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Verwundert blickte Samu zu dem jungen Priesterfürsten. »Du kennst dich erstaunlich gut mit den Göttern meines Landes aus.«

Archelaos setzte ein überhebliches Lächeln auf. »Sagen wir, ich habe vor einiger Zeit meine Leidenschaft für Ägypten entdeckt und .«

»Was hältst du eigentlich von den Römern, Priesterin?« Iubal, der schmächtige Kaufmann an der Seite des Priesterfürsten, war Archelaos unvermittelt ins Wort gefallen, so als wolle er ihn daran hindern, weiterzureden.

»Bei Hof betrachtet man die Entwicklung in Rom mit großer Sorge. Wie ihr vielleicht wißt, hat die Königin Berenike vor einigen Monaten eine große Gesandtschaft nach Italien geschickt, um vor dem Senat ihr Anrecht auf den Thron zu rechtfertigen. Doch die Römer haben geduldet, daß man die Gesandten ermordete. Man sagt, daß Pompeius und der geflohene Pharao Ptolemaios für diese schändliche Bluttat verantwortlich seien. Pompeius war begierig darauf, mit seinen Legionen den Flüchtling auf den Thron zurückzuführen. Doch geht es ihm dabei nicht um Gerechtigkeit, sondern es ist allein das Gold Ägyptens, das ihn lockt. Ganz ähnlich sieht es mit dem zweiten mächtigen Mann aus, Crassus. Man sagt, daß er den Aulus Gabinius als Proconsul von Syrien ablösen soll.

Angeblich hat Crassus schon jetzt begonnen, neue Legionen auszuheben. Man munkelt, er plane einen Krieg gegen die Parther, doch vielleicht ist auch er versucht, sich zunächst einmal das Gold Ägyptens anzueignen, um damit seine weiteren Feldzüge zu finanzieren.«

»Deine Einschätzung der Lage deckt sich exakt mit unserer Auffassung über die Pläne Roms, Samu.« Elagabal war ein wenig dichter an sie herangerückt, so daß die Priesterin jetzt die Wärme seines Körpers im Rücken spüren konnte. Als er nach einer der gerösteten Tauben griff, die eine Sklavin an Stelle der Datteln auf den Tisch gestellt hatte, schmiegte er sich eng an ihren Rücken, so daß sie seinen erigierten Phallos spüren konnte. »Wir beobachten diese Entwicklung mit großer Sorge, mußt du wissen. Erst vor ein paar Tagen ist Oiagros mit einem meiner Schiffe aus Ephesos zurückgekehrt. Er hat dort in Erfahrung gebracht, daß man am Hof des Ptolemaios offenbar guten Mutes ist, schon bald nach Ägypten zurückzukehren.«

Samu stockte der Atem. Der Kapitän Elagabals war also erst vor kurzem in Ephesos gewesen! War er etwa derjenige, der das Gift gebracht hatte? Und war dieser schwitzende junge Mann in ihrem Rücken der Mörder, den sie suchte? Trieb Elagabal vielleicht nur ein Spiel mit ihr? Sie durfte sich jetzt nichts anmerken lassen!

»Du vergißt, daß Aulus Gabinius im Moment mit den aufsässigen Judäern beschäftigt ist«, wandte Iubal ein. »Wer außer ihm sollte dem Pharao zu seinem Thron verhelfen? Nach allem, was wir aus Italien wissen, hat Pompeius seine Legionen auflösen müssen, und die Truppen des Crassus sind noch nicht zum Kampf bereit.«

»Die Judäer werden Gabinius nicht lange aufhalten«, brummte Azemilkos. »Er hat sie schon einmal besiegt und wird es wieder tun. Man müßte ihn dazu verleiten, die Parther anzugreifen. Das wäre sein Untergang.«

»Unterschätze die Judäer nicht!« Archelaos warf einen Hühnerknochen hinter sich auf den Boden und wischte sich die Hände an einem der Leinentücher ab, die auf dem Tisch lagen. »Sie sind wie die Hydra, die Herakles einst bekämpfte. Ihr wißt ja, daß für jedes Haupt, das er dem Ungeheuer abschlug, sofort zwei neue nachgewachsen sind. Mit den Judäern ist es ganz ähnlich. Hat Gabinius sie in einer Schlacht besiegt, dann erheben sie sich sofort an zwei anderen Orten aufs neue. Sie haben den Heldenmut, der uns verlorengegangen ist. Selbst wenn die Römer ihnen drei zu eins überlegen sind, scheuen sie es nicht, den Kampf mit ihnen aufzunehmen. Ihr werdet sehen, daß sie zuletzt triumphieren werden!«

»Du kennst diesen Römer schlecht«, wandte Elagabal auf beiden Backen kauend ein. »Er wird das Problem so wie Herakles lösen. Der Held hat die Stümpfe der Hydra mit Hilfe seines Wagenlenkers ausgebrannt, so daß keine Köpfe mehr nachwachsen konnten. Genauso wird es Gabinius machen. Er wird die Städte der Judäer niederbrennen und selbst vor einer Belagerung Jerusalems nicht zurückschrecken, wenn dies notwendig ist. Ihr Widerstand ist ihm doch nur willkommen. So hat er einen Vorwand, plündernd durch das Land zu ziehen und sich zu bereichern. Man kann diese Metapher sogar noch weiterführen. Sein Wagenlenker, in übertragenem Sinne, ist der Reitergeneral Marcus Antonius. Nach allem, was man hört, ist er der fähigste Offizier in der Armee des Gabinius.«

»Und der größte Säufer und Hurenbock ist er auch«, meldete sich Oiagros, der Kapitän, zu Wort. »Ich habe im letzten Jahr in Ostia einige Seeleute über ihn reden hören, die steif und fest behaupteten, sie seien mit diesem Kriegshelden im gleichen Bordell gewesen. Angeblich hat er dort ein großes Wetttrinken veranstaltet und es auch gewonnen.«

Samu dachte an ihre Begegnung mit Marcus Antonius. Kleopatra hatte für ihr Dafürhalten zu viel Interesse an dem jungen Soldaten gezeigt, doch er hatte sich tadellos verhalten.

Während ihrer gemeinsamen Reise nach Misenum hatte sie Antonius nicht ein einziges Mal betrunken erlebt.

»Vielleicht ist das gerade sein Geheimnis«, wandte Elagabal ein. »Er hurt und säuft wie ein gemeiner Soldat. Seine Krieger betrachten ihn als einen der ihren und nicht als irgendein Patriziersöhnchen, das eine Weile Soldat spielen muß, um in seiner politischen Karriere weiterzukommen.«

»Was hat das für uns für eine Bedeutung?« schnaubte Archelaos verächtlich. »Ein Soldat ist so gut wie der andere.«

»Ich glaube, du hast die Lage nicht ganz begriffen, mein junger Freund.« Azemilkos hatte sich ein wenig aufgerichtet und wandte sich zu dem Priesterfürsten. »Mit einem anderen Mann hätte man vielleicht reden können, oder es wäre möglich gewesen, ihn einzuschüchtern. Bei Marcus Antonius wird das nichts nutzen. Er wird kommen und seinen Befehl ausführen. Nichts wird ihn daran hindern, die Grundsteinlegung zu dem Aquaeduct vorzunehmen, notfalls wird er seinen Auftrag mit Waffengewalt durchführen.«

»Wir sind weit gekommen, wenn wir nicht einmal mehr selbst darüber bestimmen können, ob wir ein Aquaeduct in unserer Stadt haben wollen.«

»Das liegt daran, daß den Römern der rechte Glaube an die Götter fehlt«, ereiferte sich der Blinde. »Sie lassen uns unsere Tempel und unsere Götter, sie geben sich großzügig, doch im Zweifelsfall tun sie das, was sie für richtig halten und ignorieren unsere Wünsche!«

»Und wenn ihr diesem Römer den Zugang zu eurer Stadt verwehrt«, fragte Archelaos. »Tyros ist doch eine fast uneinnehmbare Festung.«

»Die leider von einer römischen Garnison besetzt ist. Außerdem haben wir keine Soldaten. Nur mit ein paar aufgebrachten Bürgern werden wir keine römischen Legionäre vertreiben«, entgegnete Elagabal nüchtern. »Machen wir uns nichts vor, meine Freunde, wir allein werden uns der Römer nicht erwehren können.« Der Kaufmann wandte sich an Samu. »Du mußt wissen, daß es eine Prophezeiung gibt, daß Melkart unsere Stadt verlassen wird und von Tyros nichts bleibt als ein Felsen voller Ruinen, wenn eines Tages sprudelndes Quellwasser auf der Insel entspringt. Genau das werden uns die Römer antun, wenn sie ihr Aquaeduct bauen. Zweimal haben wir Gesandtschaften zu Aulus Gabinius geschickt, doch der Proconsul war so sehr mit seinen Kriegen beschäftigt, daß er die Gesandten nicht einmal empfangen hat. Aber genug jetzt von der Politik. Erzähle uns vom Hof der Berenike. Wir alle sind gespannt darauf, Neuigkeiten aus Ägypten zu hören.«

»Aber ich sagte doch schon, daß ich nicht mehr zum Hofstaat gehöre. Vor zwei Jahren noch war ich die Lehrerin der Prinzessinnen Arsinoe und Kleopatra. Doch zur Zeit der Nilschwemme, noch vor der Flucht des Ptolemaios, bin ich in meinen Tempel zurückgekehrt. Seitdem höre auch ich nur noch Gerüchte über das, was bei Hof geschieht.«