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»Vielleicht wird er vorher an seiner Verstopfung verrek-ken, wenn er sich noch weiter von diesem Griechen behandeln läßt, statt auf mich zu hören. Und was dich angeht, meine Kleine, was glaubst du wohl, was der Neue Osiris sagt, wenn er erfährt, daß du dich heimlich mit einem der Tetrarchen der Tempelwache triffst.«

»Du spionierst mir nach!« Kleopatra ließ den Elfenbeinstift fallen und drehte sich so plötzlich um, daß sie der Sklavin ihr Haar aus den Händen riß und ihre Frisur hoffnungslos durcheinander geriet.

»Ich bin damit beauftragt, auf dein Wohl zu achten. Da bei Hof ohnehin niemand mehr mit mir spricht, habe ich dafür in den letzten beiden Tagen noch mehr Zeit als sonst gefunden.«

»Du meinst, du hast alles gesehen?«

Samu schluckte. Sie war durch Zufall Zeugin geworden, wie sich die Prinzessin und ein hochgewachsener Wachoffizier in der Dämmerung getroffen hatten und ein paar scheue Küsse tauschten. Sollte etwa noch mehr geschehen sein? Die Priesterin lächelte. »Natürlich weiß ich alles, und ich denke, du solltest etwas weniger aufsässig sein, denn schließlich habe ich bisher geschwiegen.«

»Du darfst jetzt gehen«, herrschte Kleopatra die Sklavin an, die verzweifelt versuchte, die durcheinandergeratenen Zöpfe der Prinzessin zu richten. »Ich rufe dich, wenn ich deine Dienste noch einmal nötig haben sollte.« Nervös mit den Fingern auf den Schminktisch trommelnd, wartete Kleopatra, bis die Sklavin das Gemach verlassen hatte.

»Du bist uns also bis auf den Hügel hinauf gefolgt, Priesterin?«

Ein lauernder Unterton lag in der Stimme der Prinzessin.

Samu meinte, förmlich riechen zu können, daß die Kleine versuchte, ihr eine Falle zu stellen. »Laß diese Spielchen! Geh einfach davon aus, daß ich alles weiß, was zwischen euch geschehen ist. Und versuche nicht, mich auf so billige Art hereinzulegen.«

»Verzeih mir, Samu, ich wollte dich nicht täuschen!« Die Prinzessin drehte sich jetzt ganz auf ihrem Stuhl herum und blickte betreten zu Boden. »Ich dachte nur ... Es war dumm von mir! Bitte, verzeih mir.«

»Wenn du die Güte hättest, jetzt herüberzukommen und dir dein sinnloses Geschreibsel anzusehen, dann würde ich vielleicht darüber nachdenken, unser gemeinsames Geheimnis für mich zu behalten. Anderenfalls könnte es deinen Tetrarchen den Kopf kosten, wenn herauskommt, daß er einer Prinzessin nachstellt.«

»Aber es ist doch nichts Schlimmes passiert!«

»Erzähl mir nichts, Kleine! Ich hab von meinem Versteck aus alles genau beobachten können. Sei gewiß, daß das, was du nichts Schlimmes nennst, ausreichen würde, um den Kerl vierteilen zu lassen!«

»Das ist nicht gerecht, Samu. So etwas würdest du nicht tun. Er hat meine Brüste geküßt ... gut, aber mehr ist nicht gewesen! Ich war bei einigen der Orgien meines Vaters zugegen. Ich weiß, was sonst noch hätte sein können . Eskander hat sich wie ein Ehrenmann verhalten.«

»Könnte es sein, daß wir unterschiedliche Vorstellungen von einem Ehrenmann haben? Aber reden wir nicht weiter darüber. Drohe mir nie mehr damit, daß du vor deinem Vater schlecht von mir sprechen wirst. Dann werde auch ich mein Wissen für mich behalten. Und jetzt sieh dir diesen Text an! Was soll das?« Die Priesterin hielt Kleopatra die beiden Wachstafeln hin, auf der die Prinzessin den Zauberspruch niedergeschrieben hatte.

Kleopatra warf einen kurzen Blick darauf und zuckte dann mit den Achseln. »Was soll daran nicht in Ordnung sein? Ich finde, das Schriftbild sieht sogar besonders schön aus. Stell dir vor, wie es auf eine Tempelwand aufgemalt wirken würde. Ich bin sehr zufrieden damit. Ich weiß gar nicht, was du hast.«

»Zum einen halte ich es nicht gerade für taktvoll, den Namen deiner Schwester Berenike in einer Formel einzufügen, die über ein Amulett gesprochen werden soll, das einen Toten auf seiner Reise zu Osiris schützt. Es steht völlig außer Frage, daß sie deinen Vater zu Unrecht vom Thron vertrieben hat und daß sie eine grausame Tyrannin ist . Trotzdem solltest du wissen, daß man mit der Zauberei niemals seinen Spaß treiben darf. Solche Leichtfertigkeiten fallen nur auf einen selbst zurück. Um so schlimmer sind deshalb die merkwürdig verdrehten Worte, die du in der zweiten Hälfte der Zauberformel verwendest. Um den ursprünglichen Wortlaut überhaupt noch erraten zu können, muß einem der Text schon vorher geläufig sein. Was soll das?«

Die Prinzessin hatte einen Schmollmund aufgesetzt. »Wie kannst du mir vorwerfen, wenn ich tue, was du mir selbst einmal geraten hast? Du warst es doch, die mir erklärt hat, wie wichtig es ist, bei der alten Bilderschrift des Tempels die Zeichen stimmig zueinander zu setzen. Nicht allein das Wort zählt, sondern auch, wie es geschrieben ist. Ja, du hast mir sogar gesagt, daß man die Grammatik und auch die übliche Schreibform vernachlässigen darf, wenn man dafür erreicht, daß das Schriftbild in seiner Gesamtheit schöner aussieht.«

»Aber das gilt doch nicht für eine Zauberformel! Es sind die Worte, denen die Kraft innewohnt. Schon sie falsch zu betonen, kann ein Ritual scheitern lassen. Sei gewarnt, wann immer du einen Zauberspruch wirkst, öffnest du dich auch ein Stück weit Kräften, die dir übel gesinnt sind. Sie stellen einen Teil der Macht dar, die du bei diesem Ritual in das Tet-Amulett leitest. Die Worte der Beschwörung sind uralt und genau festgelegt. Schon eine leichte Abweichung von ihnen kann dein Verderben bedeuten.«

»Das habe ich nicht gewußt . «, stammelte Kleopatra ängstlich.

»Ich hoffe, du hast die Worte nicht leise vor dich hingesprochen, während du sie niedergeschrieben hast.«

Die Prinzessin schüttelte energisch den Kopf. »Ich habe nichts dergleichen getan. Glaubst du, daß mir etwas passieren wird ... Ich meine, es war doch nur eine Übung. Ich hatte nicht einmal ein Amulett und .«

»Und du hättest nicht den Namen deiner Schwester Berenike verwenden sollen. Du weißt, daß sie auf die Macht des grausamen Seth vertrauen kann und daß es viele Priester gibt, die sie als Herrscherin unterstützen, weil sie sich nicht so bedingungslos den Römern unterwirft, wie es dein Vater getan hat. Viele hoffen, daß sie Ägypten noch einmal zu seinem alten Glanz führen wird. Wenn du einen Zauberspruch wirkst, so stellst du ein Band her, das zwischen dir und ihr besteht. Ein mächtiger Priestermagier kann dieses Band zurückverfolgen und die Wirkung des Spruches gegen dich umkehren. Deshalb hüte dich stets, einen Fluch auszusprechen, denn er kann auch auf dich zurückfallen.«

»Werde ich jemals so viel über die geheimen Künste wissen wie du, Samu?«

Die Priesterin schüttelte den Kopf. »Das ist nicht deine Aufgabe. Du wirst herrschen. Und nimm mich nicht zu deinem Vorbild. Ich bin nicht weise. Von der Magie weiß ich soviel, wie ein Staubkorn von der wahren Größe der Wüste weiß. Es ist ...« Ein Geräusch auf dem Schminktisch ließ Samu herumfahren. Die kleine graue Katze, die Kleopatra zusammen mit dem anderen Besitz der toten Hetaire von Potheinos geschenkt bekommen hatte, huschte vom Tisch und verkroch sich unter der Kline der Prinzessin. »Du solltest die Salben und Öle nicht offen herumstehen lassen. Die Katze scheint Gefallen an ihnen zu haben. Außerdem verfliegen die Düfte, die in den Ölen gebunden sind, wenn du die Gefäße nicht sorgfältig verschließt.«

»Ich werde mir deine Worte zu Herzen nehmen«, erwiderte Kleopatra leise. »Aber um noch einmal auf Eskander zu sprechen zu kommen . Du wirst uns doch nicht verraten, oder?«

Die Priesterin seufzte. »Zumindest nicht in nächster Zeit. Wir müssen allerdings über ein paar andere Dinge miteinander sprechen.«

»Wegen Eskander?« Die Prinzessin blickte sie mit großen Augen an.

»Ja, wegen Eskander oder vielleicht wegen eines anderen Mannes, den du treffen wirst, wenn ich nicht mehr an diesem Hof bin.«