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Meg nahm die Hände vom Gesicht und blickte ihn haßerfüllt durch Tränen an.

»Ich fahre jetzt«, erklärte sie mit fester Stimme, »zu Mr. Plovers großem Laden in Cheapside, >Das leichtfertige Mädchen< genannt. Wollt Ihr vielleicht die Güte haben und diese Kutsche verlassen?«

Fenton schenkte ihren Worten keine Beachtung. »Wenn Ihr nur ein leichtfertiges Mädchen wäret.«, er zauderte. »Nun! Ihr entzündet und verwirrt tatsächlich die Herzen der Männer. George zum Beispiel hat eine Frage, die er gern an Euch richten möchte .«

»Nick!« flüsterte George, den eine quälende Angst befiel, als er Meg die entscheidende Frage stellen sollte. »Pst! Jetzt nicht!«

»Eine Frage?« erkundigte sich Meg in ehrlicher Überraschung. »Nein, pst! Nick!«

»Na, lassen wir's. Es bedarf noch der Überlegung.« Fenton ließ eine kleine Pause eintreten und fuhr dann fort: »Meg, habt Ihr Kitty zum >Blauen Mörser< in der Totenmannsgasse geschickt, um Arsenik zu kaufen?«

Megs Erstaunen war so groß, daß Fenton hätte schwören können, es sei echt.

»Arsenik? Gift?« sagte Meg. »Und vermutlich, um Euch zu töten? Denkt alles andere von mir, aber das nicht! Und diese - diese Kitty!« Wieder stieg flammende Röte in ihre Wangen. »Muß ich noch auf eine andere eifersüchtig sein? Wie lautet ihr Name? Kitty wer?«

»Kitty Softcover. Sie ist Köchin in unserem eigenen Hause.« Meg zuckte voller Abscheu die Achseln.

»Ich sollte aus einer Kochmagd eine confidente machen? Das traut Ihr mir zu? Ich habe diese Kreatur überhaupt noch nie gesehen!« Um Megs Lippen huschte das verschwiegene Lächeln, das er so gut kannte. »Glaubt Ihr gar, daß wir unter einer Decke stecken?«

»Was sonst?«

»Ich habe viele Laster, wie Euch glücklicherweise bekannt ist. Aber ich interessiere mich nur für Männer!«

»Daran, muß ich gestehen«, sagte er ironisch, »hatte ich nicht gedacht. Doch verzeiht mir, daß ich Euch an den Besitz Eurer vielen Juwelen erinnere. Diese Mädchen .«

»Ihr mögt sie wohl gern, nicht wahr?«

»Nein. Ich verabscheue sie ebenso wie Ihr. Aber sie ist diebisch und liebt glitzernde Steine über alles. Habt Ihr ihr vielleicht einen funkelnden Ring oder ein Armband gegeben .?«

»Und meinen Hals in die Schlinge gelegt? Pfui!«

»Doch hat diese Magd dem Apotheker eine Beschreibung der Dame gegeben, die sie geschickt hatte, und diese Beschreibung paßt haargenau auf Euch.« Meg blickte ihn merkwürdig an.

»Ei, was für ein Dummkopf ist doch der kundigste Mann«, meinte sie. »Würde irgendeine Frau, die Gift kaufen soll, die Person beschreiben, die sie geschickt hat? Würde sie nicht eher den Verdacht auf eine Unschuldige lenken? Ich hoffe, daß diese Kreatur - nein, ich will ihren Namen nicht aussprechen - eine gehörige Tracht Prügel erhält.«

Tiefes Schweigen folgte diesen Worten.

»George«, sagte Fenton schließlich, »Madam York ist durchaus im Recht. Sie stempelt uns beide zu Trotteln. Wir trollen uns am besten.«

George öffnete den Wagenschlag, kletterte unbeholfen auf das Trittbrett und sprang hinunter. Eine Gruppe von Gaffern sah ihm schweigend zu. Selbst die prunkvollsten Kutschen wurden nie angehalten noch ihre Fenster mit Steinen zertrümmert, wenn eine hübsche Dame darin saß. Die Menge stand nur mit lüsternen Blicken herum, die der Dame selten mißfielen. Abermals hingen echte Tränen an Megs Wimpern. »Jetzt heißt es wirklich Abschied nehmen, Nick«, sagte sie. »Ich log, als ich sagte, ich brauchte noch eine Nacht, um meine Sachen zu packen. Früh am Abend werde ich dein Haus verlassen haben.«

»Und ich werde nie den Gedanken aufgeben«, erwiderte Fenton, »daß Ihr Mary Grenville seid.«

Er neigte sich zu ihr, um ihre Hand zu küssen, und küßte sie statt dessen unwillkürlich auf die Lippen. Sein Knie glitt auf dem Samtpolster aus, und er fiel gegen sie. Ehe er sich ihren Armen entziehen und wieder auf die Beine kommen konnte, hatte sich eine große Verwirrung seiner bemächtigt.

Aber es gelang ihm, vom Trittbrett auf den Boden zu springen. »Solltest du mich je brauchen - und das wirst du«, flüsterte Meg, sich aus dem Fenster lehnend, »dann wirst du hören, wo ich zu finden bin. Denn wir sind miteinander verbunden, du und ich!«

Fenton gab dem Kutscher ein Zeichen, während George brüllend die Müßiggänger zurückhielt. Der Kutscher knallte wiederholt mit der Peitsche. Das riesige Gefährt schwankte und setzte sich in Bewegung. Fenton und George tauchten in der Menge unter.

»Nick«, brummte George, den Blick auf die Pflastersteine geheftet, »sie liebt dich.«

»Nein! Hör mir zu. Du kennst Meg nicht. Hüte dich vor ihrem Temperament. Gib ihr Geld, behänge sie mit Juwelen, Kleidern und Tand. Dann wird sie auch dich lieben.«

George kehrte ihm ein Gesicht zu, in dem Hoffnung und Zweifel miteinander kämpften. »Wahrhaftig? Glaubst du das?«

»Ich . bin dessen sicher. Außerdem will mir dieser Captain Duroc nicht so recht gefallen. Wie mir jetzt wieder in den Sinn kommt, heißt es von ihm, er gehöre zum >Gefolge des französischen Königs<.«

Hier glitt Georges linke Hand sachte an den Degengriff. »Bei dir«, fuhr Fenton fort, »wird sie in guten Händen sein. Aber Eile tut not, George! Sie verläßt mein Haus eher, als ich dachte, und zwar heute abend schon. Du mußt an Ort und Stelle sein und deinen ganzen Mut aufbieten. Du darfst nicht stammeln, sondern mußt frisch von der Leber weg sprechen. Sonst verlierst du sie. Bringst du das fertig, Mann? Willst du es versuchen?«

George zauderte ein wenig. Dann gelobte er es mit entschlossener Miene.

»Gut! Nun erzähle mir bitte, was in der Totenmannsgasse passiert ist, als ich . mein Gedächtnis verlor.« George gab ihm eine kurze, aber klare Schilderung. Im Nu hatte Fenton das ganze Geschehen analysiert und alle Umstände richtig geordnet. Er erkannte, daß er in der schlimmsten Gefahr schwebte.

Sie waren also in dem Laden des Apothekers gewesen: schön und gut. Der Apotheker erwähnt Kittys Beschrei-bung von Meg. George tobt und bedroht den Apotheker stürmisch, woraufhin er, Fenton - der kurz vorher mit den Dienern kühl und besonnen geblieben war - , wegen des armen George in Zorn ausbricht. In diesem Augenblick packt ihn Sir Nick und hat ihn völlig in der Gewalt, als er aus dem Fenster blickt und das grüne Band von Mylord Shaftes-burys Partei sieht.

Aber die eigentliche Erklärung, das wußte er, lag tiefer. Nicht gegen George richtete sich in Wirklichkeit sein Zorn. Die Anklage gegen Meg hatte ihn erregt und ließ Sir Nick einschlüpfen. Alle beide mußten sie mehr für Meg empfinden - selbst wenn es nur Lust war - , als jeder von ihnen ahnte.

Doch die Sache lag noch schlimmer, und Fenton schauderte bei dem Gedanken. Bisher hatte Fenton es jedesmal gespürt, wenn Sir Nick im Anzug war, und sich auf das Ringen mit dem Sargdeckel und dem gruseligen Inhalt eingestellt.

Diesmal aber hatte er überhaupt nichts davon bemerkt. Im Apothekerladen hatte er nur ein leichtes Aufbrausen gespürt. Er konnte sich noch gut erinnern, daß er aus dem Fenster blickte und das grüne Band sah ... dann Leere. Nie zuvor hatte er sein Gedächtnis verloren.

Allerdings war es kein vollständiger Verlust. Es tauchten vage Erinnerungen auf an Degengeklirr, an einen sehr langen, dünnen Mann und an jemanden, der rief: >Nimm dich in acht vor dem Kerl hinter dir!< Dennoch ...

Seine Befürchtungen mußten richtig sein. Sir Nick wurde allmählich mächtiger.

Nein! protestierte Fentons Verstand. Wenn sich dieser tote Idiot dauernd in seine Knochen schlich, vielleicht gar noch länger als die erwähnten zehn Minuten, so würde das dem Teufel einen diebischen Spaß bereiten. Nein, und abermals nein! Nach kühler Überlegung kam er zu dem Schluß, daß er sich Sir Nicks erwehren konnte, wenn er immer und ewig auf der Hut war. Und das nahm er sich fest vor. Er war fast wieder in heiterer Stimmung, als er George in den »Fetten Kapaun« folgte. Die Stunde des Mittagessens war längst vorüber. An den langen Tafeln saßen sehr wenige Gäste, die sich wie Geister von der Glut des Kohlenfeuers abzeichneten. In der trüben Beleuchtung achtete niemand auf Fentons blutbefleckte Hände.