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Als er gehen wollte, hielt ihn der Priester am Ärmel seiner Tunica fest.

»Du wirst ihm doch nichts antun, Philippos?«

»Ich habe einen Eid geschworen ... Wegen eines Mannes wie Hophra werde ich nicht gegen meinen Gott, Asklepios, wortbrüchig werden.«

Chelbes nickte. »Verzeih! Das war eine dumme Frage.«

Samu lehnte an der Wand des Torgewölbes und betrachtete die langsam wachsenden Pfützen im Atrium, als endlich ein lautes Klopfen am Tor die bedrückende Stille unterbrach.

Septimius persönlich schob den eisernen Riegel zurück, der das große Holztor verschlossen hielt. Hinter dem Tribun warteten sechs Legionäre mit gezogenen Schwertern.

Iubal schien kaum überrascht zu sein, daß ihn Soldaten in seinem Haus erwarteten. Er verneigte sich knapp. »Was verschafft mir die Ehre deines Besuchs, Römer? Ich hoffe, ich kann dir und den Deinen behilflich sein.«

Auf der Straße konnte Samu etliche Lastenträger mit langen Holzstangen erkennen, die dazu dienten, die schweren Kisten zu transportieren.

»Du bist des versuchten Giftmordes angeklagt, Kaufmann. Marcus Antonius möchte dich zu dieser Angelegenheit befragen.«

Der schmächtige Mann rieb sich über das Kinn und machte dann plötzlich einen Satz zurück. »Macht sie nieder!« schrie er mit sich üb erschlagender Stimme und suchte hinter den Lastenträgern Schutz.

Septimius riß sein Schwert aus der Scheide und tauchte unter einem Schlag hinweg, den einer der Lastenträger mit seiner Stange führte. »Schneidet sie in Streifen!« zischte der Tribun wütend. »Und dann bringt mir diesen Bastard!«

Samu drückte sich eng an die Wand des Torgewölbes und zog sich zum Atrium hin zurück.

Der Kampf zwischen den Lastenträgern und den schwer bewaffneten Legionären dauerte nur wenige Augenblicke. Als der dritte Hafenarbeiter blutend zu Boden gegangen war, warfen die anderen ihre Waffen weg und ergaben sich. Iubal aber hatte die Gelegenheit genutzt, um in Richtung des ägyptischen Hafens zu fliehen.

Sobald das Geplänkel beendet war, setzte Samu über die Verletzten hinweg und rannte die schmale Gasse hinab, die an der Villa vorbei zum Meer führte. Hinter sich hörte sie, wie ihr die Römer schnaufend und mit klirrenden Kettenhemden folgten.

Ohne Waffen und in leichter Kleidung konnte sie schneller laufen als die Legionäre. Iubal hatte vielleicht hundert Schritt Vorsprung vor ihr, doch sie holte langsam auf.

Die gepflasterten Straßen waren glatt vom Regen. Zweimal strauchelte sie fast, bis sie das halb verfallene Stadttor erreichte, hinter dem das versandete Hafenbecken lag. Iubal war ein Stück weit eine der verfallenen Molen hinabgelaufen. Er winkte mit seinen Armen und schien etwas zu rufen, doch durch das monotone Rauschen des Regens konnte die Priesterin seine Worte nicht verstehen. Am Ende der Mole lagen zwei flache, kleine Segelboote.

Als sie den Kaufmann und seine Verfolger sahen, lösten die Fischer die Leinen und nahmen lange Stangen auf, mit denen sie sich vom Kai abstießen.

Am Ende der Mole angelangt, sprang Iubal mit einem weiten Satz ins Wasser. Die Schiffer des hinteren Bootes streckten ihm eine Stange entgegen und zogen ihn dann an Bord.

Keuchend blieb Samu stehen. Sie hatte verloren! Die Boote kamen zwar nur langsam voran, doch es gab keine Möglichkeit, sie weiter zu verfolgen. Außer den beiden kleinen Seglern gab es keine weiteren Boote in dem aufgegebenen Hafen.

Am Heck des vorderen Schiffes stand ein hochgewachsener Mann und winkte hämisch zu ihnen herüber. Es war Archelaos, der Priesterfürst aus dem pontischen Comana.

Fluchend blickte die Priesterin den Flüchtlingen nach, als Septimius sie erreichte.

»Wir hätten . Bogenschützen . mitnehmen sollen.« Der Tribun rang nach Luft. »Aber noch . hat dieser . heimtückische Meuchler nicht . gewonnen. Lauf zum anderen Hafen ... Priesterin. Antonius hat den Trierarchen ... Befehl gegeben, die Schiffe bis zum Abend hin ... klar zum Auslaufen zu halten. Die kleinen Segler werden vorerst nicht weit kommen. Sie können keine Segel setzen, weil der Wind vom Meer her bläst und sie gegen die Küste abgetrieben würden. Vielleicht kannst du sie noch einholen. Frag im Hafen nach Gaius Sosius. Er kommandiert eine wendige kleine Trireme. Sein Schiff ist für die Verfolgung am besten geeignet. Lauf jetzt, Priesterin! Du bist schneller als ich und meine Männer.«

Samu schüttelte resignierend den Kopf. »Glaubst du, die Trierarchen werden auf irgendein fremdes Weib in Männerkleidern hören? Sie werden mich verspotten!«

Septimius streifte einen protzigen, goldenen Siegelring von seiner Linken. »Zeig Sosius das hier, dann wird er wissen, daß ich dich geschickt habe. Und jetzt lauf! Jeder Augenblick zählt. Sobald der Wind dreht, werden die Schurken mit ihren Seglern aufs offene Meer entkommen.« 

23. KAPITEL

Einen Moment lang glaubte Philippos, das Rauschen der mächtigen Schwingen des Thanatos zu hören. Die Öllampen in der kleinen Kammer, in die man Hophra gebracht hatte, erzitterten. Es sind nur ein Luftzug unter der Tür und der Regen draußen, redete sich der Grieche ein, doch die Anwesenheit des Todes war unübersehbar. Hophras Gesicht war blaß und wirkte seltsam unecht, so als habe man es mit einer dünnen Schicht Wachs überzogen. Die Augen des Kriegers glänzten wie im Fieber, doch seine Hand, die Philippos hielt, war eiskalt. 

Hophras weißer Leinenpanzer war blutdurchtränkt. Das Schwert, das Philippos ihm in den Bauch getrieben hatte, erzitterte bei jedem der flachen Atemzüge.

»Ich . möchte sie noch . einmal . sehen .«

Der Grieche überlegte, ob er auf den Wahn des Ägypters eingehen sollte. Immer wieder fragte der Söldner nach Samu.

Dabei war er es doch gewesen, der sie ermordet hatte! Dieser Mann hatte in seinem Leben keine Gnade gekannt, dachte der Arzt. Warum sollte er ihm jetzt gnädig sein? »Soll ich sie für dich vom Grund des Meeres holen? Man hat ihr blutiges Himation im Hafenbecken gefunden. Du hast sie umgebracht, Hophra. Elagabal hat es dir befohlen. Hast du es schon vergessen?«

Ein schwaches Lächeln spielte um die Lippen des Ägypters.

»Hundeblut . sie . zurückgekehrt . Mit Antonius! Sie ist . der parthische . Reiter . Bitte . bring sie . zu mir.«

Philippos schüttelte den Kopf. Er kannte die Wahnvorstellungen von Sterbenden. Er hatte schon erlebt, wie mächtige Krieger in ihrer Todesstunde geglaubt hatten, nicht er, sondern ihre Mutter würde ihm die Hand halten. Doch mit Hophra konnte er kein Mitleid empfinden. Immer wieder sah er ihn im Geiste die zerbrechliche Priesterin mit seinem Langschwert niederschlagen. Hophras Wunsch bot ihm die willkommene Gelegenheit, sich vom Lager des Sterbenden zurückzuziehen. Vor dem Zimmer wartete Chelbes auf den Arzt. »Ist es zu Ende?«

Philippos schüttelte den Kopf. »Er behauptet, im Gefolge des Antonius eine Frau gesehen zu haben, die wie ein parthischer Reiter gekleidet ist. Er will sie unbedingt sehen, bevor er stirbt.«

»Ich werde sehen, ob ich ihm diesen Wunsch erfüllen kann.«

Chelbes wandte sich um und wollte gehen, als Philippos ihn festhielt.

»Du brauchst dir keine Mühe zu geben. Die Frau, die Hophra sehen will, ist von seiner Hand gestorben! Du wirst sie ihm nicht bringen können!«

Der Hohepriester musterte den Griechen mit seinen dunklen Augen. »Hat sie dir viel bedeutet?«

Philippos biß sich auf die Lippe. Warum nur bedeutete ihm die zänkische kleine Priesterin jetzt so viel? Er blickte zu Chelbes auf und schüttelte den Kopf. »Ich habe sie kaum gekannt, und die meiste Zeit haben wir miteinander gestritten. Es ist nicht so, wie du denkst.«