»Na ja, das klingt auf jeden Fall schon besser als dein letzter Vorschlag. Wenn ich nur nicht so unsicher wäre. Weißt du, ich habe so etwas noch nie getan ... einer Frau ein Liebesgedicht schreiben.«
»Das merkt man. Beim nächsten Mal wird es dir leichter fallen. Übrigens, was die Frauen in meiner Heimat gerne mögen, ist, wenn man sie mit wilden Tieren vergleicht. So wie man von einem Krieger sagen kann, er sei mutig wie ein Löwe, nennt man dann ihre schlanken Fesseln gazellengleich oder deutet an, daß ihr ausladendes Becken so üppig und so fruchtbar wie die Lenden eines Flußpferdes seien.«
Philippos runzelte die Stirn. »Wie ein Flußpferd? Es gibt Frauen, die so etwas gerne hören?«
»Natürlich! Die Fruchtbarkeit einer Frau zu rühmen, ist immer schmeichelhaft!«
»Bleiben wir lieber bei den Versen von vorhin. Ich fürchte, einen Vergleich mit einem Flußpferd würde Neaira nicht als Kompliment auffassen.« Der Grieche zog die Schriftrolle aus ihrer Lederhülle, rollte sie ein Stück weit auf und legte sie auf einen flachen Felsen. Dann nahm er Tintenfaß und Pinsel zur Hand. »Also, wie war das? Am Anfang kam doch etwas über die Schönheit ihres Gesichtes.«
»Deines Gesichtes Schönheit ...«, rezitierte der Nubier langsam. »Sag mal, was ist denn das für ein Papyrus, auf den du da schreibst. Darf ich den mal sehen? Der ist ja auf der Rückseite beschriftet.«
»Das ist nichts Besonderes. Nur eine alte Liste.«
»Ich kenne dieses Schriftstück. Die Löwenköpfchen dort oben an den Enden der Holzstange . Das Dokument ist doch nicht alt! Lies mal vor, was daraufsteht. Vielleicht fällt mir dann wieder ein, wo ich es gesehen habe.«
Philippos seufzte resigniert. »Wenn ich das Ding jetzt umdrehe, dann verwische ich die Tinte. Du siehst doch, daß ich gerade erst angefangen habe, zu schreiben. Das Ganze ist nichts weiter als eine Inventarliste des Palastes. Ich glaube, zu oberst stand etwas von einem Tischchen, das mit gelbem Elfenbein aus Punt verziert war.«
»Elfenbein aus Punt? Wo hast du diese Liste her, sie ist keine zehn Tage alt.«
»Das kann nicht sein«, protestierte Philippos. »Sie lag zu unterst in der Kleidertruhe des Mundschenks, so als sei sie völlig unwichtig und .«
»Oder so, als sei sie dort versteckt!« Der Nubier musterte den Griechen jetzt auf eine Art, daß es Philippos kalt den Rücken herunterlief.
»Darauf wäre ich nie gekommen«, log der Arzt. »Was sollte an dieser Liste schon so wichtig sein?«
»Nichts, außer daß sie in die Hände von Potheinos gehört. Buphagos hat die Geschenke an Stelle des ersten Eunuchen angenommen. An dem Mittag, als sie zur Villa gebracht wurden, waren der göttliche Pharao und Pothei-nos zu einem Gastmahl bei dem Megabyzos des Tempels. Deshalb hat Buphagos die Geschenke in Empfang genommen. Ich war dabei, als ihm diese Liste überreicht wurde. Wenn ich mich richtig erinnere, waren es Kaufleute aus Tyros, die Ptolemaios mit den Kleinodien ihre Verbundenheit beweisen wollten. Ich verstehe nicht, wieso Buphagos diese Liste noch besessen hat. Er müßte sie eigentlich zusammen mit den Geschenken an Potheinos weitergeleitet haben. Es ist üblich, genau aufzuzeichnen, was für Gaben der Göttliche erhält. Es wäre dem Eunuchen sicher aufgefallen, wenn die Liste gefehlt hätte.«
»Vielleicht hat der Mundschenk auch eine Kopie angefertigt. Ich finde diese Angelegenheit ziemlich unwesentlich. Wollen wir nicht lieber an dem Gedicht weiterarbeiten?«
»Du wirst kein einziges Zeichen mehr auf diesen Papyrus malen!« Batis packte den Arzt bei der Tunica und zog ihn von der Schriftrolle weg. »Das ist Eigentum des göttlichen Pharaos. Sie zu behalten ist so, als würdest du ein Weihegeschenk aus einem Tempel stehlen! Wir werden diese Schriftrolle jetzt zu Potheinos bringen, und er wird entscheiden, was mit ihr geschehen soll. Nichts, was dem Göttlichen geschenkt wurde, ist für die Hände Sterblicher bestimmt. Es sei denn, er überläßt es ihnen in seiner unendlichen Großmut. Ich werde auf keinen Fall dulden, daß auf dieses Dokument ein Liebesbrief an eine Hetaire geschrieben wird! Wir warten, bis die Tinte getrocknet ist, dann rollst du es auf, und wir suchen Potheinos.«
Philippos wand sich aus dem Griff des Nubiers. Er hätte sich niemals mit diesem Barbaren treffen sollen! Daß dieser Kerl sich pedantischer als ein Hofschreiber benahm . Wie konnte man sich nur so wegen einem Stück Papyrus anstellen? Wahrscheinlich war Batis auf irgendeine Art verrückt! Diese Orientalen und ihr Aufhebens um dieses erfundene Gottkönigtum würde er niemals begreifen. Für ihn gab es einfach nichts Göttliches an Ptolemaios. Wer hatte schließlich schon einmal von einem Gott gehört, der unter Verstopfung litt!
»Sag, was ist denn in dich gefahren, als du das hier geschrieben hast?« Ärgerlich blickte Samu von der Wachstafel auf, in die Kleopatra eine Formel mit einem Zauberspruch geritzt hatte, der über das Tet-Amulett zu sprechen war, wenn es seinen magischen Schutz entfalten sollte.
»Was meinst du?« Die Prinzessin saß an ihrem Schminktisch und ließ sich von einer Sklavin die Haare frisieren, während sie auf einer Schiefertafel mit einem kleinen Holzspachtel grünes Shesmet-Pulver mit einigen Tropfen Palmöl vermengte.
»Ich meine, daß du hier völligen Unsinn aufgeschrieben hast. Fast keines der Worte stimmt mehr! Hast du denn alles vergessen, was ich dir beigebracht habe.«
»Gar nichts habe ich vergessen! Ich habe mich nur an deine Anweisungen gehalten!« Die Prinzessin beugte sich auf ihrem Hocker vor und begann, mit einem Elfenbeinstift einen Teil der Paste auf ihre Augenlider aufzutragen.
»Dann komm doch mal her und erklär mir, was das zu bedeuten hat, was du hier aufgeschrieben hast.«
»Das geht jetzt nicht. Siehst du nicht, daß ich alle Hände voll zu tun habe? In einer Stunde muß ich fertig sein. Du weißt doch, daß ich meinen Vater zum Megabyzos begleiten soll. Er will, daß ich lerne, wie man Staatsgeschäfte erledigt.«
Samu schnaubte verächtlich. »Du meinst wohl, daß dein Vater dir beibringen will, wie man jemanden dazu überredet, einem Geld zu leihen, obwohl die Aussichten, es jemals zurückzubekommen, gelinde gesagt gering sind.«
»Was du da sagst, ist Hochverrat, Samu! Wenn der Neue Osiris das hören würde, dann würde er dich dafür vom Hof verbannen.«
»Und wenn du den Unsinn, den du hier niedergeschrieben hast, jemals laut über einem Tet-Amulett aussprichst, dann wird Isis dir eines Nachts einen Skorpion unter diese Decke schicken, um dich für deine Ignoranz zu strafen.«
»Puh!« Kleopatra legte den dünnen Elfenbeinstift zur Seite und betrachtete sich in ihrem neuen Spiegel, um zu sehen, ob sie die Schminke auch gleichmäßig auf die Augenlider aufgetragen hatte. »Mit solchen Reden kannst du vielleicht kleine Kinder erschrecken. Mir jagst du damit keine Angst ein! Ich bin die Tochter der Isis, die Zauberreiche würde mir niemals etwas zuleide tun.«
»Vielleicht würde ich diese Bürde der Göttin gerne auf mich nehmen!«
Die Prinzessin wischte den Elfenbeinstift in aller Seelenruhe mit einem kleinen Tuch sauber und öffnete dann ein anderes Gefäß. Es war die Skulptur des knienden Nubiers, der auf seinem Rücken einen Korb trug. Gelassen rührte Kleopatra durch die zähe schwarze Paste. »Du weißt genau, daß du mir nichts tun darfst, Samu. Mein Vater hat allen Lehrern untersagt, mich körperlich zu züchtigen. Und du weißt hoffentlich auch, daß du dir keinen Fehler mehr erlauben darfst. Er überlegt ernsthaft, dich vom Hof zu verbannen.«