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Salomo erhob sich, als das eindrucksvolle Reittier stehenblieb. Zadok, den die Dreistigkeit dieser Fremdländerin, die es wagte, den Gebieter Israels zu übertreffen, anwiderte, wandte sich ab.

«Königin des reichen Landes Saba, sei willkommen in meinem Land und bei meinem Volk.»

Der Elefant kniete nieder. Zwei Sabäer halfen ihrer Königin beim Heruntersteigen. Etliche Ellen vor Salomo blieb sie stehen.

«Die ganze Welt feiert deine Macht, König Salomo. Ich komme aus einem Paradies, das von Baumeistern erbaut wurde, die die Felsen gezähmt, die Wasser in Kanäle geleitet und die Wüste fruchtbar gemacht haben. Meine Vorfahren haben Seen ausgehoben, Bäume gepflanzt und die Steppe zum Blühen gebracht. Ich habe dir tausend Schätze als Geschenk mitgebracht.

Doch dann habe ich die Straße deiner Hauptstadt mit Perlen und Diamanten bestreut gesehen und mich geschämt. Sollte ich die erbärmlichen Reichtümer Sabas nicht lieber in den Bach werfen? Vor dir wird aller Überfluß zunichte.»

«Mein Palast erwartet dich.»

«Leider kann ich deine Einladung nicht annehmen, Majestät. Morgen ist Sabbat. Keine Fremdländerin darf Jahwes Kult stören. Noch ehe die Sterne am Himmel stehen, hat mein Gefolge am Ufer des Kidron Zelte aufgestellt.»

Salomo war hingerissen von der melodischen Stimme dieser Königin, die sich so gut mit israelitischen Gebräuchen auskannte, und beugte sich Balkis’ Wunsch. Wie hätte er bei all dem jubelnden Beifall für die Herrscherin von Saba wohl das Schluchzen seiner Gemahlin Nagsara hören können, die verlassen in einem prächtigen Palast saß, der ihr Angst einflößte?

Beim ersten Strahl der aufgehenden Sonne bestieg die Königin von Saba ein weißes Pferd und zog in Jerusalem ein. Eine Menschenmenge war zusammengelaufen und bewunderte sie. Selbst der bescheidenste Bettler spürte, daß sich Israels Schicksal von diesem Augenblick an würdig gestalten würde. Der Hohepriester, den man nicht befragt hatte, konnte seinen Zorn kaum zügeln. Insgeheim flehte er Gottes Blitzstrahl auf die Fremdländerin herab. Einige Frauen bedauerten das traurige Los, das Nagsara getroffen hatte. Und jedem fiel auf, daß sonderbarerweise auch der Oberbaumeister Hiram fehlte.

Als sie den Fuß auf die Straße setzte, die zum Tempel führte, betete Balkis zur Sonne. Ihr Gebet empörte die Priesterschar, doch Salomo machte der Königin von Saba, die in einem hellgrünen, sehr schlicht geschnittenen Gewand noch prächtiger anzusehen war als vor zwei Tagen, keinen Vorwurf daraus. Er bat sie, an seiner Seite auf einem Tragsessel Platz zu nehmen, der aus vergoldetem Holz und von Hirams Schreinern geschaffen worden war.

Balkis trug die Haare kurz. Sie waren leuchtend schwarz und so fein wie Augenwimpern. Ihr Gesicht war anmutig wie das einer Hindin, zart wie eine Taube und frisch wie eine Lilie.

«Was ist der wahre Grund für dein Kommen?»

«Ich wollte den Tempel sehen, den alle Leute für vollkommen erachten, und ein Land kennenlernen, das von einem König regiert wird, dessen durchdringenden Geist man rühmt und dessen Worte man aufsaugt. Glücklich, wer deine Frau ist, glücklich, wer dein Diener ist, denn sie dürfen ständig um dich sein. Gelobt sei der Gott, der dich auf Israels Thron gesetzt hat.»

«Diese Worte schmeicheln zu sehr.»

«Hat Jahwe Salomo nicht Klugheit so riesig wie Sand am Meer geschenkt? Strahlt deine Weisheit nicht heller als die aller Söhne des Morgenlandes?»

«Weisheit ist kein Besitz.»

«Sei nicht so bescheiden. Dein Ruf geht weit über Israels Grenzen hinaus.»

Salomo merkte auf. Hatte die Königin von Saba etwa die Absicht, ihm eines dieser gefürchteten Rätsel zu stellen, die den Gelehrtesten zum Gespött machten und den namhaftesten Ruf zerstörten? Wer die Lösung nicht fand, verlor die Ehre.

«Ich muß dir trotzdem einen Vorwurf machen.»

«Welchen?» verwunderte sich der König.

«Man munkelt, daß du den Dämonen befiehlst und daß du die Sprache der Tiere und Pflanzen verstehst. Gewährt dir das nicht Zugang zu verbotenen Reichen?»

«Gibt es für jemanden, der nach Weisheit sucht, denn verbotene Reiche?»

Balkis lächelte.

«Jerusalem ist eine prächtige Stadt», sagte sie sanft.

«Die Erde ist eine von Wasser umgebene Scheibe», bemerkte Salomo. «Und die hat der Baumeister der Welten gezeichnet. In ihre Mitte hat er Israel gesetzt und mitten in Israel den Felsen von Jerusalem, wo sein Geist Gestalt angenommen hat, eine unsichtbare Gegenwart, die die Seelen der Gerechten speist.»

Die Königin von Saba lauschte aufmerksam und genoß die Worte des Königs wie Honig.

«Deine Vermählung mit einer Tochter Siamuns hat für große Aufregung gesorgt», erinnerte sie ihn. «Warum ist sie nicht an deiner Seite?»

«Das ist hier nicht Brauch. Sie ist nur die erste unter meinen Gemahlinnen. Du wirst sie beim Festmahl sehen, das wir dir zu Ehren geben.»

Salomo reichte Balkis den Arm und half ihr aus dem Tragsessel. Zusammen stiegen sie die Stufen hoch, die zu dem Platz führten, wo ihr Priester und Höflinge huldigten. Die Königin von Saba sah sich die Gerichtshalle, das Haus vom Walde Libanon, die Halle der Säulen, die auf das Kidron-Tal ging, den Palast und den Tempel an.

Und sie sah sich an den Wundern satt. Balkis’ Schönheit, die durch die Schlichtheit ihres Auftretens noch mehr erstrahlte, rührte Salomo ans Herz. Die Vollkommenheit der Bauten, die alle Gebäude Sabas übertraf, machte die Königin stumm vor Staunen.

«Wer ist der Erbauer dieser Meisterwerke?»

«Meister Hiram.»

«Ich würde ihn gern kennenlernen.»

Salomo befahl seinem Schreiber, den Baumeister zu holen.

«Nicht nötig», sagte die ernste Stimme des Oberbaumeisters, der auf dem Dach der Gerichtshalle stand.

Balkis blickte zu ihm hoch. Der Oberbaumeister ging zwar auf die Vierzig zu, hatte jedoch nichts von seiner kräftigen Statur eingebüßt. Die hohe, von tiefen Falten durchzogene Stirn war das charakteristischste Kennzeichen eines scheuen Menschen. Sein Auftauchen sorgte unter den Höflingen für Ärger. Er überragte Salomo und die Königin von Saba und bezeugte damit eine Majestät, die einige beleidigend fanden.

Die Königin ließ ihn nicht aus den Augen. Wie Salomo verstand auch sie sich darauf, verbotene Reiche zu betreten und sich mit unsichtbaren Mächten zu unterhalten. Balkis konnte hinter das Äußere der Menschen sehen und bis ins tiefste, verborgene Innere ihrer Seele vordringen.

Salomo besaß die eindrucksvolle Statur eines großen Königs und die Klugheit der von Gott Auserkorenen. Hiram glich ihm, doch in ihm brannte ein anderes Feuer, düsterer und gequälter. Gemeinsam konnten diese beiden Männer die unglaublichsten Werke schaffen. Allein war ihnen das allergrausamste Los beschieden, doch weder der eine noch der andere waren sich dessen bewußt.

«Weißt du nicht, das heute ein freier Tag ist?» fragte Elihap erzürnt.

«Sabbat war gestern», entgegnete Hiram. «Meine Arbeiter werden heute zu Ehren der beiden Majestäten schlemmen. Ich jedoch arbeite, denn das Dach muß fertiggestellt werden.»

Elihap wandte sich an Salomo in der Hoffnung, Unterstützung bei seinem König zu finden. Doch Balkis kam dazwischen.

«Warum rufst du deine Arbeiter nicht zusammen, Meister Hiram? Warum sollen sie nicht an dem Augenblick teilhaben, wenn sich zwei große Königreiche friedlich begegnen?»

Noch nie hatte Hiram eine so schöne Frau erblickt. Ihre elegante Gestalt und ihr zartes Gesicht konnten es mit den hübschesten Ägypterinnen aufnehmen. Ihre Lippen lachten, ihre Augen wirkten nachdenklich. In ihr vereinte sich die Fröhlichkeit einer Verliebten mit dem Ernst einer Königin.

Hiram hatte sich geschworen, die Macht, die er besaß, nie auszunutzen. Doch Balkis stellte ihn auf eine harte Probe, aus der er nicht als Besiegter hervorgehen durfte. Er gab einem Verlangen nach, das aus den Tiefen seiner Seele emporstieg, hob die Arme und bildete mit den Händen ein Dreieck, eine Geste, die bei den Ägyptern ka hieß.