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Wenn sie sich erst berieten, hatte Jerobeam, da war er sich sicher, gewonnenes Spiel. Wer sah in ihm nicht einen Krieger, der kampflüsterne Truppen begeistern konnte? Der rote Riese genoß die reine Bergluft in tiefen Zügen. Diese Provinz gehörte ihm wie alle anderen auch. Er würde dieses Land besitzen und es erneut auf seine sprichwörtliche Tapferkeit stolz machen.

Die Beratungen dauerten nur kurz.

Der Fürst des Stammes Ephraim trat zu Jerobeam.

«Wir bleiben Salomo treu», teilte er ihm mit. «Und deine Rede vergessen wir.»

Die Verschwörer schlugen Pfade ein, die hinab in die Ebene führten. Jerobeam brüllte seine Wut hinaus. Mit einem Fußtritt warf er das Faß um. Der Saft verteilte sich auf dem Boden und färbte ihn rot.

Kapitel 32

Anup bellte. Lehrlinge und Gesellen scharten sich um Kaleb, und alle waren verstört über die furchtbare Entdeckung.

Ausgerechnet der Straßenkehrer hatte sie aufgeschreckt. Am Vorabend des Sabbat war er auf das Dach der Zeichenwerkstatt gestiegen, das aus schlichtem, lehmbeworfenem Flechtwerk bestand. Jemand hatte ein Loch gemacht und war in das Bauwerk eingedrungen, das verriegelt war und den Eindruck von Sicherheit vermittelte.

Hiram, der sich seit zwei Tagen in Ezjon-Geber aufhielt, wo er die Hochöfen besichtigte, wurde nach Jerusalem zurückgerufen. Vor ihm wagte niemand festzustellen, wie groß das Ausmaß des Schadens war.

Der Oberbaumeister sperrte die Tür auf und betrat den Bereich, den er bislang für geschützt gehalten hatte. Werkzeuge, Papyri und Schreibbinsen waren verschwunden. Entsetzt hob Hiram den Deckel des Kastens hoch, in dem der Bauplan lag. Doch der Plan war nicht gestohlen worden.

Das war wirklich ein sonderbarer Diebstahl. Warum war das Wichtigste nicht mitgenommen worden? Der Baumeister entrollte den kostbaren Papyrus, da er Beschädigungen befürchtete. Doch seine Angst war unnötig gewesen. Er bat die Gesellen, ein neues Flachdach aus Ziegelsteinen zu bauen, auf das er einen Späher postieren konnte.

Anup war außer sich vor Freude, daß er seinen Herrn wiedersah, und versuchte ihn zu einem Spaziergang zu verlocken, doch Kaleb kam dazwischen, wollte sich unverzüglich und fern der Baustelle mit Hiram unterhalten. Der Hund, der wußte, wie schnell sie gehen würden, verschwand in einem Gebüsch und tauchte aus dem Unterholz wieder auf, denn er witterte, wohin sie strebten. Die beiden Männer gingen lange über die Felder bis zu einem schmalen Abgrund mit kleinen Höhlen, in die sich Schafherden bei starkem Regen flüchteten. Erschöpft setzte sich Kaleb unter einen wilden Feigenbaum, der reiche Früchte trug.

«Ich bin zu alt für derartige Gewaltmärsche.»

«Ich hatte dich damit beauftragt, über die Baustelle zu wachen», erinnerte ihn Hiram. «Es ist eingebrochen worden. Was hast du erfahren?»

«Leider gar nichts! Diese Untat wurde mitten in der Nacht begangen. Da habe ich geschlafen. Dein Hund auch. Aber ich bin trotzdem deine Augen und deine Ohren gewesen! Soll ich wirklich erzählen, was ich gesehen und gehört habe?»

Die Hitze lastete drückend auf der Felsenmulde. Die Luft war zum Schneiden. Der Hinkefuß wollte sich Hiram unbedingt anvertrauen.

«Hier hat sich König David bei einer Palastrevolution versteckt. Du tätest gut daran, es ihm nachzumachen und den Tempel zu vergessen. Siehst du die schönen Feigenbäume da… Davon gibt es hier in der Gegend viele. Wenn du mir einen Hof kaufen würdest, könnte ich sie pflücken, sie in der Sonne trocknen und auf den Märkten verkaufen. Wir würden uns den Gewinn teilen und ein friedliches Leben führen.»

Hirams Schweigen entmutigte Kaleb, das Thema weiter zu verfolgen.

«Du beharrst darauf, den Tempel zu bauen, das eine steht fest… Dann sollst du auch die Wahrheit erfahren! Unter deinen Arbeitern gibt es eine große Zahl von schlechten Kerlen, Lügnern oder Faulen. Ich befürchte sogar, daß auch gewisse Lehrlinge dazugehören. Die Gebäude machen kaum Fortschritte… Keiner weiß, wann der Bau vollendet sein wird. Alle haben es satt. Man munkelt, daß du nicht vorankommst, daß deine Projekte zu ehrgeizig sind. Der Frondienst ist nicht gut organisiert. Einige Gesellen meinen sogar, daß sie schlecht bezahlt werden und daß du ihre Verdienste nicht anerkennst, also bist du der Sündenbock. Sei schlau. Man wird dich verleumden und verraten. Morgen schon bist du nicht mehr so beliebt wie früher. Salomos Traum wird in Unruhen zerplatzen. Dann ist es zu spät zur Flucht. Das Land wird wieder in Stammesfehden versinken. Niemand kann das Unheil noch abwenden. Es wird Tote geben, viele Tote. Geh fort, Meister Hiram. Brich unverzüglich auf.»

Bei Einbruch der Nacht prüfte Hiram der Reihe nach alle Zaunlatten. Er überprüfte auch das ganze, an den Zaun grenzende Gelände und suchte nach einem Tunnel, den die Diebe gegraben hatten, um auf die Baustelle zu gelangen. Dann dachte er an Strickleitern.

Doch keine Spur, kein Anhaltspunkt.

«Die Menschen, Meister Hiram», murmelte es hinter ihm. «Der Mensch ist die Lösung.»

Der Baumeister drehte sich um, und da stand König Salomo vor ihm. Dicke Wolken verdeckten den Neumond, das Dunkel der Nacht verbarg den Herrscher und den Oberbaumeister.

«Meister Hiram, hast du vergessen, daß ich in diesem Land herrsche? Ich mußte nur den Wächter an der Schwelle und einige Aufseher bestechen und einen sehr schmächtigen Jungen bezahlen. Der ist mühelos durch das Dach in deine Werkstatt eingedrungen. Wie hätte ich dir sonst klarmachen können, daß der Bauplan nur in meiner Hut sicher ist, in meinem Palast? Nimmst du jetzt endlich meine Einladung an, bei mir zu wohnen?»

«Der Augenblick ist gekommen», dachte Hiram. Salomo selbst zwang ihn, das nächste Wegstück anzugehen, vor dem er sich jedoch fürchtete. Die Zeichenwerkstatt stand den Gesellen offen, die dort Werkzeuge und Schürzen ablegten und die Tag- und Nachtwache stellten.

«Nein, Majestät. Ich werde von nun an im Steinbruch wohnen, zusammen mit dem Stein. Das ist die Lösung. Er ist wahrhaftiger als die Menschen. Wer ihn achtet, den läßt er nicht im Stich.»

Salomo versuchte nicht, Hiram abzuhalten. Er hatte sich geirrt, sein Versuch, ihn zu brechen, war gescheitert. Einerseits war er bedrückt, weil seine List nichts bewirkt hatte, doch andererseits war er beruhigt, weil sein Tempel einen Oberbaumeister seines Schlages hatte. Dennoch mißtraute er dieser Bewunderung, die ihn schwächte. Nur er herrschte, nur er durfte herrschen, so viel kostete Israels Glück.

Der Baumeister arbeitete nächtelang an der Fertigstellung des unterirdischen Saals, zu dem ein schmaler Stollen führte, der Kaleb und Anup verboten war. Er hatte ihn wie einen Würfel geformt. Die Nische hinten glich der des mittleren Raums der großen Pyramide, war eine Art Leiter zum Himmel, die der Schüler hochstieg, der im Herzen der Erde und des Steins aufbrach und sich durch unzählige Türen, sichtbare und unsichtbare, dem Urlicht näherte.

Bei der Zeremonie der Lohnauszahlung wählte Hiram neun Gesellen aus, denen er kein Gehalt gab und die er bat, auf ihn zu warten. Dieses ungewohnte Ereignis löste Furcht und Neid bei den anderen Gesellen aus. Was war los? Wurden diese Männer nun bestraft oder befördert? Und warum gerade diese und keine anderen?

Der Baumeister war gezwungen, sie an ihre Schweigepflicht zu erinnern.

Dann führte er die neun Gesellen in die Höhle, der Hund und der Hinkefuß bildeten die Nachhut und stellten sicher, daß ihnen niemand folgte.

Wie Hiram zog jeder den Kopf ein und stieg gebückt hinunter, wo der steinerne Tunnel in dem geheimen Heiligtum endete, das von einer einzigen Fackel erhellt wurde. Die Gesellen stellten sich im Kreis um den Oberbaumeister auf, der einen von ihm vollendet geformten Schiebestein entfernte, so daß die Maßschnur und der Stock mit den sieben Palmwedeln zum Vorschein kamen.