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»Gut! Dann wirst du jetzt nicht mehr starren und glotzen. Sonst.«

»Falle ich in den Kloakengraben, ja?«

»Darum ist mir nicht so bange. Aber hier treibt sich eine rauhe Bande herum. Dieses Lumpengesindel, diese Bettler, die sich krank stellen, diese Landstreicher, ja selbst die Lastenträger, sie alle.«

Georges Stimme wurde übertönt von dem Horn eines Schweinestechers. Einer der zahlreichen jungen Schuhputzer, die mit ihrer Mischung aus Ruß und ranzigem Öl in den Gassen herumlungerten, sah, in welchem Zustand sich Georges Schuhe befanden, und stürzte auf ihn los. Mit einem wohlgezielten Faustschlag entledigte sich George dieser Person.

»Sie halten einen für einen Tölpel vom Lande, der zum ersten Male in die Stadt gekommen ist. Oder für einen Mußjöh - so nennen sie einen Franzosen! -, und das ist noch schlimmer. Sie spielen dir einen Schabernack; sie bewerfen dich mit Widderhörnern oder Schmutz aus dem Kanal; sie schwirren um dich herum wie Hornissen. Dann packt dich die Wut; du ziehst den Degen, und schon ist die Hölle los.«

»Ich werde vorsichtig sein, George.«

Schwapp! schlug ihm eine Degenscheide in die Kniekehle. Die Hälfte dieser Menschen schien Degen zu tragen. Und wenn man nicht höllisch aufpaßte, stolperte man darüber oder bekam einen Stoß. Fenton, der sich immer noch bemühte, seine Augen vor Ruß und seine Nase vor dem Kanalgeruch zu schützen, wachte aus seinen Träumereien auf und blickte um sich. Ergriff nach seinem Hut, aber der saß fest. Ihre Hüte waren mit langen goldenen Nadeln an den Perücken befestigt, sonst wären sie längst fortgeflogen. Wieder einmal drang ein Sonnenstrahl durch den Dunst. Fenton beobachtete, wie ein Stutzer unter dem Hohngelächter des Lumpengesindels in einer Sänfte getragen wurde. Er sah solide Bürger in Kamelott-mänteln, Wollstrümpfen und Schnallenschuhen einherschreiten.

Hier, das wußte er, würde er keinen reichen Kaufleuten mit goldenen Ketten und gewichtigen Pelzroben begegnen. Sie gehörten zur entlegenen City, wo nach dem Großen Feuer Backsteinhäuser anstelle der alten Holzbauten errichtet wurden. Unwillkürlich blickte er zu den alten Häusern mit ihren verschmutzten Fachwerkgiebeln hinüber, die weit in die Straße hineinragten.

In einem der Häuser wurde ein Fensterflügel aufgestoßen, und nach einer Weile der andere. Eine gähnende, unfrisierte Schlampe erschien in ziemlich unbekleidetem Zustand am Fenster. Interesselos blickte sie auf die Straße hinab, während sie sich mit einer Hand kratzte und in der anderen einen Krug mit Dünnbier hielt.

»Ich hab's!« stieß George, der tief in Gedanken versunken gewesen war und jetzt Fentons Blick folgte, plötzlich hervor. »Nun fällt's mir wieder ein.«

»Wovon sprichst du?«

»Menschenskind, vom Venustempel! Ich wollte dir doch erzählen.«

»Apropos Venus, George«, unterbrach ihn Fenton, der sich all seiner Probleme wieder bewußt wurde, »was würdest du sagen, wenn ich mich entschlossen hätte, allen Frauen außer Lydia abzuschwören?«

»Wie, bitte?«

»Was würdest du dazu sagen?«

George rollte seine braunen Augen und warf sich in die an Umfang zunehmende Brust. Das Glitzern seiner Ringe spiegelte sich in den Augen der Vagabunden, die an den Hauswänden lehnten. »Nun«, meinte George, »dann würde ich mich höflich nach Meg Yorks Befinden erkundigen.«

»Ja, Meg. Sie wird morgen mein Haus verlassen.« George blickte seltsam drein. »Meg - geht fort? Wohin denn?«

»Das kann ich nicht sagen. Ich weiß nur, daß sie von einem gewissen Captain Duroc unterhalten werden soll, über den mir nichts bekannt ist.«

»Tatsächlich?« murmelte George, und seine linke Hand fiel auf den Degengriff.

»Die Frage, die ich . halt! Wir müssen fast am Ziel sein.« Fenton blieb plötzlich in dem Gedränge stehen. Beinahe riß ihm das Schmalzfaß eines vorübereilenden Lastträgers den Kopf von den Schultern. Der Lärm war immer noch so groß, daß er gezwungen war zu schreien, wie er und George es die ganze Zeit hindurch getan hatten.

»Wir müssen ganz in der Nähe sein, wenn wir nicht schon daran vorbeigelaufen sind. Achte du auf die linke Seite der Straße, während ich die rechte in Augenschein nehme. Die Totenmannsgasse biegt beim >Kopf des Wilden Mannes< ab. Das ist wohl ein Wirtshaus.«

»Wirtshaus!« sagte George und spuckte verächtlich aufs Pflaster. »Es ist ein Tabakladen. Er liegt ja vor uns. Siehst du nicht das Schild?«

Das Schild war mit einem langen, gräßlichen braunen Gesicht bemalt - wahrscheinlich des Künstlers Vorstellung von einem Indianer -, in dem zwei Reihen raubtierartiger Zähne eine lange Tonpfeife umklammert hielten.

Die Totenmannsgasse hatte, wie so viele andere Gassen und Gäßchen, die vom Strand abbogen, am Eingang einen etwa drei Meter hohen und fast ebenso breiten Torbogen, dessen mit glatten Steinen gepflasterter Tunnel ungefähr sieben Meter lang war und über sich ein kleines Haus trug. George schien über etwas nachzusinnen.

»He, diese Feuereimer!« sagte er obenhin, aber mit einem verschlagenen Blick auf seinen Gefährten. »Wie kommen die bloß hierher? Was meinst du wohl?«

»Nanu, George! Dein Verstand ist wohl umnebelt.«

»Mein Verstand? Bei Gott!«

»Nun«, sagte Fenton ungezwungen, »seit dem Feuer sind doch wer weiß wie viele königliche Edikte erlassen worden, wonach jeder Kaufmann einen Feuereimer im Laden aufstellen muß. Erinnerst du dich nicht, George?«

»Ich . ich .«

»Aber in engen, vollgestopften Läden sind diese Feuereimer verteufelt lästig, fürwahr! Sie kippen leicht um und durchnässen die Waren, nicht selten auch den Kunden. Also stellt man sie stillschweigend woandershin.«

»Bei Gott, du bist doch Nick Fenton!«

Sein Gefährte tat erstaunt. »Hast du das etwa ange-zweifelt?«

»Ei nun, nicht gerade angezweifelt; aber .« George ließ den Satz unvollendet. Er fuchtelte mit den Händen, daß die Rüschen flatterten. Wenn er etwas nicht verstand, ließ er das Thema rasch fallen. »Also, Nick, was Meg York angeht.«

»Ich kann dir nur sagen, daß sie morgen mein Haus verläßt. Allerdings habe ich vorhin eins noch vergessen. Sie erwähnte, daß dieser Captain Duroc ihr eine Wohnung in Chancery Lane besorgt habe. Wenn du das Verlangen hast, sie auszuhalten .«

»Sie aushalten?»schrie George in tiefster Empörung. »Ich möchte sie ehelichen!«

»Was, du willst sie ehelichen - Meg?«

»Und warum nicht?« Wiederum warf sich George in die Brust. »Meg ist eine Dame von Stand, verwandt mit deiner eigenen Frau. Sie braucht keine Mitgift. Ich habe genug Münze.« Hier wurde George ein wenig verlegen. »Certes, ich weiß um ihre Beziehungen zu dir.«

Zum Glück oder zum Unglück, dachte Fenton, weiß ich nichts darüber.

»Aber nenne mir eine einzige hochgeborene Dame«, fuhr George herausfordernd fort, »mit Ausnahme von Königin Catherine und Lady Temple und - und certes Lydia, die nicht von einem flotten Burschen ein dutzendmal mit ins Bett genommen worden ist! Das ist nun mal so Sitte. Und ich bin ein Mann, der mit der Zeit geht.«

Bei diesen Worten trat George unruhig von einem Fuß auf den anderen und starrte auf den schmutzigen Boden des Tunnels. »Nick«, platzte er heraus, »denkst du, daß sie mich haben will?«

»Oh, daran zweifle ich nicht. Ich frage mich nur, ob es ratsam ist.« Fenton war seiner eigenen Gefühle nicht sicher. »Gott im Himmel!« fuhr er fort. »Zweimal innerhalb der letzten vierundzwanzig Stunden stand ich im Begriff, dies verdammte Frauenzimmer zu töten: einmal

Dies bereitete George ein ungeheures Vergnügen. »Macht nichts, alter Freund!« schmunzelte er. »Das ist nur des Lieblings ergötzliche Laune.«

»Zweifellos. Doch magst du es nicht so ergötzlich finden, George, wenn sie dir einen Dolch durch die Rippen jagt oder. oder dir heißen Glühwein mit Arsenik vorsetzt.«