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«Bist du gegen einen prächtigen Tempel in Jerusalem?»

«Eine Narretei», bestätigte Elihap. «Sie ruiniert Israel und führt Salomo ins Verderben. Wenn die Katastrophe sichtbar wird, bist du der erste, den man anklagt. Ich will weder deinen Tod noch den Niedergang dieses Landes. Auch wenn ich in Ägypten geboren bin, auch wenn ich noch immer glaube, daß mich der Gott Apis schützt, so bin ich doch zum Hebräer geworden. Dieses Volk ist jetzt auch mein Volk. Ich bin Salomos Diener. Wenn er seiner Eitelkeit nicht nachgibt und wenn er diesen verfluchten Tempel vergißt, wird aus ihm ein guter Herrscher.»

«Wenn ich gehe», sagte Hiram, «sucht sich Salomo einen anderen Oberbaumeister aus.»

«Nein», meinte Elihap. «Der König ist davon überzeugt, daß du von Gott dazu auserkoren bist. Wenn du es dir anders überlegst, kann er seinen Fehler eingestehen und seinen unseligen Plan aufgeben.»

Die Sonnenscheibe verschwand hinter dem Horizont. Die Delphinschar zog aufs weite Meer. Die Feuer der Schmieden erhellten Ezjon-Geber und machten daraus einen rötlichen Riesentisch.

«Und wenn du irrst?» fragte Hiram. «Wenn Salomos Tempel der Schlüssel zu Israels Glück ist?»

«Ich irre mich nicht. Dieses Volk ist ein Mosaik aus Stämmen, die sich unter dem Schutz eines Gottes, den sie für einzigartig halten, unaufhörlich bekriegen müssen. Salomo ist zu groß für dieses Land. Er denkt und handelt wie ein Pharao. Aber Israel ist nicht Ägypten. Daß der König einen gewissen Frieden wahrt, ist gut. Daß er versucht, einen Tempel und ein Reich zu schaffen, ist der sichere Untergang und das Ende der Hebräer. Ein Unglück, für das vor allem du verantwortlich bist, Meister Hiram. Wenn deine Arbeit hier beendet ist, wartet Salomo in Jerusalem auf dich. Wärst du doch nie gekommen!»

Elihap entfernte sich, eine schattenhafte Gestalt in der hereinbrechenden Dunkelheit.

Auserkoren von Gott, ausersehen… Wer wäre da nicht seiner Eitelkeit erlegen? Doch es war nichts als das Geplapper vertrauensseliger Kinder. Aber Hiram liebte Herausforderungen. Ganz Ägypten war eine riesige Herausforderung des Unsichtbaren. Salomo war weder sein Bruder noch sein Freund. Dennoch interessierte sich Hiram allmählich für dieses Spiel, das er mit dem Schicksal spielte. Einem Menschen vom Format eines Pharaos zu dienen, auch wenn es auf fremdem Boden war, bürdete einem das nicht Pflichten auf, die dem des Lichtes ähnelten, wenn es die Wolken zerriß?

Hiram verließ Ezjon-Geber mitten im Herbst kurz nach dem Beginn des religiösen Jahres, das man zu der Herbst-Tagundnachtgleiche während des Erntefestes feierte. Mittlerweile waren die Tage nicht mehr glutheiß, sondern goldbraun, und rochen nach Heimweh. Die Natur bereitete sich auf die Ruhepause vor. Das sonst so bewegte Meer zeigte sich in Blau und Grün und schien ferne Weisen zu singen, die bis zum Anbeginn der Welt zurückreichten. Der Baumeister betrachtete es einen ganzen Morgen lang, so als würde er es niemals wiedersehen.

Das Bündel auf dem Rücken, den Wanderstock in der Hand, mit einem Arbeiterschurz bekleidet, so verließ er die Stadt, ohne irgend jemandem Lebewohl zu sagen. Anup trabte neben ihm. Ezjon-Geber war eine blühende Stadt geworden, in der es Händler und Kaufleute, die Waren verschifften, verstanden hatten, die Macht zu übernehmen. Zahlreiche junge Männer hatten sich an die Kupferverarbeitung gewöhnt. Hiram kannte jeden beim Namen. Wenn er sie demnächst benötigte, würden sie ihn nicht im Stich lassen.

Kaum hatte er den Hang des ersten Hügels in Angriff genommen, als eine Staubwolke einen sich nähernden Reiter ankündigte.

Anup bellte.

Hiram blieb stehen und faltete die Hände über dem Knauf seines Steckens.

Der Mann ließ sein Pferd steigen, daß es über dem Oberbaumeister dräute.

«Bist du der, den sie Meister Hiram nennen?»

«Das bin ich.»

Der Reiter mit dem roten Haar und dem mächtigen Leib zog wie wild an den Zügeln, weil er sein aufsässiges Pferd zügeln wollte.

«Ich heiße Jerobeam. Salomo hat mich damit beauftragt, Pferdeställe zu bauen. Alle Baustellen im Königreich unterliegen meiner Kontrolle.»

«Mit Ausnahme meiner», berichtigte Hiram.

«Es wird keine Ausnahme geben», verhieß Jerobeam. «Entweder du unterwirfst dich meinem Oberbefehl, oder du kehrst nach Tyros zurück.»

«Ich kenne keine andere Oberhoheit als die des Königs von Israel. Wenn du schon befehlen willst, verstehst du dann wenigstens etwas von der Kunst des Bauzeichnens?»

Der rothaarige Riese brauste auf.

«Deine Geheimnisse, Meister Hiram, sind nichts als Wahnbilder. Stelle dich mir nicht entgegen und komme mir nicht in die Quere. Andernfalls…»

«Andernfalls?»

Das Pferd stieg erneut.

Jerobeam riß es herum und sprengte in scharfem Galopp davon.

Kapitel 23

Die Nacht war hell und rot. Ein rötlicher Mond zog die besorgten Blicke der Einwohner Jerusalems auf sich. War das nicht ein schlechtes Vorzeichen? Verriet dieser unheilvolle Schein nicht Jahwes Zorn? Dennoch herrschte Frieden in Israel. Das Land wurde immer reicher. Seine Nachbarn hatten Achtung vor ihm. Salomos Ruhm wuchs und wuchs. Doch da war seine Frau, diese Ägypterin, die weiterhin den falschen Göttern opferte. Wenn sie nicht die Gemahlin des Königs gewesen wäre, eine Rächerhand hätte ihr längst den Lebensfaden abgeschnitten.

Nagsara betete immer häufiger zu Hathor. Sie spielte in ihrem Schlafgemach das Sistrum, ein Musikinstrument mit metallischem Klang, der dem Herzen der Göttin angenehm war. Ihre Bemühungen waren nicht vergebens. Salomo hatte eine Nacht bei ihr verbracht und ein Feuer gezeigt, das sie schon für immer erloschen gehalten hatte. Nagsara hatte nichts gefordert. Stumm hatte sie sich wie eine beliebige Nebenfrau damit begnügt, ihrem Gemahl zu gefallen. Der König, der eine Flut von Beteuerungen, ja sogar Beschimpfungen befürchtet hatte, wußte die maßvolle Haltung seiner Frau zu schätzen. Wenn das Liebesspiel gelingen sollte, durfte man sich nicht zanken.

Salomo wußte, daß sich Nagsara der Magie bediente, weil sie seine Gefühle beherrschen wollte. Mehrere Male hatte er Elihap befohlen, ihr zu folgen und die Riten zu beobachten, denen sie sich widmete. Israels König unterschätzte die Gaben seiner Gemahlin durchaus nicht. Wenn sie mit Hathor sprach, drehte er vorsichtshalber Jahwes Siegel in Richtung Boden. Auf diese Weise wendete er den Zauber der Ägypterin von sich ab, der dann in die Erde ging.

Warum hielt sich Hiram nur so lange in Ezjon-Geber auf? Gewiß, es war wichtig, daß sie Kupfer herstellten, aber der Hafen war so weit von Jerusalem entfernt. Wann würde ihm der Baumeister einen ersten Plan vorlegen? Wann würde er sich endlich mit dem Beginn des Baus beschäftigen, von dem das Schicksal Israels abhing? Salomo hatte bereits daran gedacht, einen anderen Baumeister einzustellen. Hiram war zu scheu, zu heimlichtuerisch. Aber er verstand sich auf die Kunst des Bauzeichnens, wie es nicht viele Baumeister von sich behaupten konnten. Wer wäre fähig, ihn zu ersetzen?

Doch Salomos Geduld ging allmählich zu Ende. Heute abend noch. Morgen würde er Jerobeam bitten, mit der Einstellung von Arbeitern weiterzumachen. Der König hatte von der Königin von Saba Rotgold erhalten. Er konnte Hunderte von Handlangern bezahlen und die edelsten Materialien heranschaffen lassen. Jetzt weiterhin die Hände in den Schoß zu legen wäre ein unverzeihlicher Fehler. Hatte Hiram etwa enttäuscht oder verbittert Israel verlassen?

Salomo begab sich zum Fuß des Felsens, auf dem er seinen Tempel bauen wollte. Er hob den Blick zum Gipfel, einem Vorsprung, der den Hügel Ophel überragte. Diese Felsnase von weit über tausend Ellen Höhe, die Jerusalem bekrönte, verlieh der Stadt eine Ausrichtung zum Himmel. David hatte seine Stadt befestigt, Salomo wollte eine heilige Stadt aus ihr machen. Er würde den Felsen von drei Seiten, im Westen, im Norden und im Süden, behauen lassen und oben eine Ebene schaffen, auf der sich die Gebäude nach Osten hin öffneten.