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Von der fremden Stimme erschreckt, hatte der Skorpion sich umgedreht und wieder drohend seinen Stachel erhoben.

»Beim Barte Melkarts! Bewege dich nicht, Priesterin!« Langsam zog der Beduine seinen Dolch. »Ich werde dich retten, aber bleib ganz ruhig.«

»Laß ihn in Ruhe, Haritat! Die Göttin hat ihn geschickt, um über mich zu wachen. Wie du siehst, hat er zwischen meinen Brüsten geschlafen und mir nichts getan. Doch dich mag er nicht! Er hat mir gesagt, daß er in der nächsten Nacht seine Brüder mitbringen und dich besuchen wird.«

Der Beduine schlug mit der Linken ein Schutzzeichen.

Währenddessen kroch der Skorpion Samus Bauch hinab und kletterte auf die Decke. Die Priesterin atmete immer noch ganz flach. Sie war sich keineswegs sicher, ob sie dieser kleinen Bestie wirklich zu gebieten vermochte. Doch davon würde sie sich nichts anmerken lassen!

»Ich glaube, mein Leibwächter mag dich nicht, Haritat! Ich habe ihm erzählt, daß du mich in Fesseln nach Jerusalem führen willst. Er war darüber sehr zornig.« Samu konnte sehen, wie sich der Adamsapfel des Beduinen auf und ab bewegte. Haritat machte einen Schritt zurück.

»Wenn du mir dein Wort gibst, nicht zu fliehen, Priesterin, dann mußt du keine Fesseln mehr tragen.«

»Hat dir Hophra eigentlich erzählt, wer ich bin? Hast du dich nicht darüber gewundert, daß er mich bewußtlos zu dir gebracht hat? Was glaubst du wohl, warum er das Weite gesucht hatte, noch bevor ich wieder zu mir gekommen bin?«

Haritat leckte sich nervös über die Lippen. »Was willst du von mir, Priesterin? Ich habe dich nicht schlecht behandelt!«

Samu schnaubte verächtlich. »Ich bin deine Gefangene! Nennst du das gute Behandlung? Doch du und die Deinen werden dafür büßen. Ich bin eine Dienerin der Isis. Sieben Jahre lang hat man mich die Geheimnisse der Göttin gelehrt. Ich vermag den Daimonen zu gebieten, und wenn ich es will, dann reichen drei Worte von mir, um deine sämtlichen Kamelstuten unfruchtbar werden zu lassen und dich obendrein, Haritat. Kannst du dir vorstellen, wie der Stachel, den du so stolz zwischen deinen Beinen trägst, verdorrt und schließlich abfällt?«

Samu konnte sehen, wie sich die Faust des Beduinen um den Dolchgriff verkrampfte, so daß die Knöchel weiß hervortraten. Schweiß stand ihm auf der Stirn.

»Denk lieber erst gar nicht daran! Hat man dir nie gesagt, daß der Fluch einer sterbenden Zauberin der mächtigste ist, den sie in ihrem ganzen Leben spricht? Bis ins siebente Glied hinein wird er deine Ahnen verfolgen! Wer immer deiner Sippe angehört, den soll der Fluch des Skorpions treffen. Immer dann, wenn sich zum dreißigsten Mal der Tag ihrer Geburt jährt, wird deine Kinder und Kindeskinder ein Skorpion heimsuchen und sie töten. So lange wird sich dies Schicksal wiederholen, bis deine Sippe ausgelöscht ist, Haritat. Das ist der Preis, den du zahlen wirst, wenn du eine Waffe gegen mich erhebst!«

Der Skorpion glitt jetzt an Samus Bein hinunter und eilte auf das Kleiderbündel zu, das dicht neben ihr auf dem Boden lag. Mit starrem Blick verfolgte der Beduine das Tier. Die Hand, in der er den Dolch hielt, zitterte leicht.

»Der Ägypter hat mich betrogen, Priesterin. Er hat mir nicht die Wahrheit darüber gesagt, wer du bist. Also muß ich mich auch nicht an das Wort gebunden fühlen, das ich ihm gegeben habe.«

Samu lächelte zufrieden. »Wie ich sehe, bist du ein weiser Mann, Haritat.«

»Wenn ich dir ein Kamel satteln lasse und dir freien Abzug gewähre, wirst du dann darauf verzichten, mich zu verfluchen, Zauberin?«

»Gib mir noch einen Führer, und wir sind handelseinig. Nicht du bist der, dem mein Zorn gilt. Ich will den Kopf des Mannes, der mich zu dir gebracht hat! Ich sehe, daß du von Hophra getäuscht worden bist und dich keine Schuld trifft.«

Der Beduine nickte heftig. »Genauso ist es. Er hat mir gesagt, du seiest nur ein törichtes Weib, das sich in Schwierigkeiten gebracht hat. Davon, daß du eine Zauberin bist und in Fehde mit ihm liegst, hat er kein Wort gesagt.«

»Gehe jetzt und suche einen Mann, dem du traust! Doch versuche nicht, mich zu betrügen, Beduine. Mein Fluch über dich ist ausgesprochen, und ich werde ihn erst zurücknehmen, wenn ich sicher im Lager der Römer bin, die nach Tyros marschieren.«

»Du willst zu den Römern?«

»Du wirst doch wohl wissen, wo ich sie finde, oder? Man sagt doch, ihr Beduinen wißt um jeden, der durch die Wüste reist. Also wird dir doch nicht verborgen geblieben sein, daß eine ganze Armee nach Tyros marschiert.«

»Keine Armee, Priesterin. Drei Kohorten und eine Abteilung Reiter. Ich werde dich nicht fragen, was du von ihnen willst. In der Zeit, die die Sonne braucht, um zwei Finger breit über den Himmel zu wandern, werde ich dir ein Kamel satteln lassen und einen Führer auswählen. Du wirst nicht weit reiten müssen, um zu den Römern zu gelangen.«

Samu lächelte zufrieden. »Ich sehe, du bist ein kluger Mann, Haritat. Du wirst dir keine Sorgen um die Zukunft deiner Sippe machen müssen.« 

20. KAPITEL

»Ich glaube nicht, daß der Magister equitum dich empfangen wird, Weib. Er berät sich gerade mit seinen Tribunen und hat keine Zeit.« 

Samu blickte an sich hinab. Ihr schlichtes Gewand war von Staub bedeckt. Es war kein Wunder, daß der Legionär sie nicht in das Lager lassen wollte. Noch dazu, wo sie diesen schweigsamen, tätowierten Beduinen an ihrer Seite hatte. Haritat hatte ihr den Mann als Wache und Führer mitgegeben.

Den ganzen Weg über hatte der Kerl keine drei Worte mit ihr gesprochen, ja, er hatte sie kaum eines Blickes gewürdigt. Vermutlich interessierte er sich mehr für Männer als für Frauen.

»Wenn Marcus Antonius erfährt, daß du mich, die Gesandte des Ptolemaios, abgewiesen hast, dann wird er dir den Kopf vor deine Füße legen lassen. Ich bin nicht den weiten Weg von Ephesos gekommen, um mich von dir aufhalten zu lassen. Glaube mir, ich werde einen Weg finden, um den Magister equitum zu sprechen. Nenn mir deinen Namen, Soldat. Der Feldherr soll wissen, wer mich aufgehalten hat.«

Der Mann kratzte sich unbehaglich hinter dem Kinnriemen seines Helms, ganz so, als fühle er bereits das Schwert des Henkers an seinem Hals. Dann lächelte er verlegen. »Ich denke, der wachhabende Centurio soll entscheiden, ob Ihr vorgelassen werdet. Ich werde ihn holen.« Er drehte sich zu einem Mann um, der ein Stück weiter im Schatten einer Palme saß.

»Marius! Bring den Gesandten frisches Wasser und kümmere dich um ihre Reittiere!« Der Legionär nickte Samu noch einmal kurz zu und entfernte sich dann eilig.

Samu ließ ihr Kamel niederknien und sprang ungelenk aus dem Sattel. Sie hatte schon für Pferde nicht viel übrig, doch Kamele waren noch erheblich unkomfortablere Reittiere. Um richtig im Sattel sitzen zu können, hatte sie ihr Chitonion bis weit über die Knie raffen müssen.

Sie nahm die kleine, lederne Tasche vom Sattelhorn, in der die drei Schrifttafeln verwahrt waren, die ihr Haritat vor der Abreise gegeben hatte. Sie stammten aus dem Archiv Elagabals. Der Beduine hatte die Tafeln von Hophra mit der Anweisung bekommen, er solle sie an die Priesterin aushändigen, sobald sie Jerusalem erreichten. Es handelte sich um die Frachtliste des Schiffes, das unter dem Kommando von Oiagros nach Ephesos gesegelt war. Auf ihr waren all jene Geschenke verzeichnet, die man an den Hof des Ptolemaios gebracht hatte. Doch wichtiger noch war der Name, der auf den Tafeln stand. Der Name des Mannes, der das Schiff von Elagabal gemietet hatte. Es war der gleiche Name, den Haritat ihr genannt hatte, als sie zum Abschied nach dem Mann fragte, der die Luxusartikel aus Ägypten hatte kommen lassen.

Der Soldat, der davongeeilt war, um seinen Centurio zu holen, kehrte mit einem bulligen, rotgesichtigen Krieger an seiner Seite zurück. Schnaufend blieb der Kerl vor Samu stehen.