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»Nur Gerüchte ...«

Die Männer auf den Klinen blickten einander an, und Samu spürte ihr Herz wie rasend schlagen. Was hatten sie von ihr erwartet? Dachten sie etwa, sie sei eine Gesandte Berenikes? Oder hielten sie sie jetzt sogar tatsächlich für das, was sie war? Ein Spitzel in Diensten des Ptolemaios!

»Was führt dich denn in unsere Stadt, Priesterin? Du bist doch sicher nicht allein gekommen, um dir im Hafen Purpurschnecken anzusehen.« Der schlacksige Iubal hatte ihr diese Frage gestellt. Sein spitzes Gesicht erinnerte Samu jetzt ein wenig an eine Ratte.

»Ich bin im Dienste meines Tempels hier. Isis hat meiner Hohepriesterin eine Vision geschickt. Sie sah ein weißes Schiff in euren Hafen fahren, an dessen Bug eine Frauengestalt aus Licht stand. Die Hohepriesterin war nicht sicher, ob die Göttin selbst auf dem Schiff stand oder eine Herrscherin, die unter dem Schutz der Zauberreichen steht. Wegen dieser Vision wurde ich beauftragt, in den Hafen eurer Stadt zu kommen und auf ein weißes Schiff zu warten.« Samu hoffte, daß die Männer ihr die Geschichte glaubten und daß Isis ihr diese Lüge nachsah.

»Ein weißes Schiff, an dessen Bug eine Frauengestalt aus Licht steht!« Azemilkos wiederholte nachdenklich ihre Worte. »Was für eine verheißungsvolle Vision! Vielleicht ist ihr Ashtoreth, die Königin des Himmels, erschienen?«

»Ich fürchte, dieses Rätsel wird nur die Zeit lösen, mein werter Freund. Laßt uns jetzt die Politik und die Omen vergessen. Wir sind gekommen, ein Fest zu feiern.« Elagabal klatschte laut in die Hände. »Musikantinnen, kommt näher zu uns und spielt uns auf. Schickt auch die Tänzerinnen herein und laßt den gebratenen Ochsen auftragen. Es soll in der Stadt nicht heißen, daß dieses Haus ein Ort der Traurigkeit sei und der Hausherr mit den Köstlichkeiten geize, die die Götter uns zum Genüsse geschenkt haben.«

Erleichtert ließ Samu sich zurücksinken. Ihr war sogar egal, daß sie sich dabei an Elagabal anlehnte. Offenbar hatten die Männer ihr geglaubt, und die Gefahr, als ein Spitzel zu gelten, war gebannt. 

13. KAPITEL

Samu stieg aus der Sänfte aus und blickte die enge Gasse hinauf, an der das Gasthaus lag, in dem sie Quartier genommen hatte. Vom Hafen her trieb Nebel in die Stadt. 

Hier und dort tauchten Öllampen hinter Fenstern die weißen Schleier in goldenes Licht. Irgendwo verhallten Schritte. Samu war fast sicher, daß ihr jemand gefolgt war.

»Ist etwas?« Die Träger hatten die Sänfte abgestellt, und einer der jungen Männer war an ihre Seite getreten. Samu schüttelte den Kopf. »Es ist gut. Ich dachte nur ...« Die Priesterin lächelte. »Ich danke euch für euren Dienst. Es ist spät .«

Der Mann verneigte sich kurz und gab seinen Gefährten dann ein Zeichen, die Sänfte wieder aufzunehmen. Samu sah ihnen nach, bis die Sänfte im Nebel verschwunden war. Sie dachte an den Haß, den Elagabal und seine Freunde gegen die Römer hegten. Wie weit sie wohl gehen würden? Und hatten sie ihr geglaubt, daß sie auf Seiten von Berenike stand?

Samu stieß die Tür zur Schenke auf. Der Gastraum war fast leer. Mit raschen Schritten durchquerte sie ihn, ohne auf die verlorenen Gestalten zu achten, die an den niedrigen Tischen kauerten. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, eilte sie die schmale Holztreppe hinauf, die zu den Gästezimmern über dem Schankraum führte. Oben angekommen, blickte sie noch einmal zur Tür der Schenke hinunter. Niemand war nach ihr eingetreten. Wahrscheinlich bildete sie sich alles nur ein. Sie war einfach zu vorsichtig!

Samu schob den Vorhang zur Seite, der ihr kleines Zimmer von der Galerie trennte. Eine Türe wäre ihr lieber gewesen! Jemand hatte ihr eine kleine Öllampe auf den Tisch neben dem Bett gestellt. Der Docht der Lampe war so weit heruntergeschnitten, daß die Flamme kaum mehr als ein winziger Funke in der Finsternis war. Erschöpft ließ sich die Priesterin auf ihrem Lager nieder. Sie spürte, wie ihr Herz so heftig schlug.

Sie mußte ihre Angst besiegen! Es gab keinen Grund! Morgen schon würde sie einen Söldner anmieten, der sie bewachte.

Sie löste die Bänder, die ihr Haar zusammenhielten, und legte sie auf den Tisch. Langsam wurde sie ruhiger. Unten im Schankraum ertönte das Gröhlen eines Betrunkenen. Samu erhob sich von der Bettstatt und öffnete den kunstvollen Knoten, der ihr Gewand zusammenhielt. Dann trat sie an das Fenster und spähte in die Finsternis. Der Nebel war noch dichter geworden. Fast alle Lichter in den Häusern ringsherum waren verloschen, und die wenigen, die noch brannten, schienen so fern wie die Sterne am Himmelsgewölbe. Vom Hafen her hörte man das sanfte Plätschern der Wellen. Samu legte ihr Gewand auf den Tisch. Im Halbdunkel suchte sie nach einem Tuch, mit dem sie sich die Schminke aus dem Gesicht wischen konnte. Wahrscheinlich sah sie aus wie die Gorgo. Die Priesterin lächelte. Eitelkeit war ein neuer Zug an ihr. Ob sie das von Kleopatra hatte? Wie es der Kleinen jetzt wohl ging? Hoffentlich ließ Ptolemaios sie in Ruhe.

Samu warf das ölgetränkte Tuch zur Seite und streckte sich auf das Bett. Die Decke war aus einem groben Wollstoff und kratzte fürchterlich. Wenn sie sich ein wenig mehr auf das Werben Elagabals eingelassen hätte, dann würde sie jetzt zwischen Decken aus feinem Leinen liegen. Vielleicht sollte sie ausloten, wie weit sie gehen konnte, ohne ihm in einer Art entgegenkommen zu müssen, die ihr nicht behagte. Er konnte ihr sicher ein besseres Quartier verschaffen.

Und wenn er der Giftmörder war? Sie dachte daran, wie freimütig er erzählt hatte, daß sein Kapitän Oiagros erst vor kurzem in Ephesos war. Ob es wohl Aufzeichnungen darüber gab, was er auf seinem Schiff transportiert hatte? Auch das würde sie leichter herausfinden, wenn sie dem Werben des Kaufmanns ein wenig entgegenkäme. Wenn sie in einem der Gästezimmer in seinem Haus unterkam, dann würde sie vielleicht auch unauffällig den einen oder anderen Schreiber des Handelskontors aushorchen können.

Samu hörte, wie der Wirt unten den schweren hölzernen Riegel vor die Tür legte. Offenbar war der letzte Gast gegangen.

Sie konnte nun beruhigt schlafen. Jedenfalls, so weit man das in einem Gemach tun konnte, das keine Tür besaß.

Samu war davon erwacht, daß sie plötzlich, fast krampfartig, zusammengezuckt war. Benommen blinzelte sie in die Finsternis. Draußen war es noch immer dunkel. Sie wußte nicht, ob sie nur wenige Augenblicke oder schon mehrere Stunden geschlafen hatte. Noch immer brannte die winzige Flamme auf dem gestutzten Docht der Lampe. Am anderen Ende der Kammer, dicht beim Fenster, knirschten die hölzernen Bodendielen.

Jetzt wußte Samu, was sie geweckt hatte. Sie war nicht mehr allein in der Kammer. Angestrengt spähte sie ins Dunkel. Jetzt war es wieder still. Spielten ihr ihre Sinne einen Streich? Vorsichtig tastete sie nach dem Dolch, den sie neben dem Bett auf den Tisch gelegt hatte.

Wieder knarrten die Bodenbretter. Ein Schatten löste sich aus der Finsternis neben dem Fenster.

»Du wirst dein Messer nicht brauchen, Samu«, erklang eine dunkle Männerstimme.

Die Priesterin schluckte. Der Fremde kannte ihren Namen, und er sprach ägyptisch! »Wer bist du? Und was willst du von mir?«

»Kennst du mich denn nicht mehr?« Die Gestalt trat jetzt dicht vor den Tisch. Der Mann war nur mittelgroß und wirkte eher drahtig als muskulös. Sein Gesicht war noch immer im Schatten verborgen. Auf unheimliche Weise schien er Samu vertraut. Seine Stimme ... Sie kannte ihn!

»Nun, schöne Priesterin! Ich erinnere mich an Zeiten, in denen du mich freundlicher empfangen hast.«

Das konnte nicht sein! Diese Stimme! »Wenn du freundlicher empfangen sein willst, dann nimm die Lampe und halte sie hoch, damit ich dein Gesicht sehen kann. Ich gehöre nicht zu den Frauen, die sich so einfach mit jedem Mann einlassen.«