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Samu traute ihren Ohren kaum, als sie den hinterhältigen Plänen Hophras lauschte. Sie mußte so schnell wie möglich die Stadt verlassen und den Feldherren warnen. Und Philippos sollte sie auch warnen oder ... Die Priesterin zögerte. War es ein Zufall, daß der Grieche schon wieder in eine Verschwörung verwickelt war? Sie dachte an die Ereignisse in Italien. Auch dort hatte er auf Seiten der Mörder und Intriganten gestanden. Falls Philippos das Lager gewechselt hatte und sie ihm eine Warnung zukommen ließ, würden die Verschwörer vielleicht einen neuen Plan aushecken, um Marcus Antonius umzubringen. Und wenn der Arzt nur ein unschuldiges Opfer war . Nein, sie konnte es nicht riskieren, ihn zu warnen! Im Zweifelsfall würde er sich schon selbst zu retten verstehen. Das einzige, was sie für Philippos tun konnte, war, für ihn zu beten.

»Und diese Priesterin? Ich bin voller Sorge darüber, daß sie geflohen ist. Glaubst du, daß sie unsere Pläne erraten hat? Es war ein Fehler, sie zu unserem Gastmahl zu laden, nicht wahr?«

Hophra lachte leise. »Diese kleine Hure wird nicht weit kommen.« Seine Worte trafen Samu wie ein Schlag ins Gesicht. »Ich habe Euch immer davon abgeraten, sie in Euer Haus aufzunehmen, Herr. Doch seid gewiß, sie wird uns nicht entwischen. Es gibt nur ein einziges Stadttor, durch das sie Tyros verlassen kann. Dort ist sie bislang nicht gesehen worden. Da auch kein Schiff aus dem Hafen ausgelaufen ist, muß sie sich noch innerhalb der Mauern befinden. Sorgt Euch also nicht! Wir werden sie auf jeden Fall finden, und wenn ich mit ihr fertig bin, dann wird sie niemandem mehr etwas verraten können.«

Samu spürte, wie sich ihre Gedärme verkrampften. Vorsichtig versuchte sie, noch ein wenig weiter zwischen den Gewürzsäcken zurückzukriechen. Wie hatte sie nur jemals glauben können, daß Hophra sie liebte? Er hatte sie mißbraucht und sein Spiel mit ihr getrieben! Doch woher wußte er, warum sie nach Tyros gekommen war?

»Behaltet einen kühlen Kopf, Strategos, und Ihr werdet in zwei Monaten der neue Statthalter von Syrien sein. Wenn Berenike erst den parthischen Prinzen geheiratet hat und die Parther und die Ägypter gemeinsam in Syrien einmarschieren, um die Römer zu vertreiben, dann bricht ein neues Zeitalter für Tyros an. Die Stadt wird dann wieder so bedeutend sein wie einst. Ihr könnt sicher sein, daß Euch die Prinzessin auszeichnen wird, wenn Ihr Euch als erster gegen die Herrschaft der Tyrannen erhebt und so ein Zeichen zum allgemeinen Aufstand gebt. Ihr wißt doch, daß Euch der Gott zu seinem Werkzeug auserkoren hat.«

Samu traute ihren Ohren kaum. Hophra war also mehr als nur ein Söldner! Er war ein Spitzel in Diensten Berenikes! Er, der immer so treu zu seinem Pharao gestanden hatte, daß Potheinos höchstpersönlich dafür gesorgt hatte, daß Hophra vom Hof in Alexandria abkommandiert wurde und durch einen korrupteren Offizier ersetzt wurde. Am liebsten wäre Samu aus ihrem Versteck aufgesprungen und hätte dem Verräter ihren Dolch in die Brust gestoßen.

Jetzt erkannte sie, daß ihre Mission hier in Tyros von dem Augenblick an verloren gewesen war, an dem sie Hophra im Hafen begegnete. Der Krieger hatte wissen müssen, daß sie noch am Hof des Pharaos diente und daß es kein Zufall sein konnte, daß sie kurz nach dem mißglückten Giftanschlag hier in Tyros erschien. Vermutlich war auch der Mordversuch Hophras Werk. Schließlich war es eines von Elagabals Schiffen gewesen, das die falschen Geschenke nach Ephesos gebracht hatte, und so wie es schien, hatte der Söldner solchen Einfluß auf den Handelsherrn, daß er ihn zu jeder Schandtat überreden konnte.

Schweigend beobachteten der Kaufmann und sein Söldner, wie ihre Lastenträger die Bündel mit den Waffen aus dem verborgenen Keller fortschafften. Als die Männer schließlich mit ihrer Arbeit fertig waren und die Steinplatte über den Zugang zu dem verborgenen Kellergewölbe schieben wollten, trat Hophra dazwischen.

»Laßt es offen. Wir verriegeln das Lagerhaus gut, das genügt! Morgen früh müssen die Schreiber die frisch gebrannten Dokumente in das geheime Archiv bringen. Ihr wißt doch, was für Schwächlinge sie sind und was für ein Aufhebens sie immer darum machen, die Steinplatte anzuheben.«

»Was für Dokumente?« Elagabal blickte seinen Leibwächter fragend an.

»Die Kopien des Briefes, den Ihr an Berenike geschickt habt, Herr. Ihr erinnert Euch doch noch.«

»Ja, der Brief ... Du hast recht.« Der Kaufmann machte auf Samu keineswegs den Eindruck, als erinnere er sich. Sie hatte mehr und mehr das Gefühl, als sei er Wachs in Händen des Söldners. Was Hophra wohl mit ihm gemacht haben mochte, daß Elagabal sich so sehr gängeln ließ?

Die Männer verließen das Gewölbe, und als Samu schließlich hörte, wie das schwere Portal des Lagerhauses verschlossen wurde, wagte sie es, aus ihrem Versteck herauszukommen. Im nachhinein betrachtet war dieser Zwischenfall geradezu ein Geschenk der Isis. Nur auf sich gestellt, hätte sie wohl niemals den Zugang zu dem Kellergewölbe entdeckt und selbst wenn, hätte sie allein nicht die schwere Steinplatte anheben können, die es verschloß. Auch der Hinweis auf die Tontafeln in der Glut war Gold wert. Sie selbst wäre nicht auf die Idee gekommen, ausgerechnet diese Tafeln näher zu untersuchen.

So entzündete sie wieder ihre Öllampe und holte dann mit Hilfe einer eisernen Zange die gebrannten Tafeln aus der fast verloschenen Glut des Feuers. Der Text auf den fünf Tafeln war in aramäischer Sprache verfaßt. Die Schriftzeichen erschienen Samu ein wenig verzerrt, doch mochte es daran liegen, daß sie nicht dazu geschaffen waren, mit einem Schreibkeil in frischen Ton gepreßt zu werden. Was den Inhalt anging, waren die Schreiben eine Enttäuschung. Es war lediglich eine Bestätigung dessen, was sie ohnehin schon wußte. Elagabal schien der Kopf der Verschwörung in Tyros zu sein, auch wenn Hophra der zerstörerische Daimon war, der hinter allem stand. Der Kaufmann wandte sich an Königin Berenike um Hilfe und berief sich dabei auf frühere Vereinbarungen. Offenbar sollte die Rebellion in Tyros so etwas wie ein allgemeines Zeichen zum Aufstand werden. Außerdem bedankte er sich bei der Herrscherin für die Waffenlieferung. Woher Berenike wohl über römische Kurzschwerter verfügte, dachte Samu bei sich. Dann legte sie die Tontafeln in die Asche zurück und wandte sich dem Eingang zum Kellergewölbe zu.

Die Treppe war aus dem Felsen geschlagen und führte in einer leichten Krümmung in die Tiefe. Hier und da waren an den Seitenwänden die Reste von primitiven Zeichnungen zu erkennen.

Es gab einen knienden Helden, der einen Löwen umklammert hielt, und ein andermal eine Frauengestalt, der Waffen aus den Schultern zu wachsen schienen. Insgesamt hatte Samu den Eindruck, als habe man sich Mühe gegeben, die Zeichnungen wieder von den Wänden zu entfernen. An vielen Stellen fand sie tiefe Schrammen auf der Felswand, durch die die Göttergestalten unkenntlich gemacht worden waren. Auch waren die Wände und die Decke schwarz vor Ruß, so als habe es einst ein verzehrendes Feuer in dem Gewölbe am Ende der Treppe gegeben. Oder stammte der Ruß nur von den Fackeln Tausender Gläubiger, die über Generationen das Gewölbe hinabgestiegen waren?