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Es klopfte leise an die Tür, und Giles erschien im Zimmer. »Das Viehzeug ist eingepfercht, Sir«, meldete Giles mit einem kleinen bösen Zug um den Mund, der verriet, daß er Macht gekostet und genossen hatte. »Sie erwarten Eure Gnaden im Studierzimmer.«

»Sind sie ruhig, Giles?«

»Jetzt außerordentlich, Sir.«

Lydia hatte sich ans Kopfende des Bettes verzogen, wo sie im Schutz der zurückgebundenen Bettvorhänge in die Ärmel ihres Kleides schlüpfte und ihr Mieder in Ordnung brachte, während sie Fenton verliebt ansah. Eine von Lydias Bemerkungen wollte ihm nicht aus dem Sinn, sondern drehte sich wie ein Messer in seinem Herzen um.

»Sanft wie ein Diener Gottes, doch kühn und beherzt wie ein Eiserner Dragoner.«

»Oh, Gott«, betete er im stillen, »wenn ein vertrockneter alter Kauz im Körper eines Jünglings diesen Erwartungen nur gerecht werden könnte!« Aber er wußte, daß es aussichtslos war. »Wenn Ihr mit Eurer Toilette fertig seid«, sagte er zu Lydia, »schlage ich vor, daß Ihr in Euer Gemach zurückkehrt. Erwähntet Ihr nicht, es sei ein Riegel innen an der Tür?«

»Ja, ein starker Riegel aus Holz. Aber .«

»Riegelt Euch ein und öffnet niemandem die Tür, außer wenn Ihr meine Stimme hört. Heute sollt Ihr fasten und nur solche Getränke zu Euch nehmen, die ich verordne.« In Giles' Zügen zeigte sich Furcht.

»Aber nein, Sir«, spöttelte er, jedoch nicht überzeugend, »Ihr denkt doch nicht etwa .«

»Doch, ich denke, Naseweis. Ein Monstrum lebt in diesem Hause, ekelhafter und tödlicher als ein Keller mit Kloakenwässern. Ich werde es aufspüren - unverzüglich.«

V

Der Flur hatte nur zwei Fenster: eins am entlegenen Ende und eins ein wenig zur Rechten über dem Treppenabsatz. Als Giles ihm mit einem Bückling die Tür öffnete, dachte Fenton an eine neue Schwierigkeit. »Hm- Giles!«

»Zu dienen, Ihro Gnaden«, erwiderte Giles mit einem kecken Ausdruck in seinem runzeligen Gesicht.

»In deinem Manuskr . ahem, ich meine, es fällt mir gerade ein«, korrigierte sich Fenton, »daß du heute morgen eine gewisse Mistreß Kitty erwähnt hast.?«

»Kitty Softcover, die Köchin?«

»Ha, ganz recht! So lautet der Name!«

»Ferner habe ich gesagt«, fügte der unbarmherzige Giles hinzu, »daß Euer eigenes lüsternes Auge oft auf ihr geruht hat.«

»Nun, ich möchte gern eins wissen, was diese Kitty angeht. sind wir . haben wir .?«

»Herrje, wie kann ich das wissen?« fragte Giles mit geschürzten Lippen und einem frommen Augenaufschlag. »Wenn Ihr Euch selber im unklaren seid, dann weiß es nur der liebe Gott. Doch will es mich dünken, Ihro Gnaden, daß Ihr Euch eine erstaunlich delikate Ausdrucksweise angeeignet habt. Ich sagte nur« - ein boshaftes Lächeln breitete sich wieder auf seinem Gesicht aus - »daß Ihr sie oft mit geilen Blicken betrachtet habt - was, mit Verlaub gesagt, so deutlich war wie ein Buch mit großen Buchstaben. Na, ich werde sie Euch alle im Studierzimmer präsentieren.« Giles schien es durchaus nicht merkwürdig zu finden, daß er den Herrn des Hauses mit dessen eigenem Gesinde bekannt machen mußte. Das, so überlegte Fenton, war ganz natürlich. Ein Mann von Stand ließ sich zu der Zeit nicht herab, sich die Namen oder Gesichter der unteren Dienstboten einzuprägen, falls nicht ein besonderer Grund dafür vorlag. Als sie die Treppe zur unteren Halle hinabstiegen, mußte Fenton unwillkürlich staunen über die Veränderung, die hier vor sich gegangen war, seitdem er das Haus gemietet hatte. Die Wände waren jetzt bis zur Decke mit schwarzer Eiche getäfelt und mit silbernen Leuchtern geschmückt. An einer Wand stand eine geschnitzte Truhe.

Und die große Haustür stand weit offen.

Obgleich Fenton darauf gefaßt war, konnte er sich dennoch des Staunens nicht erwehren, als er entdeckte, daß Pall Mall eine kleine, schattige Gasse war. Eine Reihe von Linden stand vor seiner eigenen Haustür, und süße Düfte strömten in die Halle. Er war sich bewußt, daß Madam Eleanor Gwynn, eine Maitresse des Königs, zu seinen Nachbarn zählte. »Wenn es Euch beliebt, Sir .«, murmelte Giles.

»Halt, einen Augenblick! Ist Lord George schon da?«

»Bereits seit einer Stunde, Sir.«

»Hat er dich gehänselt? Hat er sich über mich lustig gemacht?«

»Nein, Sir. Er ist in den Ställen und ganz zufrieden. Er sagte nur . falls Eure Ohren nicht zu delikat sind?«

»Daß dich die Pest! Du frecher Galgenstrick!« brüllte Fenton, wobei er Sir Nick so naturgetreu nachahmte, daß Giles, wie von einem Schlag getroffen, zurücksprang. »Was hat er gesagt? Raus mit der Sprache!«

»Nun! >Wenn Nick nur eine im Bett hat und nicht zwei<, sagte Seine Lordschaft, »warum hält er sich dann so mordsmäßig lange dabei auf?<«

»Aber heute morgen.»

»Ich erwiderte«, hänselte Giles, »daß Ihr als alter Schlemmer und Tellerheld oft gern mehrere Male vom selben Gericht nähmet. >Ei ja<, sprach er, >das leuchtet mir wohl ein, stört ihn nur ja nicht.<« Fenton blickte wieder ins Freie und sah den Türhüter regungslos auf seinem Posten rechts neben der Haustür stehen. Er trug einen beschlagenen Stab und machte einen unnahbaren Eindruck. Erwünschte Besucher ließ er ein, unerwünschte wies er ab, wodurch das ständige Öffnen und Schließen der Haustür und eine unnötige Belästigung der Hausbewohner vermieden wurde.

Fenton hatte dies immer als eine ausgezeichnete alte Sitte betrachtet, die seiner Ansicht nach hätte beibehalten werden sollen. »Sir, Sir!« flehte Giles, der hinten in der Halle eine Tür öffnete. »Wenn Ihr nur einzutreten geruhen wolltet!« Fenton trat ein.

Das Studierzimmer war zwar klein, aber mit zahlreichen in Kalbsleder gebundenen Büchern - von Folianten bis zu Oktavbänden - ausgestattet. Gegenüber der Tür stand im rechten Winkel zu einem der Fenster ein flacher Schreibtisch aus schwerem, dunklem, poliertem Holz; die übrigen Möbelstücke waren aus Eiche. Ein schöner Teppich, ein Glanzstück der Ostindischen Gesellschaft, zierte den Boden.

Von einem Haken neben der Tür nahm Giles gelassen eine mittelgroße Peitsche mit neun Lederriemen, die Stahlkugeln an den Enden hatten. Die Katze war ein gesetzliches Mittel zur Bestrafung, wenn sie auch nur bei Verdacht auf ein ernstliches Vergehen benutzt werden durfte.

»Ich werde sie Euch der Reihe nach nennen, Sir«, sagte Giles und deutete auf den Halbkreis, der aus einem Mann und drei Frauen bestand. Er senkte die Peitsche und wies mit dem Griff auf den Mann an der äußersten Linken. »Das ist Big Tom, der Aufwäscher«, sagte er. Big Tom, ein sehr großer und breiter Mann, trat von einem Fuß auf den anderen, als ob er auf diese Weise den Teppich weniger beschmutzte. Sein Gesicht unter einem struppigen Haarschopf war schmierig; ebenso sein Flanellhemd, sein Ochsenlederwams und seine Lederschürze. Der Mann verrichtete offenbar alle groben Arbeiten. Während er auf Giles geringschätzig herabsah, betrachtete er Fenton mit tiefster Verehrung. Er nickte mit dem Kopf, berührte seine Stirnlocke und ließ nur ein gurgelndes Geräusch hören.