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»Wisch das ab. Sofort!« schrie die Priesterin und begann, nach einem Tuch zu suchen.

»Was! Was ist mit dir los, Samu? Was soll das?«

Statt zu antworten, griff die Priesterin nach einem Gefäß mit Salböl, benetzte einen Zipfel ihres Gewandes damit und begann, Kleopatra die Schminke von den Lidern zu wischen.

»Bist du verrückt geworden?« Die Prinzessin versuchte, sich der Priesterin zu entwinden, die sie mit eisernem Griff gepackt hatte. »Es hat eine Ewigkeit gedauert, die Schminke aufzutragen. Ich werde zu spät zum Empfang kommen, wenn du jetzt alles wieder verwischst. Bitte hör auf! Was ist denn nur in dich gefahren?«

»Du wirst sterben«, keuchte die Priesterin, während sie weiter mit dem öligen Stoff über die Augenlider der Prinzessin wischte. »Das Kohl war vergiftet. Auf diese Weise sind Buphagos und Thais gestorben. Das Gift dringt durch die Haut in den Körper und tötet dann. Wann hast du angefangen, die schwarze Schminke aufzutragen?«

»Sofort, nachdem du gegangen bist.«

Samu versuchte, abzuschätzen, wieviel Zeit seither vergangen war und wieviel Zeit der Hetaire und dem Mundschenk verblieben war, nachdem sie die Schminke aufgelegt hatten. Dann dachte die Priesterin an die Katze. Das Tier hatte, kurz bevor sie die Prinzessin verlassen hatte, von dem mit Ochsenfett versetzten Kohl genascht.

Wieviel Zeit mochte Kleopatra noch bleiben, bis das Gift zu wirken begann? Samu dachte mit Schrecken an die Nacht, in der Thais in ihren Armen gestorben war. Wenn das Gift erst einmal zu wirken begonnen hatte, gab es keine Hilfe mehr!

»Los, schaff eine Schale mit Wasser heran«, schnauzte sie die Sklavin an, die untätig neben ihr stand und sie erschrocken anstarrte. »Du mußt dein Gesicht waschen, Kleopatra. Reib dir die Augen ab! Es darf nichts von dem Kohl haften bleiben!«

Samu nahm einen anderen Zipfel ihres Kleides und begann, die vom Öl glänzende Haut rund um die Augen der Prinzessin trocken zu reiben. Nur in den Augenwinkeln hafteten noch grünschwarze Reste von Shesmet und Kohl.

»Was ist das für ein Gift, von dem du sprichst?« Kleo-patra kämpfte mit den Tränen. »Wer will mich denn töten?«

Samu strich dem Mädchen beruhigend über die Haare. Dann entfernte sie vorsichtig die letzten Reste der Schminke. »Niemand will dich ermorden. Es ist ein Unfall. Die Schminke, die Buphagos besessen hat, war vergiftet. Ihn wollte man töten, nicht dich. Thais ist nur deshalb gestorben, weil sie die Schminke des Mundschenks benutzt hat. Genauso wäre es dir ergangen. Aber jetzt wird alles wieder gut! Das Schminktöpfchen, das der kauernde Nubier trägt ... Darin ist das Gift. Die Katze hat davon genascht. Sie ist tot. Daher wußte ich, daß Gift in der Augenschminke ist.«

»Das Töpfchen mit dem Nubier?« Kleopatra blickte die Priesterin verwundert an. Dann begann sie, hysterisch zu lachen. »Es ist nichts passiert! Mir ist nichts geschehen!«

»Was .«

»Ich habe die Schminke nicht benutzt.« Die Prinzessin griff nach der hölzernen Skulptur und öffnete den Deckel des Schminktöpfchens. »Sieh dir das Kohl doch an! Die Farbe. Sie stimmt nicht! Es ist zu dunkel und zu körnig. Das ist Schminke für Männer. Ich habe das auch erst bemerkt, als ich schon etwas davon auf dem Elfenbeinstift hatte. Statt der Schminke von Buphagos, habe ich dann mein eigenes Kohl benutzt. Sieh her!« Die Prinzessin nahm ein Fläschchen aus dunklem Serpentin und stieß einen Holzspachtel hinein, um ein wenig von der Augenschminke herauszuholen. »Es ist feinkörniger und hat einen leicht silbergrauen Schimmer.«

»Die Herrin Isis hat ihre schützende Hand über dich gehalten, meine Kleine.« Samu schloß die Prinzessin in die Arme und preßte sie fest gegen ihre Brust. Sie war überzeugt, daß es kein glücklicher Zufall, sondern eine Fügung der Göttin war, daß Kleopatra noch lebte. 

7. KAPITEL

Was für ein Tag, dachte Philippos, während er sorgfältig das gekrümmte Kupferrohr mit Fett einrieb. 

Samu, gestern noch geächtet und verachtet, war zur Heldin geworden. Die Priesterin hatte Kleopatra das Leben gerettet. Der erste Eunuch hatte einem Hund von der Schminke zu fressen gegeben, um zu überprüfen, ob die Behauptung der Priesterin stimmte, daß die Augenschminke, die Buphagos von Geschenken für den König unterschlagen hatte, tatsächlich vergiftet war. Der Hund war innerhalb einer halben Stunde jämmerlich verreckt!

Die Erkenntnis, daß die Schminke, die den Mundschenk und Thais das Leben gekostet hatte, eigentlich für ihn bestimmt gewesen war, hatte Ptolemaios einigermaßen aus der Fassung gebracht. Der König hatte sein Treffen mit dem Megabyzos kurzfristig absagen lassen. Den ganzen Abend über hatte er sich mit Potheinos beraten, und heute morgen schließlich ging es ihm so schlecht, daß er nicht einmal Einwände erhoben hatte, als Philippos vorschlug, ihm einen Katheder zu legen, um auf radikale Art gegen seine Verstopfung vorzugehen.

Der Arzt schüttelte den Kopf. Ein Mann, der sich freiwillig darauf einließ, daß man ihm ein Metallrohr in den Anus schob, mußte schon ziemlich verzweifelt sein! Er war mit Ptolemaios allein in seinem Schlafgemach. Der Herrscher hatte es vorgezogen, bei dieser Behandlung keine weiteren Zeugen um sich zu haben.

»Wird es lange dauern?« Die Stimme des Königs klang gefaßt.

»Nicht sehr. Entscheidend ist, daß die Tinktur, die ich in Euere Innereien leiten werde, dort möglichst lange bleibt, um ihre volle Wirkung entfalten zu können. Nur so ist gewährleistet, daß Ihr von Euren Leiden erlöst werdet, Eure göttliche Majestät.«

»Du willst mir damit sagen, ich soll nicht sofort zu dem Eimer dort drüben laufen, wenn ich das Gefühl habe, daß ich mich erleichtern könnte?«

»So ist es, Erhabenster.« Philippos fand die Vorstellung, daß der Mann, den er behandelte, in Ägypten als ein Gott galt, geradezu grotesk. Götter hatten keine Leibkrämpfe! Er mußte sich bemühen, den nötigen Ernst und Respekt gegenüber dem Herrscher zu bewahren, denn soviel war gewiß, auch wenn Ptolemaios kein Gott war, so konnte es sehr unangenehm werden, sich seinen Zorn zuzuziehen.

Einen Moment lang betrachtete Philippos zögernd das rosige Hinterteil des Monarchen. Ptolemaios hatte sich nackt auf seiner Kline ausgestreckt und wartete geduldig darauf, daß er begann. Wenn der König sich falsch verhielt, konnte der Eingriff durchaus schmerzhaft werden. »Wollt Ihr nicht noch einen Becher Wein zu Euch nehmen, Eure göttliche Majestät? Es ist wichtig, daß Ihr ganz entspannt seid, wenn ich beginne.«

»Hast du etwa Angst vor dem, was du zu tun gedenkst?«

In der Stimme des Monarchen schwang mehr als nur ein Hauch von Mißtrauen.

Philippos räusperte sich. »Ich habe diesen Eingriff schon hunderte Male durchgeführt. Es besteht überhaupt kein Anlaß zur Beunruhigung, Eure Erhabenheit. In dem Moment, in dem ich das Rohr einführe, solltet Ihr am besten pressen, so als wolltet Ihr ...«

»Man nennt uns nicht ohne Grund den Neuen Dionysos, Arzt! So wie der Gott lieben auch wir Feste und Ausschweifungen jeder Art. Es ist nicht das erste Mal, daß man uns etwas in den Hintern schiebt. Also fangt jetzt endlich an!«

»Jawohl, Eure Majestät!« Philippos rieb das Hinterteil des Herrschers sorgfältig mit feinem Lammfett ein und griff dann nach dem Kupferrohr. »Wenn Ihr jetzt, bitte .«

»Ja!«

Ptolemaios stöhnte leicht, als der Ansatz des Metallrohrs in seinem rosigen Hinterteil verschwand. Aus Angst, den Darm des Herrschers zu verletzen, wagte der Arzt es nicht, das Rohr allzu weit einzuführen. Dann griff er nach dem Krug, in dem sich die vorbereitete Tinktur aus Salzen und Gerbsäuren befand. Ein Mittel, das unfehlbar helfen würde! Mit Hilfe eines Trichters füllte er die Flüssigkeit langsam in das Rohr.