»Verdammter Mist! Das fühlt sich ja schrecklich an«, lamentierte der Herrscher. »Hättest du das Zeug nicht wenigstens anwärmen können. Das ist ja kalt wie der Tod!«
»Nur so vermag es seine volle Wirkung zu entfalten, Eure Erhabenheit. Ich werde nun das Rohr entfernen. Bitte bemüht Euch, die Tinktur jetzt so lange wie.«
»Ja, wir haben es begriffen. Wir müssen sagen, die Methoden der Isis-Priesterin, unsere Verstopfung zu behandeln, waren wesentlich angenehmer. Wenn sie nur nicht so ein aufsässiges Wesen hätte . Eigentlich wollten wir sie wegen ihrer Impertinenz vom Hof entfernen. Doch nun, wo sie unserer Tochter das Leben gerettet hat, können wir uns schlecht als undankbar erweisen.«
»Und wenn Ihr Euch als dankbar erweisen würdet, Eure allergöttlichste Vollkommenheit?«
»Wie meint er das?« Ptolemaios drehte sich grunzend zur Seite und musterte Philippos mit seinen kleinen, braunen Schweinsäuglein. »Will er sich etwa über uns lustig machen?
»Nichts läge mir ferner, Neuer Dionysos«, entgegnete der Arzt hastig. »Was ich meine, ist, wenn Ihr die Priesterin belohnt, dann könnte dies doch auch zur Folge haben, daß sie den Hof verlassen muß. Schickt sie nach Tyros! Von dort kamen die Geschenke und das Gift. Laßt Ihr die Ehre zuteil werden herauszufinden, wer Euch vergiften wollte, göttliche Majestät. Sie hat ein besonderes Talent in diesen Dingen. Ihr erinnert Euch doch gewiß noch, wie geschickt sie die Hintergründe um die Morde an den ägyptischen Gesandten aufgedeckt hat. Es würde Euch gleich auf zweifache Weise zum Vorteil gereichen, wenn Ihr sie mit dieser wichtigen Aufgabe betraut. Zum einen könntet Ihr mit Samus Hilfe herausfinden, wer Euch nach dem Leben trachtet, und zum anderen müßt Ihr diese impertinente Person nicht länger in Eurer Nähe dulden.«
»Ein feiner Plan«, brummelte der König. »Wenn du gestattest, werden wir uns jetzt erheben und .«
»Bitte, Eure Majestät! Wartet noch ein wenig. Es ist besser für Euch.«
»Wir haben aber das Gefühl, daß es uns gleich zerreißen wird. Das kann doch nicht gesund sein!«
»Vertraut mir, Majestät. Es ist besser.«
»In dir steckt das Zeug zu einem trefflichen Intriganten, Arzt. Wenn wir die Dinge richtig einschätzen, dann ist es doch auch dir ganz recht, wenn die Priesterin den Hof wieder verläßt. Immerhin ist sie eine begabte Heilerin und könnte dir deine Stellung streitig machen.«
Philippos lachte leise. »Aber, Majestät! Ihr wollt doch nicht dieses Kräuterweib mit einem erfahrenen Arzt vergleichen. Sie mag eine gute Priesterin sein, und vielleicht besitzt sie sogar magische Kräfte, aber eine Heilkundige ist sie mit Sicherheit nicht. Solche Dinge erfordern eine lange Ausbildung und viel Erfahrung.«
»Versuche uns nicht zu täuschen, Grieche! Wir riechen eine Intrige, noch bevor andere sich darüber im klaren sind, daß sie überhaupt existiert. Was glaubst du, wie wir so lange herrschen konnten, obwohl jeder römische Proconsul in Syrien gierig auf die Reichtümer Ägyptens starrt. Trotzdem gefällt uns dein Plan. Wir werden darüber nachdenken. Vielleicht werden wir dich in Zukunft auch in ein oder zwei andere Probleme einweihen. Womöglich kannst du uns ja noch anders als nur als Arzt zu Diensten sein. Doch genug geredet. Wir werden uns nun an einen Ort zurückziehen, an dem wir deiner Begleitung nicht weiter bedürfen. Schick uns Potheinos herein.«
Philippos verneigte sich ergeben, obwohl er am liebsten einen Luftsprung gemacht hätte. Der König erwog, ihn in den Kreis seiner Berater aufzunehmen! Im Geiste sah der Arzt sich schon in einem eigenen Palast im fernen Alexandria leben und die Staatsgeschäfte des Herrschers manipulieren.
Die letzten Töne der Harfe waren verklungen, und allein das Rauschen des Meeres störte die Stille der Nacht. Erwartungsvoll blickten die Flötenspielerin und die Harfnerin zu Samu. Mehr als eine Stunde hatten die beiden für die Priesterin und Kleopatra musiziert. Samu hatte entschieden, welche Lieder gespielt werden sollten. Doch statt sie zu trösten, hatten die altvertrauten Melodien die Priesterin noch trauriger gestimmt. Noch immer hatte sie nicht die Kraft gefunden, Kleopatra zu sagen, was der Pharao entschieden hatte.
Samu blickte zum Osirisauge am Himmel. Es war rund und sah ein wenig aus wie eine alte Silbermünze, die schon durch so viele Hände gegangen war, daß man das Prägebild nicht mehr erkennen konnte. Das Licht des Osirisauges brach sich in Tausenden von tanzenden Lichtpunkten auf der weiten See.
Das Meer war ruhig in dieser Nacht, die Dünung sanft, und es schien, als wolle die Göttin ihr eine sichere Reise versprechen.
Endlich riß sich die Priesterin vom Anblick der See los und drehte sich wieder zu Kleopatra und den beiden Musikerinnen um. Sie hatten einige Decken und Kissen zum Strand mitgenommen und auch etwas Wein, Brot und Käse. Es sollte ein schöner Abend werden! Ein Abschied, an den sie sich in der Fremde gerne erinnern würde, wenn die Einsamkeit mit eisigen Fingern nach ihrem Herzen griff.
»Laßt mich jetzt mit der Prinzessin allein.« Die Musi-kantinnen verbeugten sich kurz und zogen sich schweigend zurück.
»Was ist mit dir, Samu? Du bist so seltsam heute abend.«
Mit einem Seufzer ließ die Priesterin sich auf der Decke nieder. Sie wußte nicht, wie sie anfangen sollte. Mit der flachen Hand strich sie über den hellen Sand, so als sei er etwas Lebendiges. »Ich habe dir heute mittag gesagt, daß ich noch über ein paar Dinge mit dir reden müßte, Kleopatra ... Nun ist die Zeit gekommen. Schneller, als ich es erwartet hatte.«
»Wie meinst du das?«
»Es geht um Eskander und all die anderen Männer, die du noch kennenlernen wirst. Du mußt wissen, wie du dich vor Unannehmlichkeiten schützen kannst, ohne deshalb auf gewisse Freuden der Liebe verzichten zu müssen.«
Kleopatra lächelte. »Du willst mir erklären, was geschieht, wenn ich zum ersten Mal in den Armen eines Mannes liegen werde? Das hat Thais mir schon längst verraten. Sie war noch jünger als ich, als sie die Liebe kennenlernte. Von ihr weiß ich, was die Männer von einem Mädchen wollen und welche Macht man über sie erlangen kann. Ja, sie hat mir sogar erklärt, wie man vortäuschen kann, noch eine Jungfrau zu sein, falls dies aus irgendeinem Grund jemals erforderlich werden sollte.«
Samu schluckte. Daß die Hetaire und die Prinzessin so vertraut miteinander waren, hatte sie nicht geahnt.
»Weißt du, Samu, viele haben Thais nicht gemocht, weil sie durch ihre Schönheit so schnell so viel Einfluß auf meinen Vater gewonnen hat. Sie konnte arrogant und abweisend sein, wenn Männer ihr nicht gefielen, und manchmal hat sie sich einen Spaß daraus gemacht, einer Hofdame ihren Liebsten abzujagen, nur um ihn nach einer Nacht wieder zu vergessen. Wenige haben um Thais getrauert, als sie gestorben ist. Zu mir ist die Gespielin meines Vaters immer wie eine Schwester gewesen. Ich konnte mit ihr über alles reden, und sie hat mich vor allem viele Dinge über die Liebe gelehrt. Ich vermisse sie.«
»Hat sie dich auch gelehrt, wie du verhinderst, die Frucht des Mannes zu empfangen? Du weißt, so lange du nicht verheiratet bist, darfst du auf keinen Fall schwanger werden. Später spielt es dann keine Rolle mehr, ob du deinem Gatten das Kind eines Liebhabers als sein eigenes verkaufst.«
Kleopatra lächelte verlegen. »Mein Vater möchte, daß ich meinen jüngeren Bruder heirate. Er ist der Meinung, daß sich göttliches Blut nicht mit dem normaler Sterblicher vermischen sollte. Aber ich frage dich, was soll ich mit einem Siebenjährigen anfangen?«
Auch Samu lächelte jetzt. »Er ist doch ein Gott. Zum einen wird sicher noch einige Zeit vergehen, bis dein Vater euch verheiratet, zum anderen . Wunder geschehen. Dein Bruder gilt als Gott, wenn er Pharao wird. Niemand wird in Frage stellen, daß er dazu in der Lage ist, auch in jungen Jahren schon ein Kind zu zeugen. Wahrscheinlicher jedoch ist, daß dein eigener Vater sich dieser Aufgabe widmen wird. Hat er schon einmal versucht, dich zu verführen?«