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»Nehmt Platz und laßt's Euch wohl sein, meine Herren!« sagte der Wirt, ein fetter Mann mit aufgerollten Ärmeln und einem breiten Gürtel um die Hüften. »Und womit darf ich Euren Gaumen kitzeln?«

»Für mich«, erwiderte George, »einen guten Kapaun und, sagen wir, vier Tauben.« Er warf dem Wirt einen finsteren Blick zu. »Es sind doch wohl fette, zarte Tauben, die auf der Zunge zergehen, wie?«

»Sir«, entgegnete der Wirt hochnäsig, »eine andere Sorte findet Ihr bei uns nicht.«

»Und für diesen Herrn«, fuhr George fort, der sah, daß Nick in Gedanken versunken auf den Tisch starrte, »ha! ich hab's! Eine große Fleischpastete mit kräftiger Sauce und einen feinen Rostbraten. Für jeden von uns eine Kanone von Eurem besten Kanariensekt.«

Fenton kam allmählich wieder in gute Laune, seitdem Megs Kutsche schwerfällig zum Stehen gebracht worden war. Die Unterhaltung mit Meg vor wenigen Minuten hatte manches in einem neuen und gefährlicheren Licht erscheinen lassen. Sollte er denn niemals zur Ruhe kommen, fragte er sich, ohne von allen Seiten bedrängt zu werden? Seine Gedanken wanderten zum Strand zurück, wo er und George auf Megs Geheiß in die Kutsche geklettert waren.

»Zu Fuß gehen, das ist so unangenehm!« hatte Meg gesagt. »Wie, Ihr geht nur ein paar Schritte? Ei, dann müßt Ihr Euch eine Weile zu mir setzen und einen fröhlichen Diskurs halten.« Die Kutsche hatte mannshohe Räder, und ihre riesige Karosserie hing an dicken Ledergurten. Sie wurde von zwei schweren braunen Pferden gezogen. Bis zu ihrem spitz zulaufenden Dach war sie mit hellgoldener Farbe bemalt, und unter den Glasfenstern prangte Sir Nicks Wappen mit vier Wappenfeldern.

»Meine Gnädigste«, murmelte George, dessen Gesicht in der Gegenwart seiner Angebeteten hochrot angelaufen war. »Es liegt mir fern, mich . mich aufzudrängen .»

Woraufhin er beim Einsteigen über die eigenen Beine stolperte und zu seiner großen Verlegenheit gerade Meg gegenüber in die weinroten Polster sank.

»George!« sagte sie mit liebkosender Stimme. »Könntet Ihr Euch jemals aufdrängen?«

Fenton sprang leichten Fußes in die Kutsche und ließ sich in die am weitesten von Meg entfernte Ecke fallen. Meg machte den Eindruck einer feinen Dame, die einen anstrengenden Vormittag in den Läden hinter sich hat.

Ihren Pelzumhang, Muff und Hut hatte sie neben sich auf den Sitz gelegt. Ihr Oberkörper in dem tiefausgeschnittenen Mieder zeigte eine abgespannte Haltung. Und doch schien ein heimliches Feuer in ihr zu schwelen. Fenton wußte, weshalb, und fühlte sich beunruhigt. Ihre Augen glitten öfter verstohlen zu ihm hinüber, um sich rasch wieder abzuwenden, als interessierte er sie nicht.

»Diese Neue Börse«, sagte sie gelangweilt, »genießt einen besseren Ruf als die Qualität der Waren, die dort angeboten werden.« Fenton hatte versucht, seine blutbefleckten Hände zu verbergen, indem er sie in die Tasche steckte. Doch Meg hatte sie bereits gesehen, wie ihr nichts an seiner Person entging. Plötzlich beugte sie sich vor.

»Pfui, Ihr habt wieder gefochten!« sagte sie und schreckte halb in Ekel, halb in Furcht vor ihm zurück. Die Furcht war zwar echt genug, aber jeder hätte sehen können, welch heftige Freude, welch leidenschaftlicher Stolz sich darunter verbargen. »Aber leider Gottes habt Ihr gewonnen - wie unhöflich! Eines Tages wird man Euch noch töten, und dann werde ich - oh, so schrecklich fidel sein!«

»Aber nein, nicht doch! Potzteufel!« protestierte George, der puterrot im Gesicht war.

»Liebster George, kennt Ihr überhaupt den Unterschied zwischen Leben und Tod?« Fenton warf sich in Positur.

»George«, sagte er, »sie macht nur einen schwachen Versuch, dich zu verspotten. Aber es gelingt ihr natürlich nicht.«

Meg lehnte sich blitzschnell zu Fenton hinüber. »Ei, Ihr und Eure spitze Zunge .!«

»Möchtet Ihr bei meiner Beerdigung tanzen, Meg?«

»Allerdings. Und singen würde ich auch. Genauso wie einst.« Meg brach ab. Sie ließ sich ins Polster zurückfallen, und ihr Blick schweifte in die Ferne. »Nick«, sagte sie nach einer Weile, »denkt Ihr überhaupt nicht mehr zurück?«

»Woran?«

»An die Zeit - es sind noch keine zwei Jahre her -, als wir ein Haus in Epsom hatten? Deine Freunde pflegten sich dort zu versammeln: George - verzeiht mir, George! - und Mylord Rochester und der beleibte alte Herr, den wir auf sein Geheiß >Mr. Reeve< nannten. Er war schon ein Freund deines Vaters gewesen. Und alle wart ihr leidenschaftliche Royalisten, Söhne und Enkel derer, die immer mit dabei waren, seitdem die königliche Standarte in Oxford gehißt wurde.«

Echte Tränen zitterten jetzt auf Megs Wimpern. »Nick, Nick, ich will kein Wort gegen Lydia sagen. Aber mein Vater und Großvater waren keine scheinheiligen Puritaner wie ihre Vorfahren. Mein Vater, der Bruder von Lydias Vater, war Captain Charles York. Selbst als die Royalisten geschlagen waren, und noch lange nachher, gab es viele, die weder ins Ausland fliehen noch Oliver als LordProtektor anerkennen wollten. Sie hatten keine Hoffnung, wollten aber nicht nachgeben. Immer wenn sie einen Eisernen Dragoner sahen, stürzten sie auf ihn los, und die Schwerter klirrten, bis einer von ihnen tot liegenblieb. Bald waren sie alle tot. Auch Captain York.«

Meg hatte sich zitternd aufgerichtet, und ihre Augen blickten verträumt in die Ferne.

Fenton begann zu sprechen, hielt aber sofort wieder inne. »Und erinnert Ihr Euch an Epsom, Nick? Gewiß entsinnt Ihr Euch! Das kleine Speisezimmer mit Euren Freunden?« Meg hatte ihren Tränen keinen freien Lauf gelassen; sie war zu stolz. »Ich stand auf einem Stuhl und mit einem Fuß auf dem Tisch; ei ja, und meine Röcke bauschten sich hoch über meinem Knie; in meiner Hand hielt ich eine Zither. Aber ich sang keine schlüpfrigen Lieder, Nick. Ich sang die alten Kavalierlieder, die euch allen die Glut in die Wangen trieben. Ich werd's Euch noch mal vormachen!« Meg, die von innen heraus glühte, setzte sich kerzengerade hin und warf nachlässig den Kopf zurück - den Kopf mit der Ponyfrisur und den glänzenden schwarzen Locken, die fast bis zur Schulter reichten. Echte Farbe flammte in ihren Wangen. Mund und Augen brachten jedes Gefühl - von bitterer Verachtung bis zu stolzem Triumph - zum Ausdruck, während sie den Vers sang und ihre rechte Hand über imaginäre Saiten strich:

»Ja, huldigt dem Unstern! Nennt Oliver Herrn! Schleicht zitternd und kriechend durchs Land! Sind Küraß und Schwert, die einst so begehrt, jetzt tief versteckt in der Wand? Verschwunden die Becher der edlen Zecher, die Krone in Gold und Kot? Kameraden, den Toten sei der Trinkspruch geboten: Gott sende Cromwell den Tod!«

Es gab noch andere Verse, doch Meg konnte sie nicht alle singen. Die fieberhafte Begeisterung verließ sie. Sie sank in die Polster zurück und hielt die Hände vors Gesicht. George betrachtete sie gebannt, mit unverhohlener Bewunderung und Verehrung.

»Was für eine Frau seid Ihr doch, meine Teuerste! Und was für eine Schauspielerin ist an Euch verlorengegangen!«

»Du vergißt ganz«, sagte Fenton höflich, »daß sie ja eine ist.«

»Wenn irgendein anderer Mann das gesagt hätte .!«

»Oh, ihre Gefühle als Royalistin sind schon echt. Charles York war ein guter, tapferer Mann. Möge ihm die Erde leicht werden!« Nüchtern und kühl prüfte Fenton die Situation. »Glaubst du etwa, ich spürte ihre Reize nicht? Brenne ich nicht darauf, sie trotz der gaffenden Menge um uns herum in die Arme zu schließen?« Hier zitterten Megs Finger ein wenig. »Aber siehst du denn nicht, George, wie sie durch ihre Finger hindurch beobachtet, was für einen Eindruck sie auf uns gemacht hat?«