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»Das wissen Sie also nicht?« fragte Mary ungläubig.

»Nein! Nein! Nein!«

»Bitte, Professor Fenton! Sie dürfen sich nicht so erregen. Ihre Stimme.«

»Ich bitte Sie um Verzeihung.« Fenton gewann seine Selbstbeherrschung wieder, obgleich ihn abermals ein kalter Schauer durchfuhr. »Der Grund, warum ich es nicht weiß«, fuhr er in seinem üblichen milden Ton fort, »liegt darin, daß drei Bogen von Giles Collins' handschriftlichem Bericht fehlen. Irgend jemand wurde verhaftet, vor Gericht gebracht und nach einem freiwillig abgelegten Bekenntnis hingerichtet. Aber die Seiten, die den Bericht darüber enthielten, sind entweder verlorengegangen oder gestohlen worden.«

»Aber sicherlich«, protestierte Mary, »muß es noch einen anderen Bericht über diesen Mord geben außer dem von Giles Collins.«

»Das hatte ich auch angenommen. Neun Jahre lang - ja, ganze neun Jahre! - habe ich die Bibliotheken durchsucht und in den Zeitungen annonciert, um irgendein Buch oder eine Broschüre, ja, sogar das Plakat zu entdecken, das gewöhnlich zur Zeit einer Hinrichtung erschien. Aber ohne Erfolg.«

»Neun Jahre«, flüsterte Mary. »Und Sie haben mir nie etwas davon gesagt.« Ihr Gesicht schien sich auf geheimnisvolle Art zu verändern. »Drei Frauen sind darin verwickelt, wie Sie sagten. Ich möchte wohl annehmen, daß Ihr >Sir Nicholas< in eine davon heftig verliebt war. Stimmt's?«

»Nun ... ja.« Wie hatte das Kind dies nur erraten? Mary war fünfundzwanzig Jahre alt, aber er betrachtete sie immer noch als Kind, denn sie war die Tochter seines alten Freundes, Dr. Greenville. »Gott oder vielmehr der Teufel steh mir bei, aber ich habe alles getan, was in meiner Macht stand! Ich habe sogar an einem Kursus in Kriminologie und Gerichtsmedizin teilgenommen, da es sich um einen Giftmord handelte. Ich glaube, den Namen des Mörders erraten zu können.« Seine Stimme wurde lauter. »Aber ich habe keine Beweise.«

»Und daher«, erklärte Mary, die hübschen Achseln zuckend, »sind Sie jetzt so verzweifelt, daß Sie unbedingt in die Vergangenheit zurückkehren und die Wahrheit herausfinden müssen, ja?«

»Ich habe auch eine Aufgabe, bedenken Sie das. Vielleicht bin ich in der Lage, den Mord zu verhindern.« Eine Weile herrschte tiefes Schweigen.

»Den Mord verhindern?« wiederholte Mary dann.

»Ja.«

»Aber das ist doch unmöglich! Er ist bereits geschehen -ein Teil des Geschichtsstromes. Sie können doch nicht ändern, was .«

»Darauf hat man mich aufmerksam gemacht«, erwähnte er trocken. »Dennoch bin ich nicht ganz überzeugt davon.«

»Hat Seine Majestät der Teufel Ihnen das gesagt? Wie lauteten seine Worte?«

Wie unsagbar schwierig war es gewesen, Mary eine Unterhaltung zu beschreiben, die ihm so normal, so ungezwungen erschienen war wie die zweier Männer im Rauchzimmer eines Klubs! Denn der Teufel hatte ihm kaum eine Stunde vor Marys Ankunft einen ruhigen Besuch abgestattet. Ohne die häufig beschriebenen geisterhaften Begleiterscheinungen hatte er in dem mit Gobelin bespannten Sessel am anderen Ende des Salons Platz genommen. Was Fenton Mary erzählt hatte, stimmte durchaus. Da das Licht trübe war, sah Fenton nur den vagen, sich ständig verändernden Umriß und hörte lautlose Worte.

»Ja, Professor Fenton«, hatte sein Besucher liebenswürdig in einer leicht archaisch gefärbten Sprache gesagt, »ich glaube, ich kann diese Angelegenheit zu Eurer Zufriedenheit arrangieren. Andere vor Euch haben dieselbe Bitte gehabt. Wie war doch noch das Datum, das Ihr erwähntet.?«

»Es war der 10. Mai des Jahres 1675. Gerade einen Monat vor dem Mord.«

»Ach ja. Ich werde es mir notieren.« Nachdenklich fuhr der Besucher fort: »Es war damals eine wilde, blutdürstige Zeit, wenn ich mich recht erinnere. Aber die Damen!« Er schmatzte hörbar mit den Lippen. »Mein lieber Herr, die Damen!« Fenton erwiderte nichts darauf.

»Es ist höchst peinlich«, fuhr der Besucher in unglücklichem Ton fort, »daß zwei Gentlemen über geschäftliche Angelegenheiten reden müssen. Aber Ihr kennt meine Bedingungen und meinen - hm - Preis. Kommt! Können wir nicht gleich einen Pakt abschließen?«

Fenton lächelte. Er hatte keine sehr hohe Meinung von der Intelligenz seines Besuchers. Von seiner Macht, ja. Aber nicht von seiner Intelligenz.

»Nicht so eilig, Sir«, protestierte Fenton in sanftem Ton und strich sich über das dünne Haar. »Ehe wir irgendeinen Pakt miteinander machen, möchte ich, daß Ihr Euch meine Bedingungen anhört.«

»Eure Bedingungen?«

Aus dem Gobelinsessel schien sich eine Woge solcher Arroganz in Fentons Richtung zu wälzen, daß sie das Zimmer, ja, das ganze Haus bedrohte. Fenton, der bis dahin keinerlei Furcht gespürt hatte, wurde von Angst gepackt. Aber die Woge verlief sich, und es blieb nur gelangweilte Höflichkeit zurück. »Laßt uns Eure Bedingungen hören«, gähnte der Besucher.

»Zunächst einmal möchte ich als Sir Nicholas Fenton in die Vergangenheit zurückkehren.«

»Selbstverständlich.« Der Besucher schien überrascht. »Gewährt!«

»Da ich nicht sehr viel über Sir Nicholas ausfindig machen kann, muß ich weitere Bedingungen stellen. Er war ein Baronet, ja. Aber wie Ihr wohl wißt, wurde der Titel eines Baronets in jenen Tagen oft von den merkwürdigsten Käuzen getragen.«

»Stimmt, stimmt! Aber.«

»Ich muß ein wohlhabender Mann von edlem Blut sein«, fuhr Fenton fort. »Ferner muß ich jung sein und darf zu keiner Zeit von körperlichen noch geistigen Krankheiten befallen werden und keinerlei Verunstaltung erdulden. Auch dürft Ihr keine Verhältnisse schaffen, die mich der erwähnten Vorteile berauben könnten.«

Eine Sekunde lang glaubte Fenton, zu weit gegangen zu sein. Aus dem Sessel flutete eine Woge kindlichen Zornes, als würde ein kleiner Junge mit dem Fuß auf den Boden stampfen. »Ich weig -« Es entstand eine mürrische Pause. »Na, schön. Gewährt.«

»Besten Dank. Nun ist mir zu Ohren gekommen, Sir, daß einer Eurer beliebtesten Scherze darin besteht, mit Daten und Uhren zu jonglieren. Wenn ich Euch also den 10. Mai 1675 als Datum nenne, so ist das der Zeitpunkt, den ich meine. Auch dürfen die Tatsachen nicht geändert werden. Ihr werdet mich, zum Beispiel, für diesen Mord nicht ins Gefängnis werfen und an den Galgen bringen lassen. Ich werde, genauso wie Sir Nicholas, eines natürlichen Todes sterben. Gewährt?«

Obgleich sich der kindliche Zorn gelegt hatte, blieb doch ein gewisser Ärger zurück.

»Gewährt, Professor Fenton. Das wäre nun wohl alles, nicht wahr?«

»Nur noch eins«, bat Fenton, der vor Aufregung schwitzte. »Obgleich ich die äußere Gestalt von Sir Nicho-las annehme, muß ich doch meinen eigenen Verstand, meine eigenen Kenntnisse, ebenso mein Gedächtnis und meine Erfahrung beibehalten.«

»Einen Augenblick, bitte«, unterbrach ihn sein Besucher. »Hier, fürchte ich, kann ich Euch nicht vollständig akkommodieren. Wie Ihr bemerkt, verfahre ich ehrlich mit Euch.«

»Vielleicht habt Ihr die Güte, Euch zu erklären.«

»Im wesentlichen«, schnurrte der Besucher, »seid Ihr ein guter, freundlicher Mann. Deshalb möchte ich auch Eure See - Eure Gesellschaft haben. Nun, Sir Nicholas, das will ich gestehen, war Euch im Grunde seines Herzens sehr ähnlich. Er war gutmütig, großzügig und leicht zu Mitgefühl gerührt. Aber als Kind seiner Zeit war er ungeschliffener, besaß er ein ganz anderes Temperament und neigte zu heftigen Wutanfällen.«

»Ich verstehe immer noch nicht ganz.«

»Zorn«, erklärte der Besucher, »ist die stärkste aller Gemütsbewegungen. Nun, wenn Ihr - Professor Fenton in der Gestalt von Sir Nicholas - in leidenschaftliche Erregung geraten solltet, dann würde Sir Nicholas für die Dauer des Wutanfalls von Eurem Verstand Besitz ergreifen. Doch erkläre ich Euch feierlichst und als Teil unseres Paktes, daß seine Wutanfälle nie länger als zehn Minuten dauerten. Wenn Ihr damit einverstanden seid, akzeptiere ich Eure Bedingung. Was meint Ihr?«