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Zweimal hatte er Sir Nick besiegt. Was aber würde geschehen, wenn die andere Seele an Macht gewann? Mechanisch ließ Fenton das Schwert wieder in die Scheide gleiten. Er war völlig in Schweiß gebadet und von dem Ringen erschöpft. Hinzu kam die Anstrengung, die ihm seine Rolle auferlegte. Mit möglichst festen Schritten ging er auf Lydia zu. »Lydia«, sagte er demütig, »du mußt mir verzeihen, daß ich dich vergessen habe, während ich mich mit. deiner Base beschäftigte.«

Lydia betrachtete ihn mit anbetenden Blicken, was ihn sehr in Verlegenheit setzte.

»Daß du mich vergessen hast?« wiederholte sie. »Liebes Herz, bei der Gelegenheit hast du doch gerade an mich gedacht!« Ihre breiten, feuchten Lippen zitterten. »Wird sie diesmal gehen, diese Kreatur? Bestehst du wirklich und wahrhaftig darauf?«

»Sie wird gehen«, antwortete Fenton mit ruhiger Überzeugung. Selbst Giles, der seine schreckliche Furcht abgelegt hatte, aber dennoch ernst und schweigsam blieb, spürte diese feste Überzeugung in einem Mann, dessen Launen er nicht verstehen konnte.

»Nun müssen wir deine Krankheit studieren .«

»Welch ein Aufheben«, rief Lydia, »über eine solche Bagatelle!«

Aber es war keine Bagatelle. Wenn er nicht den Lauf der Geschichte zu ändern vermochte, würde diese Frau in knapp einem Monat an einer großen Dosis von Arsenik sterben. Seine eigene Frau - oder war sie nicht seine Frau? Ja, aber natürlich! Sonst hätte die ganze Tragikomödie weder Sinn noch Verstand. Sein heftiges Verlangen, sie zu beschützen, legte sich wie ein schirmender Schild um sie.

»Nun besinne dich, Lydia. Wann hast du zum erstenmal unter diesen starken Magenschmerzen mit anschließendem Erbrechen gelitten? Sollen wir sagen, vor etwa drei Wochen?«

Lydia zählte langsam an den Fingern nach. »Stimmt! Bis auf einen Tag!«

»Was nimmst du gewöhnlich an Essen und Trinken zu dir?«

»Als ich zum erstenmal nach dem Essen Schmerzen hatte, begab ich mich eilends auf mein Zimmer und verriegelte die Tür. Später duldete ich nicht einmal die Gegenwart meiner Kammerzofe, wenn es mir schlecht erging. Es sollte niemand darum wissen«, flüsterte Lydia. »Ich hielt alles geheim.«

»Aber nach den ersten Schmerzen .?«

»Habe ich mich nicht mehr unten zu Tische gesetzt. Ich konnte nur noch eine Schale mit Sektmolke zu mir nehmen, die mir meine Kammerzofe pünktlich jeden Mittag heraufbrachte. Selbst nach der Sektmolke mußte ich mich häufig vor Schmerzen krümmen. Oh, es war schauderhaft!«

Zum erstenmal spiegelten sich Schmerz und Einsamkeit in Lydias Zügen.

»Lydia, worauf hast du diese Unpäßlichkeit zurückgeführt?«

Sie blickte vage drein.

»Oh . ich dachte, es sei der Tod. Dauernd sterben Menschen, und wer kann sagen, warum?« Lydia zögerte und schien mit sich zu ringen. »Nein, Gott möge mir verzeihen, ich will es nicht ableugnen, sondern die volle Wahrheit sprechen. Fürwahr, einige Male habe ich tatsächlich an Gift gedacht. Aber ich nahm an, du stecktest dahinter, liebes Herz, und daher, mein Gemahl, konnte ich nichts sagen.«

Fenton ballte die Hände und wandte sich ab.

Lydia legte sein Verhalten falsch aus und rief verzweifelt: »Gott möge mir verzeihen! Was habe ich nur getan? Nick, Nick!« Sie hämmerte mit ihren zarten Händen auf die Bettdecke. »Ich schwör's, ich habe nur ein paarmal diesen Verdacht gehegt, als ich unter Vapeurs litt und töricht war. Nun aber weiß ich, daß dem nicht so ist. Oh, ich habe dir schon so viel Leids getan!« Mit einem beruhigenden Lächeln wandte er sich ihr wieder zu.

»Du hast mir Leids getan?« fragte er, während er sie leicht auf die Lippen küßte. »Das wirst du mir tun, wenn du meinen Fragen ausweichst. Hast du während deiner Unpäßlichkeit außer dieser täglichen Sektmolke noch irgend etwas anderes gegessen oder getrunken?«

Lydia dachte nach.

»Nur den Gerstentrank. Aber der ist in einer großen Glasflasche, aus der alle trinken.«

»Und wie wird diese Sektmolke zubereitet?«

»Vier Eier werden kräftig in einer Schale geschlagen und dann in eine andere Schale gegossen, die ein Viertelliter Milch und vier Stücke Hutzucker enthält. Dann wird eine halbe Flasche Sekt hinzugefügt. Sonst nichts.«

Von Zorn erfüllt, bückte sich Fenton und hob Megs Dolch vom Boden. Eine Zeitlang wägte er ihn in seiner Hand. »Giles!«

»Zu dienen, gnädiger Herr?«

»Ich glaube, du kennst unser >Geheimnis<, nicht wahr?«

»Ihr geruhtet, es mir zu enthüllen, Sir, als Ihr gestern die Entdeckung machtet, daß .«

»Schon gut!« sagte Fenton. »Du wirst jetzt das Küchenpersonal versammeln, und zwar alle, die mit der Zubereitung dieser Sektmolke etwas zu tun haben oder auf dem Wege nach oben damit in Berührung gekommen sein mochten. Versammele sie in - in meinem Studierzimmer.«

Giles verneigte sich, immer noch gesetzt und ohne jede Spur von Dreistigkeit.

»Sag ihnen«, fuhr Fenton fort, »daß ihre Gebieterin mit Arsenik vergiftet worden ist und ich bald erscheinen werde. Zweifellos wird es ein großes Geheul und Gekreische geben .«

»Geheul und Gekreische?« echote Giles. »Bei Gott, Sir! Es wird mehr Lärm geben als im Schauspielhaus, wenn beim Auftreten der Hexen die Trompeten schmettern. Dieser Bagage«, setzte der oberste Diener hinzu, »muß tüchtig das Fell gegerbt werden mit einer guten Neunschwänzigen Katze. Aber ich werde sie mir schon vorknöpfen. Seid ohne Sorge!«

Die Tür schloß sich hinter ihm, ehe Fenton Einspruch erheben konnte.

Lydia, die Giles offenbar kein großes Vertrauen schenkte, kniete immer noch Fenton gegenüber auf der Bettkante, aber ihre blauen Augen lachten jetzt.

»Ich wußte es ja!« meinte sie. »Oh, ich war dessen sicher, als wir genau vor«, hier schaute sie ihm in die Augen, »drei Jahren, einem Monat und vier Tagen heirateten.«

»Was wußtest du, mein Lieb?«

»Komm hierher, ich will dir ein Geheimnis ins Ohr flüstern. Nein, näher! Viel näher!«

Gehorsam lüftete Fenton das Haar seiner Perücke. Im nächsten Augenblick spielte Lydia einen solchen Schabernack mit seinem Ohr, daß er aufsprang, obwohl die Attacke nicht allzu unangenehm war.

»Ein niedriger Trick«, schalt Fenton, obwohl er sich das Lachen nicht verbeißen konnte. Zum Spaß drohte er ihr mit dem Dolch, den er immer noch in der Rechten hielt. »Und wo hast du den gelernt?«

»Du selbst hast ihn mich doch gelehrt«, erwiderte Lydia ein wenig erstaunt.

»Ich kenne hundert davon. Aber jetzt spreche ich im Ernst.«

Ihre Augen nahmen einen nachdenklichen Ausdruck an, und ihre Stimme wurde feierlich. »Nick, ich möchte dir heute etwas sagen, weil du jetzt so verwandelt bist, Nick, ich - ich habe vor unserer Heirat mit meinem Vater über dich gesprochen. Er haßte dich, das gebe ich zu. Weißt du, was ich über dich gesagt habe?«

»Nein, Lydia! Ich möchte lieber, daß du .«

Doch Lydia sprach frei und stolz heraus, ohne zu spüren, wie grotesk ihre Worte klingen mußten.

»>Sanft wie ein Diener Gottes<, sagte ich, >doch kühn und beherzt wie einer von Cromwells Eisernen Dragonern.<« Es entstand eine Pause. Und abermals hämmerte die schwarze Seele scharf gegen den Sargdeckel.

Ein größeres Pech hätte dieses unglückliche Liebespaar nicht befallen können. Denn in dem Bürgerkrieg vor mehr als dreißig Jahren, in dem Kavaliere, die Anhänger des Königs, gegen die Rundköpfe Cromwells kämpften, hatte es keinen leidenschaftlicheren Royali-sten gegeben als Sir Nicks Großvater und dann seinen Vater. Und Professor Fenton war ein ebenso draufgängerischer Royalist wie seine alten Namensvettern. Jedesmal, wenn er mit einem Kollegen diskutierte, der Rundkopf-Ansichten vertrat, erhitzte er sich.

»Solcher Komplimente bin ich nicht würdig«, bemerkte eine allzu höfliche Stimme. »Wenn du wenigstens gesagt hättest: >So kühn und beherzt wie ein Kavalier .<«