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Furcht trat plötzlich in Lydias Augen.

»Nein, nicht weiter!« bettelte sie, während sie ihr Gesicht mit den Händen verhüllte. »Oh, Gott verzeihe mir! Noch ein Wort, und alles ist wieder ruiniert!«

»Wieso, Mylady!«

Erschöpft ließ sich Lydia in die Kissen fallen, wobei sie den rechten Arm ausstreckte und den Kopf darauflegte. Es war, als wäre sie halb gestorben.

»Nick«, sprach sie mit gedämpfter Stimme, »warum hast du den Wunsch gehabt, mich zu heiraten?«

»Weil ich dich liebte.«

»Das hatte ich geglaubt und gehofft. Und doch braucht in diesem siechen Hause nur ein kurzes Wort zu fallen über jemanden, den zu lieben, zu ehren und zu bewundern ich aufgezogen bin, und im selben Augenblick ergehst du dich in höhnischen Sticheleien. Selbst der große Oliver .»

»Der große Oliver«, flüsterte er, während seine Linke den unteren Bettpfosten und seine Rechte den Griff des Dolches umklammerte. »Meinst du etwa - Cromwell?«

Er sprach den Namen mit einer so zermalmenden Feindseligkeit aus, als konzentrierte sich sein ganzer Haß auf dieses eine Wort. »Ich bin in dem Jahr geboren«, sagte Sir Nick, »als deine verehrten Rundköpfe König Charles dem Ersten das Haupt abschlugen. An jenem Januartag, so hat man mir erzählt, schneite es ein wenig, aber man hatte das Schafott vor dem Fenster des Bankettsaals vom Schnee gesäubert. Der König ging zu Fuß vom St.-James-Palast durch den Park, dann durch die Passage im Holbein Gate und die langen Räume des Whitehall-Palastes bis zu dem Fenster, vor dem das Schafott stand. Dort hat man ihn dann enthauptet.« Sir Nick - es mag auch Fenton selbst gewesen sein -, schöpfte tief Atem.

»Nie ist ein Mann so tapfer gestorben. Nie ist ein Mann so wahrhaft königlich einhergeschritten, obgleich sie ihn anspien und ihm Tabakrauch ins Gesicht bliesen.« Sir Nick wirbelte herum und stieß den Dolch bis zum Heft in den Bettpfosten, so haarscharf, daß kein Holzstückchen absplitterte. »Tod und Verdammnis über die Rundköpfe und ihre ganze Brut!«

Lydia fuhr in die Höhe, wobei ihr der Schlafrock von den Schultern glitt. Im Grunde ihres Herzens hatte sie kein besonderes Interesse für Politik.

»Hast du mich geheiratet«, erkundigte sie sich, »weil du dich in der Schenke zum Windhund gerühmt hattest, daß du >die Rundkopf-Maid zähmen< würdest?«

»Nein.«

»So ist es mir aber zu Ohren gekommen, Nick.«

»Dann, in Gottes Namen, glaub doch, was du willst!«

»Nun, du hast sie nicht gezähmt«, bemerkte Lydia unsicher. »Mein Großvater war ein Königsmörder, wie Meg, deine Geliebte, gestern nacht betonte. Ich war ein junges Ding zur Zeit der Restauration, und man nahm mich nicht mit, um zu sehen, wie er gehenkt, gereckt und gevierteilt wurde und man seine Eingeweide ins Feuer warf. Aber wie ich vernommen habe, ist auch er tapfer gestorben. Deinetwegen habe ich mich von meiner Familie losgesagt, Nick. Das ist indessen von geringer Bedeutung! Aber warum und zu welchem Zweck soll ich denn leben, wenn du nichts mehr für mich empfindest?«

Dies muß aufhören, dachte Fenton verzweifelt. So geht es nicht weiter.

Er war neben dem Bett auf die Knie gesunken und umklammerte mit den Händen die Bettkante. Er wußte, daß er Sir Nick besiegen konnte, weil er noch auf den Kampf eingestellt war und für Lydia eine tiefe Zuneigung empfand. Es war ein kurzer, aber dafür um so härterer Kampf. Einmal, so schien es ihm, hob sich ein dürrer Arm aus dem Sarg und griff ihm direkt ans Herz. »Hilf mir, Lydia«, sagte er und streckte die Hände nach ihr aus. »Hilf mir!«

Obwohl sie diese Bitte nicht verstand, preßte sie seine Hände an die Brust und sah mit Freuden, daß der warme Schimmer wieder in seine Augen zurückkehrte.

»Lydia«, ließ sich Fentons keuchende Stimme hören, »es gibt gewisse Dinge, die ich nicht erklären kann. Wenn du dir vorstellen könntest. ach nein, lieber nicht. Aber manchmal bin ich nicht Herr über mich selbst, auch wenn ich keinen Tropfen Wein oder Schnaps getrunken habe. Bleibe bei mir .«

»Wünsche ich mir etwas anderes?«

».und rufe mir zu: >Geh zurück!! Geh zurück!<, wenn dieser sinnlose Zorn mich wieder packt. Es wird nicht wieder vorkommen, ich schwör's, wenn du da bist. Und merke dir dies, teuerstes Herz«, fügte er sanft hinzu, »was haben wir beide, du und ich, mit den alten Händeln unserer Großväter zu tun? Sie sind wie weggeblasen. Selbst ihre Degen und Pistolen haben sich geändert. Ein Rundkopf wird ebenso respektiert wie ein Angehöriger der englischen Staatskirche. Und also sage ich sogar von Oliver: möge seine standhafte alte Seele in Frieden ruhen.«

»Dann - mit Gott für König Charles!« flüsterte Lydia leidenschaftlich und warf sich Fenton schluchzend an die Brust. Danach herrschte, wenn auch nicht Einverständnis, so doch Frieden. »Wenn ich noch eine Frage stellen dürfte«, sagte Lydia. »Nein, es ist keine, die deinen Zorn erregt. Warum mischst du dich eigentlich in diese sogenannte Politik, die ich nicht verstehe und von der die Männer soviel Geschrei machen?«

Fenton streichelte ihr weiches, hellbraunes Haar. »Tue ich das? Ich hatte es ganz vergessen«, erwiderte er zerstreut und spürte, wie Lydia stutzte. »Nun«, fügte er hinzu, »wenn ich mich einmenge, so geschieht es, weil dieselbe alte Tragödie sich wiederholt.«

»Inwiefern?«

»Als der Sohn des alten Monarchen - König Charles der Zweite - aus der Verbannung zurückkehrte, um seine Herrschaft anzutreten, ging eine Zeitlang alles gut. Nach und nach aber zeigte das Parlament seine Krallen. Genau wie unter Charles dem Ersten, ging es um Geld und Religion. >Keine Papisterei! Keine Papisterei!< lautete der große Schrei.«

»Still!« sagte Lydia flüsternd und blickte ängstlich über ihre Schulter. »Wer kann wissen, ob nicht ein Papist in Hörweite ist?«

Das Lächeln, das über Fentons Gesicht glitt, entging ihr.

»Dann will ich leise reden, aber doch meine Ansicht äußern. Soll ich kein Vertrauen haben zu diesen Männern -es wäre mir lieber, wenn du sie Katholiken hießest -, die Gold und Lebensblut spendeten, um den Vater des Königs zu schützen? Die mit heiterer Miene ihre Häuser in Flammen aufgehen sahen, wenn sie nur dem Helm eines Rundkopfs eins auswischen konnten? Wenn ich nicht zufällig zur anglikanischen Kirche gehörte, könnte ich ebenfalls ein Katholik sein.«

»Nun, mein Herr und Gebieter, jetzt hat's Euch wieder erwischt!« plapperte Lydia und preßte ihn fest an sich. »Geht zurück!« rief sie. »Geht zurück!«

»Sieh mir ins Auge, süßes Mädchen, und sage mir, ob ich nicht Herr meiner selbst bin.«

»Fürwahr, du - du scheinst dich in der Gewalt zu haben. Aber darf ich etwas sagen?«

»Das sei dir gestattet. Von ganzem Herzen.«

»Der König, dieser Arme«, meinte Lydia, »ist ein Schwächling .«

Wiederum sah sie nicht das breite Lächeln, das über Fentons Gesicht huschte.

»Und läßt sich leicht«, beharrte Lydia, »von lüsternen Frauen leiten. Königin Catherine von Braganza ist eine Papistin. Die Frau, die den König am meisten beherrscht -nenne man sie Louise de Keroualle, Madam Carwell oder Herzogin von Portsmouth -, ist eine französische Papistin und Spionin. Des Königs Bruder, so geht das Gerücht, ist auch ein Papist geworden. Steckt nichts Böses hinter alledem?«

Fenton hob mit dem Finger ihr Kinn hoch.

»Da dir so viel bekannt ist, weißt du auch, was die sogenannten Freunde des Königs - der Rat an seinem eigenen Tisch - kürzlich getan haben?«

»Nick, ich verstehe nicht viel von der Politik. Nur du und ich .«

»Sie sind von ihm abgesprungen, Lydia, oder drauf und dran, es zu tun. Mylord Shaftesbury, der kleine Mann mit dem Abszeß in der Seite, desertierte vor zwei Jahren, obwohl er immer noch am Ratstisch sitzt, weil er sich für zu mächtig hält, um entlassen zu werden. Seine Gnaden, der Herzog von Buckingham, ein fähiger Mann trotz mancher Torheiten, ist ebenfalls abtrünnig geworden. Es gibt noch andere Mitglieder des Hochadels, die >Nieder mit den Papisten< kreischen, aber es sind keine großen Geister. Shaftesbury und Buckingham haben den Green-Ribbon-Klub gegründet, der ein grünes Band als Rosette trägt und in der Schenke zum >Königshaupt< tagt. Ihre Partei kannst du nach Belieben die Oppositionspartei oder die Landpartei oder die Verräterpartei nennen. Aber sie greifen nicht offen an wie die alten Rundköpfe. Nein, beileibe nicht! Sie halten es mit anderen Methoden: sie bedienen sich der Flüsterkampagne, um London innerhalb von vierundzwanzig Stunden mit Gerüchten zu überschwemmen; sie verteilen Flugschriften und beschäftigen Aufwiegler, und für den, der anderer Meinung ist, existiert das kleine Messer. Methoden, die ein rechtschaffener Mann als niedrig und gemein bezeichnen würde. Noch eins will ich dir sagen, und dann bin ich fertig. Wir befinden uns in einer Ruhepause vor der größten politischen Schlacht aller Zeiten. Drei weitere Jahre, und dann .«