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Dreimal drehte Salomo den Ring aus Gold, den er am kleinen Finger der linken Hand trug. Er rief die Geister des Windes und befahl ihnen, ein Gewitter losbrechen zu lassen.

Und als die erste schwarze Wolke mit einem Bauch so dick wie dem eines Elefanten aus dem Wunderland hinter den Bergen im Norden emporquoll, dankte Salomo dem HERRN.

Der Töpfer, den ein Lehrling benachrichtigt hatte, hastete aus seiner Behausung aus gestampftem Lehm herbei. Er wickelte sich einen Schurz um die Lenden und betrachtete das unglaubliche Schauspiel.

Salomo, sein Schreiber Elihap, Banajas, der oberste Heerführer, und ein Trupp Soldaten waren gerade vor seiner Werkstatt im Herzen von Judäa abgestiegen, wo noch kein Mensch einen König hatte haltmachen sehen.

Seit Salomo Wasser in so ausreichender Menge bekommen hatte, daß sich Jerusalems Zisternen füllten, war ihm sein Ruf durch alle Provinzen vorausgeeilt. Selbst wenn die Priester ihre Vorbehalte hatten und es als glücklichen Zufall hinstellten, blieben die einfacheren Menschen bei ihrem Glauben, daß ein neues Zeitalter des Wohlstands anbrach, das aus Israel jenes Paradies machen würde, von dem Moses geträumt hatte.

Der König verweilte bei der Töpferscheibe des Töpfers. Wer hätte dabei nicht an Gott gedacht, als er mit diesem über alle Maßen vollendeten Werkzeug die menschliche Rasse schuf und dem Lehm lebendige Formen abrang, die er mit Seiner Hand und Seinem Geist formte? In Ägypten wiederum hatte der Widdergott die Welt erschaffen. Die Hebräer hatten diese Symbolik beibehalten, denn ihre Handwerker hatten ihr Gewerbe im Land der Pharaonen gelernt. Salomo träumte von einer Welt, die er dem Chaos entreißen wollte. Verdankte man den Töpfern nicht alltägliche Dinge genauso wie erlesenste Gefäße, kleine Krüge wie große Kornkrüge, Lampen wie Spielzeug? Salomo wollte es dem Töpfer nachtun und seinem Volk materiellen Wohlstand verschaffen. Doch der konnte nur Dauer haben, wenn er aus geistiger Fülle rührte. Darum wollte der König ein neues Wegstück in Angriff nehmen und hatte die zwölf Stämme Israels, nämlich Ruben, Simeon, Levi, Juda, Sebulon, Isaschar, Dan, Asser, Gad, Naphtali, Joseph und Benjamin, fern ihrer Stammesgebiete zusammengerufen. Diese reichen und mächtigen Männer, große Landbesitzer, wetteiferten miteinander, wer den König an diesem unwürdigen Ort mit seiner Pracht am meisten beeindrucken konnte. Ihre Leibbarbiere hatten mit Gold- oder Elfenbeinkämmen erlesene Frisuren mit schwingenden Locken oder langen geölten Strähnen geschaffen, die ihnen auf den Rücken fielen. Die Gürtel, die farbenprächtige Tuniken in der Mitte zusammenhielten, waren mit Diamanten und Rubinen besetzt. Neben den Stammesfürsten wirkte Salomo fast wie ein Mann aus dem Volk.

Er bat sie, auf den Matten Platz zu nehmen, die Banajas zu Füßen eines großen Feigenbaums ausgerollt hatte, dessen Schatten auf niemanden fallen durfte. Seine Gäste waren neugierig, was diese seltsame Zusammenkunft zu bedeuten hatte. Salomo bot ihnen ein Gericht aus Gurken, Zwiebeln und Lattich an. Einige aßen mit Appetit, andere lehnten ab, denn Könige griffen oftmals zu Gift, wenn sie Gegner loswerden wollten. Und wurde nicht gemunkelt, daß Salomo als alleiniger Herrscher regieren wolle?

«Ich habe Weinstöcke gepflanzt», machte ihnen der Herrscher klar, «habe Weinberge und Obsthaine geschaffen, Wasserleitungen zur Bewässerung der Plantagen bauen lassen, ich habe euch Dienstboten, Rinder- und Schafherden gegeben. Ihr lebt so gut wie selten jemand vor euch. Warum seid ihr mir gegenüber so mißtrauisch?»

«Du hast uns reich gemacht», bestätigte der Fürst des Stammes Dan, «aber war das nicht eine List, mit der du unsere Wachsamkeit einschläfern wolltest? Du gehörst nicht zu den Menschen, die Geschenke verteilen, ohne dafür etwas zu verlangen.»

«Das ist wahr», bekannte Salomo. «Niemand bestreitet eure Rechte. Ohne euch wären die Provinzen verloren. Aber ihr schuldet dem König Treue.»

«Wer daran denkt, sich gegen dich zu erheben», entrüstete sich der Fürst des Stammes Levi, «dem werde ich aufs Haupt schlagen!»

Das bestätigten seine Gefährten mehr oder minder beflissen mit einem Kopfnicken.

«Ich weiß, daß ihr mir treu ergeben seid», meinte Salomo, «doch das reicht mir nicht.»

Die Stammesfürsten warfen sich verwunderte Blicke zu.

«Solange ihr Rivalen seid, wird Israel ein schwacher Staat bleiben. Die einzige Möglichkeit, das zu bewahren, was ihr errungen habt, steht und fällt mit dem König. Ich will aus Jerusalem eine echte Hauptstadt machen. Und aus unserem Volk eines der mächtigsten und glorreichsten. Dazu brauche ich eure völlige Unterwerfung. Ihr führt weiterhin eure Stämme, seid jedoch meine gehorsamen Vasallen. Wenn ich Soldaten brauche, schickt ihr mir diese und setzt damit das Interesse des Landes vor euer eigenes. Wenn ich neue Steuern erhebe, so erhebt ihr sie für mich und dürft einen Teil davon behalten. Jeden meiner Wünsche erfüllt ihr mir beflissen. Nicht für mich, sondern für Israel. Ich will eine Antwort von euch, hier und heute.»

Salomo hatte in sehr sanftem, freundlichem Ton gesprochen, hatte aber keinen Hehl aus seinen Absichten gemacht. Die Stammesfürsten zogen sich hinter das Haus des Töpfers zurück, in dem der König ihren Entschluß abwartete.

Der Handwerker verzierte einen Weinkrug, er fuhr trotz der Anwesenheit des Königs mit seiner Arbeit fort.

«Töpfer, was erwartest du von deinem König?»

«Wohlergehen für meine Kinder», war die Antwort.

«Und wovon hängt das ab?»

«Vom Frieden, Gebieter. Er ist der Vater aller Freuden. Ruhm und Ehre, die der Krieg mit sich bringt, sind das Elend der kleinen Leute. Doch welcher König denkt schon daran?»

«Salomo wird es nicht vergessen.»

Die Besprechung dauerte drei Stunden.

Drei Stunden, in denen der Herrscher zusah, wie sich die Töpferscheibe drehte, deren Musik ihn bezauberte. Das waren unvergeßliche Erinnerungen oder die letzten Zuckungen als Herrscher Israels… Beim Anblick der kundigen Hände löste sich die Anspannung, und die düstere Laune des Königs wich. Er kam sich so leicht vor, so als ginge ihn die Zukunft nichts mehr an.

Es war dann der Fürst des Stammes Dan, der Salomo im Namen der anderen elf Stämme das Ergebnis ihrer Beratungen mitteilte.

«Ich war der letzte, der überzeugt werden mußte», gestand er. «Aber wir sind einer Meinung. Wir sind einverstanden.»

«Mangels einer großen Vision», sagte Salomo, «lebt das Volk ohne Hoffnung. Glücklich, wer die Gedanken des Königs liest, denn er beweist Weitblick.»

Der Fürst des Stammes Dan erforschte Salomos Seele.

Und er erkannte dort nicht die Eitelkeit eines Gewaltherrschers, sondern den guten Willen eines Königs.

Kapitel 7

Salomo hatte Israel geeint. Jerusalem, Davids religiöses Zentrum, war die politische Hauptstadt eines Königreiches geworden, in der ein junger König, dem man magische Kräfte zuschrieb, als unumschränkter Gebieter herrschte. Die Stammesfürsten beglückwünschten sich zu ihrer Wahl. Das Gespenst eines Bürgerkriegs war abgewendet, die inneren Konflikte waren beendet, jeder dachte nur daran, wie er möglichst glücklich leben, den Boden noch fruchtbarer machen oder in seiner Werkstatt noch emsiger arbeiten könnte. Die Reichen wurden reicher, die Armen waren weniger arm. Und der Hohepriester erinnerte sich, daß Nathan auf Salomos Stirn das Wort Weisheit erblickt hatte.

Der König arbeitete unablässig. Der ach so freudlose und kalte Palast aus Davids Zeiten wirkte wie ein Bienenkorb, in dem ständig Leben und Treiben herrschten. Elihap schrieb unaufhörlich königliche Erlässe, durch die die Verwaltung in kleinen Schritten verändert und fähiger gemacht wurde. In knapp zwei Jahren Regierungszeit hatte Salomo Israel kennengelernt. Von der Spitze des Staates bis zum kleinsten örtlichen Machthaber war ihm in seinem Land nichts mehr fremd. Sein Privatschreiber erwies sich als bemerkenswert tüchtig, und Salomo zog Nutzen aus den säuberlich geführten Akten, in denen sich im Laufe der Monate genaue Angaben gesammelt hatten.