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»Kitty«, flüsterte George und trommelte leise auf dem Tresen. »Hörst du, Nick? Deine Köchin.« Fenton verzog keine Miene.

»Aber gewiß habt Ihr doch«, meinte er, »einige Fragen an sie gerichtet, Herr Apotheker: wie sie hierhergekommen ist, wer sie geschickt hat und so weiter.«

»Freilich, Sir Nicholas!« bestätigte der Apotheker und lehnte sich, listig blinzelnd, über den Tresen. »Sie sagte zu mir, sie möchte gern Arsenik kaufen, und zwar >so viel, wie in den größten Beutel geht<.«

Erregt und dramatisch schilderte der Apotheker die Szene. »>Nun, meine Liebe<, sagte ich schmeichelnd, >wozu möchtet Ihr das denn haben?< Sie erwiderte, es sei für die Ratten, sehr große Ratten, von denen es in der Küche des Hauses, wo sie eine arme Dienstmagd sei, nur so wimmele; sie verschlängen die Lebensmittel, zernagten das Holzwerk und flößten ihr große Angst ein.«

»Bitte, erzählt nur weiter.«

»>Dann sagt mir, meine Teuerste<, sprach ich wie ein Vater, >bei wem steht Ihr in Diensten?< Sie erwiderte, daß Sir Nicholas und Lady Fenton ihre Herrschaft sei. Certes, Sir Nicholas, ich hatte schon viel von Euch gehört wegen Eures Deg . Eures hohen Ansehens im Unterhaus. >Wer hat Euch geheißen, Gift zu besorgen?' fragte ich. >Nun<, entgegnete sie, >meine Gebieterin.<«

»Lydia?« murmelte George voller Staunen und starrte seinen Gefährten ratlos an. Fenton blieb die Ruhe selbst. »>Nun, meine Teuerstem sagte ich, >noch eine letzte Frage. Wie sieht Eure Herrin aus? Beschreibt sie mir einmal.<«

»Magister Apotheker, seid Ihr mit Mylady Fenton bekannt?« Der kleine Mann spreizte die Hände.

»Sir, Sir, genieße ich eine solche Ehre? Nein, die Falle lag woanders: nicht in dem, was sie sagte, sondern darin, wie sie es vorbrachte. Würde sie stammeln oder frisch und unbefangen sprechen? Würden ihre Augen unstet hin und her wandern oder offen meinem Blick begegnen? Ah, ihr Verhalten stellte mich zufrieden!«

»Und wie hat sie Mylady Fenton beschrieben?«

»Nun, Sir, die Beschreibung entsprach ganz meinen Erwartungen: groß, eine Fülle von glänzendem schwarzem Haar, graue Augen, die oft die Farbe wechseln, und eine milchigweiße Haut.« Das Schweigen, das diesen Worten folgte, schien unerträglich lang.

»Das ist nicht Lydia«, murmelte George mit leiser, halberstickter Stimme. »Das ist. das ist.«

»Sei still, George! - Herr Apotheker, hat das Mädchen zufällig den Vornamen dieser Dame erwähnt?«

»Nein, Sir, sie. doch halt!« murmelte der Apotheker und schnalzte mit der Zunge. »Ei, der Daus, das hatte ich ja ganz vergessen! >Wenn Ihr mir keinen Glauben schenkt<, sagte sie und zupfte züchtig an den Knöpfen meines Rockes, wobei ich - hm! >Wenn Ihr mir keinen Glauben schenkt, so will ich Euch verraten, daß der Vorname der wahren Gebieterin meines Herrn im Augenblick Magdalen oder Meg ist.<« Fenton senkte den Kopf.

Links von ihm auf dem Ladentisch lag der dicke Spazierstock des Apothekers aus gedrechselter, geschnitzter Eiche. In Gedanken versunken, hob Fenton ihn auf und hielt ihn abwägend in der Hand.

Nun, er hatte das meiste erwartet. Es stand in Giles' Bericht. Aber er war gezwungen gewesen, es nachzuprüfen, da Megs Name an dieser Stelle nicht erwähnt war. Er war nur versteckt angedeutet, und zwar in einer so verworrenen und rätselhaften Weise, daß nur ein langes, konzentriertes Studium die verborgene Bedeutung zutage fördern konnte.

Aber es standen, wie Fenton allmählich entdeckte, so viele, viele wichtige Dinge nicht im Manuskript! Der Bericht war eigentlich ziemlich nutzlos, mit Ausnahme von . In diesem Augenblick explodierte der Laden gewissermaßen. »Lügner!« brüllte George plötzlich. »Infamer Lügner! Schurke! Hundsfott!«

George stürzte sich mit kräftiger Faust über den Tresen hinweg auf den Apotheker. Die Waage kippte um und fiel klirrend zu Boden.

»George! Gemach! Sachte!«

Doch George versuchte in seiner Raserei, dem Apotheker noch mehr Angst einzujagen, und zwar mit einer Lüge. »Ein Mord ist geschehen«, rief er, »und Euch wird man auch verhaften. Ihr werdet ins Newgate-Gefäng-nis wandern, und ich werde Euch am Galgen baumeln sehen. Ich werde beobachten, wie der Karren unter Euch weggezogen wird .«

Scharf schnitten dann die Worte durch die Luft: »Tod und Verdammnis, George! Schweig!«

Lord George Harwell blieb wie angewurzelt stehen, die linke Hand in der Luft, die rechte auf seinem Degenknauf. Zum ersten Male an diesem Tag kamen ihm Nicks Ton und Gehaben vertraut vor.

Die zickzackförmigen Adern an Sir Nicks Schläfen traten wie blaue Stricke hervor. Sein Gesicht war düsterer geworden, und er begann zu lächeln. Seine Hände umklammerten den schweren Eichenknüppel fest und immer fester.

Doch George, der abergläubischer oder vielleicht empfindsamer war, als er schien, hatte den Eindruck, irgendein unsichtbares Wesen steige auf Nicks Schultern und zwinge ihn, den Stock fallen zu lassen. Aber Nick wollte anscheinend nicht nachgeben.

»Vorsichtig, Nick!« rief George. »Wenn du in diese Stimmung gerätst.«

Der kleine Apotheker war inzwischen eilig zur Tür getrippelt, um seine Besucher loszuwerden, und blickte aus dem großen Fenster zu seiner Linken. Dieses Fenster war wegen seines buckeligen Glases für die anderen fast undurchsichtig. Meister Wynnel ging dicht heran und blickte erst nach links und dann nach rechts. Und er zitterte mehr als je zuvor.

»Sir Nicholas.«, begann er. Dann wandte er sich um und schreckte zurück vor dem Gesicht, das ihm entgegenstarrte. »Na, na, Mann!« sagte Sir Nick mit leiser, knurrender Stimme, der er mit aller Gewalt einen freundlichen Ton zu verleihen suchte. Mit zitternder Hand griff er in die Tasche. »Hier sind ein paar Guineen für Euch. Nehmt sie!«

Es war weit mehr, als der Apotheker in einem ganzen Monat auch nur im Traum verdienen konnte.

»Da ich weiß, daß sie Euch ein Loch in die Tasche brennen«, sagte Meister Wynnel, »will ich sie nehmen. Aber, Sir, Ihr dürft dieses Haus noch nicht verlassen.«

»Nicht das Haus verlassen? Weshalb denn nicht?«

»Herren, die bei Hofe verkehren, wissen vielleicht nicht, daß in der Nähe der Fleet Street, dicht beim Temple, ein verworfener Bezirk liegt, den man Alsatia nennt.«

»Wirklich?« murmelte Sir Nick zähneknirschend. »Dieses Alsatia ist eine rechtliche Zufluchtsstätte für Verbrecher, ein Asyl selbst für diejenigen, die die schändlichsten Taten begangen haben. Der schlimmste unter ihnen, ein gedungener Räuber und Mörder, wird Bully oder Bullenbeißer genannt, da .« George schoß ans Fenster und preßte seine Nase gegen die Scheiben.

»Der Schurke zur Linken«, plapperte der Apotheker, »hat sich bis zu den Läden am Ende der Gasse zurückgezogen. Ich kann ihn jetzt nicht sehen. Aber der andere Mann rechts vom Torweg, der zum Strand führt.«

»Ich sehe ihn«, rief George.

Der Mann lehnte mit der rechten Schulter gegen die alte dunkle Backstein wand des Torbogens - nachlässig, mit verschränkten Armen. Sein Gesicht war zu einem höhnischen Grinsen verzogen. Er war mager und sehr groß. Sein zerlumpter Rock lag eng am Körper an und war bis zum Hals mit Zinnknöpfen geschlossen. In einer alten Scheide trug er einen neuen Degen - das stählerne Stichblatt glitzerte in einem Sonnenstrahl -, den irgend jemand für ihn gekauft hatte. Die Krempe seines breiten, niedrigen Hutes war zerfetzt, aber an der Seite des Hutes war eine grüne Rosette befestigt.

Er war ein lauter Prahler, ohne Furcht oder Mitleid, der Schrecken aller ehrbaren Männer - Bully von Alsatia in eigener Person.

VII

»Nehmt mir meinen Vorschlag nicht übel«, bettelte der Apotheker von neuem. »Diese Bullenbeißer verlassen ihr Asyl nur dann, wenn sie gegen Bezahlung zu töten beabsichtigen. Es ist ganz natürlich, daß sie geschickter mit dem Degen umzugehen verstehen als Leute, die in vornehmer Umgebung aufgewachsen sind .«