aus Wolf und Schakal. Seine braunen Augen bettelten, jedoch nicht kraftlos und unterwürfig.

«Komm», sagte Hiram.

Der verirrte Hund stemmte die Vorderpfoten auf die Schwelle und witterte den Geruch des Hauses. Der schien ihm zuzusagen, er warf dem Oberbaumeister einen schiefen Blick zu und betrat vorsichtig den Innenhof.

Als er zufrieden japste und Hiram die Hand leckte, wachte Kaleb auf. Beim Anblick des Tieres wurde er wütend.

«Jag ihn weg, mein Fürst! Das ist eins von den Ungeheuern, die Unrat fressen!»

Hiram hinderte den Hinkefuß daran, das Tier zu schlagen.

«Er bleibt hier», entschied er. «Und er heißt Anup.»

Anup, die Verkleinerungsform von Anubis, war der Wüstenschakal, der in tiefer Nacht herumstreifte und die Erde von Abfällen befreite. Anubis, der die Verstorbenen mumifizierte und den Leichnam für die Wiederauferstehung bereitmachte.

War es nicht der Geist Anubis’, der in Gestalt eines Hundes kam, Hiram Ägypten brachte und ihn daran erinnerte, daß am Ende seines irdischen Wegs die schönen Pfade des Jenseits begannen?

Nagsara verließ ihre Gemächer allein mit einem Kohlebecken voller Holzkohle und einem Becher mit frischem Weihrauch. Sie schlug einen uralten Rundweg ein, dessen moosbedeckte Steine schon bald von Wildkräutern entblößt sein würden. Der kleinste Ausrutscher verurteilte den Spaziergänger dazu, einen sehr steilen Abhang hinunterzustürzen und sich die Knochen zu brechen. Die Wolken teilten sich, der Mond erhellte Israels Königin den Weg.

Nagsara zitterte nicht. Ihr Fuß trat sicher auf. Sie schlug einen Pfad ein, der zum Gipfel einer Felsspitze führte, die gegenüber der Stelle lag, auf der Salomo den Tempel erbauen wollte. Der Tag war nicht mehr fern, aber noch lag Jerusalem in Dunkelheit getaucht. In Tanis, der ägyptischen Hauptstadt, wo die Prinzessin gelebt hatte, brannten die ganze Nacht hindurch Lampen auf den Dächern der Heiligtümer, in denen die Astrologen arbeiteten.

Die Laschheit hier begünstigte das Vorhaben der Königin. Mit jedem Viertel des Mondes feierte sie den Hathor-Kult fern der haßerfüllten Blicke der Priester, die gelobt hatten, sie zu vernichten. Nagsara wußte, daß die Mehrheit des Volkes sie liebte, stolz auf die aufsehenerregende Vermählung des Königs war und die Geistlichkeit verabscheute. Diese wollte nicht zulassen, daß die Gemahlin Salomos an ihrem Glauben an die fremdländischen Gottheiten festhielt, deren Existenz Jahwe leugnete.

Nagsara scherte sich nicht um diese Meinung. Ihr Herz litt unter Salomos Gleichgültigkeit. Die Zeit hatte ihre Leidenschaft für diesen König, der sie so bezauberte, nicht dämpfen können. Salomo liebte sie nicht. Er hatte mit ihr gespielt wie mit einer Nebenfrau. Wenn er ihr noch Achtung bezeugte, dann wegen ihrer diplomatischen Rolle. Die leidenschaftliche, hingebungsvolle Frau sah er nicht mehr. Seine Gedanken drehten sich nur noch um den geplanten Tempelbau.