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Samu glaubte, an ihrem Verstand zweifeln zu müssen. Hatte der Feldherr nicht begriffen, in welche Gefahr er sich begab?

»Was ist das für ein närrischer Plan? Wem soll es nutzen, wenn du unnütz dein Leben riskierst? Glaub mir, es ist mehr als nur ein Gerücht, daß man dich umbringen will!«

»Priesterin, weißt du nicht, daß die Götter die Narren lieben?«

Die Stimme des Römers war schwer vom Wein. »Mein Entschluß steht fest. Ich werde morgen an dem Tempelfest teilnehmen. Wenn du dich so sehr um mich sorgst, dann kannst du ja zu deiner zaubermächtigen Göttin beten und sie darum bitten, daß sie mich beschützt.« 

21. KAPITEL

Philippos spielte mit seinen Fingern nervös am Knauf des Schwertes, das er unter seinem Umhang verborgen trug. Die nächste Stunde würde über das weitere Schicksal der Stadt entscheiden. Es ging das Gerücht um, daß Marcus Antonius, so wie einst Alexander, darauf bestanden habe, den Tempel des Melkart zu besuchen. Die Straßen waren voller Menschen. Allenthalben wurde hitzig debattiert, und immer wieder hörte man Hitzköpfe Parolen gegen die Römer schreien. 

Die kleine römische Garnison von Tyros war fast vollständig angetreten, um die breite Straße frei zu halten, die über den Damm bis zum Melkart-Tempel im Zentrum der Stadt führte. Mit Schilden und Speeren bewaffnet, drängten sie die Bürger in die angrenzenden Gassen zurück und hielten die beiden Zugänge zu dem Damm frei, den Alexander während der Belagerung der Hafenstadt hatte aufschütten lassen.

Verzweifelt blickte Philippos über den Platz vor dem Tempel. Zwanzig Soldaten waren aufgeboten, um ihn abzuschirmen.

Der Grieche nagte unruhig an seiner Unterlippe. Er wußte, daß rings um den Platz und auf den Dächern mehr als fünfhundert bewaffnete Fischer und zwei Dutzend Bogenschützen lauerten. Alle warteten sie auf das Zeichen, das Melkart ihnen geben sollte. Wenn Marcus Antonius nicht mindestens mit einer Kohorte in die Stadt marschierte, dann würde er durch die schiere Masse der Gegner überrannt werden. Ganz egal, wie tapfer seine Soldaten kämpften, in dem Chaos, das auf dem Platz entstehen würde, würden sie einfach untergehen. Der Grieche fühlte sich schlecht. Vielleicht waren unter den Legionären ein paar alte Kameraden, mit denen er einst in Spanien gekämpft hatte. Er konnte sie nicht einfach so verraten . Doch er sah auch keine Möglichkeit mehr, etwas zu tun, um das Unglück zu verhindern. Er war allein! Wie sollte er die Rebellen aufhalten? Womöglich war es wirklich das klügste, treu zu Elagabal zu stehen. Philippos dachte an das Angebot, das ihm der Kaufmann gemacht hatte. Mehr als ein Jahr, nachdem er die Legion verlassen hatte, würde er plötzlich eine Karriere als Soldat machen? Womöglich würde er sogar Statthalter in irgendeiner Provinzstadt .

»Philippos!«

Abimilku versuchte, sich durch die Menschenmassen zu drängen und an seine Seite zu gelangen. »Philippos!« Der Kapitän schrie und ruderte mit den Armen, als säßen ihm die Erinnyen im Nacken. Der Grieche schaffte sich mit den Ellbogen Platz und arbeitete sich langsam in Richtung des Seemanns vorwärts.

Als Abimilku endlich vor ihm stand, war der Kapitän völlig außer Atem. »Betrug ...«, keuchte er. »Wir werden mißbraucht. Es ist ...«

Philippos blickte sich besorgt um. Es war nicht klug, hier, inmitten aufgebrachter, zu allem entschlossener Menschen, laut über Betrug und Verrat zu reden. So mochte schon vor der Zeit der Funken geschlagen werden, der jenen verheerenden Brand auslösen würde, der nicht anders als mit berstenden Stadtmauern und tausendfachem Tod enden konnte.

»Still«, zischte Philippos und versuchte, den Seemann aus der Masse herauszuzerren.

Doch Abimilku war wie von Sinnen. »Du hattest recht . «, stammelte er immer wieder. »Wir alle sind dem Untergang geweiht.«

Endlich erreichten die beiden einen Hauseingang, durch den sie auf einen verlassenen Hof gelangten.

»Was, bei Zeus, ist in dich gefahren?« Die Stimme des Griechen überschlug sich vor Zorn. Es war, als wolle sich seine ganze Wehrlosigkeit und Resignation nun an Abimilku entladen.

Philippos hatte den Kapitän bei seiner Tunica gepackt und schüttelte ihn wütend. »Wovon redest du, Mann?«

»Sie betrügen den Gott! Sie wollen im Namen Melkarts morden! Nicht der Herr des Lichtes und der Flammen wird Antonius richten, sondern ein Sterblicher, der sich anmaßt, im Namen des Gottes handeln zu dürfen. Mein Schwager hat es gesehen!«

»Was zum Henker hat er gesehen?«

»Er ist noch einmal an den Platz gegangen, an dem der Ägypter die Bogenschützen unterrichtet hat. Du kennst ihn doch, meinen Schwager? Den großen, bärtigen Mann aus meinem Boot. Er wollte sich noch einmal üben, bevor er seine Pfeile auf die Römer richtet. Als er den Platz erreichte, war dieser Hophra schon dort. Erst wollte mein Schwager ihn ansprechen, doch dann hat er beobachtet, was der Ägypter dort machte. Auch er übte sich im Schießen. Er hatte ganz eigenartige Geschosse. Sie hatten eine vierkantige Spitze, geschmiedet wie ein Nagel und so lang wie ein Finger. Die Schäfte waren aus geschwärztem Holz, und die Befiederung sah aus, als sei sie aus lauterem Gold. Hophra umwickelte die Pfeilspitzen mit ölgetränktem Tuch, hielt sie kurz in ein Feuer. Erst züngelten die Flammen nur träge, doch als er den Pfeil dann steil in den Himmel schoß, loderten sie auf, so daß es aussah, als zöge eine feurige Kugel durch das Firmament. Und da hat mein Schwager begriffen, was der ägyptische Söldner dort übte. Hophra will sich anmaßen, an Stelle des Gottes die Römer zu richten.

Wenn das Volk auf dem Tempelplatz sieht, wie sich eine solche Feuerkugel vom Himmel senkt und Marcus Antonius tötet, so wird jeder glauben, Melkart selbst habe den brennenden Pfeil vom Himmel geschickt. Wenn wir uns aber erheben, ohne wirklich ein Zeichen des Gottes erhalten zu haben, wird uns dann nicht das Schicksal widerfahren, das du mir so eindringlich geschildert hast? Wird nicht der Gott selbst sich gegen uns empören, weil wir seinen Namen verraten haben, indem wir ihn für gemeinen Mord mißbrauchten? Wird nicht .«

»Genug! Wann hat dein Schwager den Ägypter gesehen?«

»Es müssen mehr als drei Stunden seither vergangen sein. Er hat lange gebraucht, um mich zu finden. Er will jetzt die anderen Bogenschützen warnen, sich nicht an diesem schändlichen Betrug zu beteiligen. Wir müssen die anderen aufhalten!«

Philippos schüttelte den Kopf. »Wie willst du fünfhundert Schwertkämpfer aufhalten? Sie stehen hier um den Platz verteilt und warten auf das Zeichen, loszuschlagen. Wir müssen Hophra finden! Wenn er keine Gelegenheit hat, zu schießen, dann wird es vielleicht keinen Aufstand .«

In der Ferne erklangen Hörner. Philippos kannte das Signal aus seiner Zeit bei den Legionen. Es war der Gruß an einen Legaten oder Feldherren. Marcus Antonius mußte das Stadttor erreicht haben! Es galt, keine Zeit mehr zu verlieren!

»Wir müssen Hophra finden! Er muß auf einem der Dächer rund um den Tempelplatz stecken!« Ohne sich nach Abimilku umzusehen, stürmte Philippos durch das Tor auf den Platz zurück. Doch die Menschenmenge war noch dichter geworden.

Schreiend und rücksichtslos die Ellbogen benutzend, kämpfte er sich vorwärts. Den Kopf hatte er in den Nacken gelegt und blickte zu den Dächern empor. Er hoffte auf ein verräterisches Funkeln von Metall, in dem sich die Sonne spiegelte, oder ein Zeichen, das der Gott des Lichtes geben mochte, um den Frevel zu verhindern. Jemand versetzte Philippos einen Stoß.

Der Grieche ging in die Knie. Ein Tritt traf ihn in die Seite. Er durfte hier nicht zu Boden gehen! Verzweifelt versuchte er, sich aufzurappeln. Wenn er stürzte, dann würde er von den drängenden und schiebenden Massen zu Tode getrampelt werden.